Wird das Volk von Juristen vertreten? Das Beamten-Parlament

Berlin (RP). 622 Bundestagsabgeordnete vertreten das deutsche Volk, der Großteil von ihnen sind Beamte und Bürokraten. Jeder sechste ist Jurist. Rein statistisch gesehen ist der deutsche Volksvertreter 49,24 Jahre alt, männlich und kommt aus der Verwaltung. Auch eine Hausfrau sitzt im Bundestag.

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Foto: dpa, kno

Unter den 622 Abgeordneten des frisch gewählten Bundestages dominieren Bürokraten und Funktionäre. Beamte, Verwaltungsangestellte, Studienräte, ehemalige Bürgermeister und Gewerkschaftssekretäre machen mehr als die Hälfte der Mitglieder des Bundestags aus. In der offiziellen Statistik des Bundeswahlleiters wird diese Berufsgruppe unter dem Stichwort "administrativ entscheidende Berufstätige" geführt. 350 gehören dazu.

Die größte Einzelgruppe im Parlament bilden schon seit vielen Jahren die Rechtsexperten. 100 Rechtsanwälte und Richter haben den Einzug in das Parlament geschafft. Jeder sechste Volksvertreter kommt somit aus der Jurisprudenz. Danach folgen 50 Lehrer und Pädagogen. Unternehmer und Selbstständige finden sich nur vereinzelt wieder.

Wird das Volk von Juristen und Beamten vertreten?

Im Grunde ja, aber Experten bewerten das nicht unbedingt kritisch. "Es gibt keine optimale berufliche Voraussetzung für gute Politik", sagt Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen. Dass sich vergleichsweise wenig Unternehmer, Selbstständige oder auch Wissenschaftler für die Arbeit in Ausschüssen, Fraktionen interessieren, habe mit dem Anreizsystem zu tun. "Abgeordneter ist ein prekärer Beruf", sagt Korte. "Es gibt keinen Kündigungsschutz, und der Beruf ist episodenhaft." Nach vier Jahren kann alles vorbei sein.

Für Unternehmer ist eine Rückkehr in den eigenen Betrieb nach einem Ausflug in die Politik kaum möglich. Und die finanziellen Annehmlichkeiten eines Bundestagsabgeordneten, 7668 Euro Diät pro Monat zuzüglich einer Spesenpauschale von 3800 Euro, Erste-Klasse-Ticket bei der Bahn und Pensionsansprüche von monatlich 767 Euro schon nach vier Jahren, sind ordentlich.

Im Vergleich zu Führungsjobs in der Wirtschaft aber nur unteres Niveau. "Mehr Geld für die Abgeordneten, das muss uns die Sache wert sein", sagt Politologe Korte. "Allerdings sollten die Abgeordneten dann auch selbst für das Alter vorsorgen." Als beispielhaft gilt das im NRW-Landtag durchgesetzte Vergütungsmodell. Das Land hatte eine Verdoppelung der Diäten für die Parlamentarier beschlossen, aber gleichzeitig die Altersvorsorge privatisiert.

Nach der Bundestagswahl finden sich Schlosser, Maurer, Bäcker, Pfarrer, Ärzte, Journalisten, Psychologen, Professoren, Designer und Studenten unter den Mandatsträgern. Auch eine Hausfrau (Petra Crone, SPD) und eine Diamantgutachterin (Marie-Luise Dött, CDU) sitzt im Bundestag.

Einen Doktortitel haben übrigens 124 Abgeordnete, darunter CDU-Kanzlerin Angela Merkel (Physik), SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier (Jura) und der älteste Abgeordnete, der 73-jährige CDU-Politiker Heinz Riesenhuber (Chemie).

"Blaues Blut" können "Prinz" Hermann Otto Solms (FDP) sowie die "Freiherren" Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Christian von Stetten (CDU) vorweisen. Wenig repräsentativ ist der Anteil der Frauen. Während 51 Prozent aller Deutschen weiblich sind, sind es im Bundestag nur 32,79 Prozent.

(RP)
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