Partei verliert in aktueller Umfrage Das Castor-Problem der Grünen

Berlin/Gorleben (RPO). Sie wollten ein Zeichen setzen gegen die Atompolitik der schwarz-gelben Bundesregierung. Und so beteiligten sich die Grünen aktiv an den Protesten gegen den Castor-Transport. Doch das scheint nun einige potenzielle Neuwähler verschreckt zu haben.

Castor-Protest: 2010 im Wendland
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Grünen-Chefin Claudia Roth mitten in einer Blockade und erntet dafür Kritik und auch Spott, Fraktionschef Jürgen Trittin gibt sich wortgewandt und attackiert die Regierung. Die Grünen-Spitze war sich in den vergangenen Tagen einig und trat demonstrativ im Wendland gegen die Atompolitik auf. Und sie feierten die Proteste als "Sternstunde der Demokratie". So erklärte Fraktionschefin Renate Künast: "Das war eine klare Antwort auf die Lobbypolitik der Bundesregierung."

Tatsächlich hatten sich so viele Menschen wie selten zuvor an den Protesten beteiligt, und der Unmut über die Laufzeitverlängerung der Kraftwerke ist enorm. Doch dass die Grünen-Spitze selbst an vorderster Front gegen den Castor-Transport demonstrierte, ist ihnen nur bedingt bekommen.

Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage für RTL und "Stern" verliert die Partei in dieser Woche einen Punkt und kommt nur noch auf 23 Prozent. Damit liegen sie in der aktuellen Befragung wieder gleichauf mit der SPD, die seit Wochen bei dieser Prognose verharrt. Union und FDP dagegen konnten wieder zulegen. Während die Liberalen in der Umfrage fünf Prozent erhielten (plus eins), verbessert sich die Union um zwei Punkte und kommt nun auf 32 Prozent.

Keine absolute Mehrheit mehr für Rot-Grün

Damit ist der Höhenflug der Grünen und insgesamt für eine mögliche rot-grüne Koalition vorerst gestoppt. Denn die absolute Mehrheit hätten die beiden Parteien nach dem Wahltrend nicht mehr. Und Forsa-Chef Manfred Güllner sieht eben in jenem Castor-Transport den Grund.

Der harte Kern der Grünen, der jetzt mitprotestiert habe, habe viele Wähler aus der Mitte verschreckt, so Güllners Interpretation. "Dadurch wird das Bild der soliden, seriösen, staatstragenden Partei unterterminiert, das sich die neuen Wähler von den Grünen gemacht haben." Und das bringe der Union ehemalige Wähler zurück.

Genau darauf hatte auch die Kritik vieler Regierungspolitiker abgezielt, nämlich die Grünen wieder zu dem zu machen, was sie in ihrer Anfangszeit waren: eine Protestpartei. Führende Oppositionspolitiker sprachen von einem Rückfall in die Protestbewegung der 70er Jahre. Und auch die FDP-Fraktionsvorsitzende Brigitte Homburger sprach von einem Rückfall in die alte Protestkultur.

Plus-Punkt Stuttgart 21

Tatsächlich war es eben nicht nur die Haltung der Grünen zur Atompolitik, die ihnen den Umfragen-Höhenflug einbrachte. Es war in erster Linie die Unzufriedenheit mit der schwarz-gelben Politik und die immer noch tief sitzende Enttäuschung über die Sozialdemokratie, die etwa die Hartz-Reformen auf den Weg brachte.

Nicht zu vergessen ist dabei Stuttgart 21 als wichtiger Faktor. Denn im Gegensatz zu den jetzigen Atomprotesten gehen hier sehr viele "Normalbürger" auf die Straße, um sich gegen die aktuelle Politik zu wehren. Die Grünen, die als einzige Partei von Anfang an gegen das Projekt votierte, konnten von dieser Stimmung profitieren.

Und während in Stuttgart massive Kritik an der Polizei laut wurde und die Demonstranten als zumeist friedlich angesehen wurden, verhält es sich bei den Castor-Protesten eben ganz anders. Denn hier geht der friedliche Protest inmitten von Schotter- und Ankettungsaktionen unter. Man sieht nur besetzte Gleise und Blockaden - und mittendrin eben die Grünen.

Renate Künast jedenfalls hatte erst am Wochenende auf dem Landesparteitag in Berlin betont, dass viel Arbeit vor den Grünen liege. Man solle nicht in Höhenflüge verfallen. Die Vorsicht der Spitze in Bezug auf die Umfragewerte war dementsprechend berechtigt. Nun heißt es für die Partei, Mittel und Wege zu finden, einen rapiden Absturz zu verhindern - und zwar in aktueller politischer Argumentation. Denn der Castor-Transport ist ja erst einmal Geschichte.

(das)
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