Debatte um straffällige Migranten Darf man nach Syrien abschieben?

Berlin · Unionspolitiker wollen eine Neubewertung der Sicherheitslage in Syrien, um Gefährder und Kriminelle dorthin zurückzuführen. Ähnlich verfahren die Behörden mit Afghanistan. Doch die Rechtslage ist nicht einfach.

 Abgelehnte Asylbewerber steigen am Baden-Airport im Rahmen einer landesweiten Sammelabschiebung in ein Flugzeug (Archivbild).

Abgelehnte Asylbewerber steigen am Baden-Airport im Rahmen einer landesweiten Sammelabschiebung in ein Flugzeug (Archivbild).

Foto: dpa/Daniel Maurer

Sieben Syrer und ein Deutscher sitzen in Freiburg nach einer mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung einer 18-jährigen Studentin in Untersuchungshaft. Der als Haupttäter verdächtigte 22-jährige Syrer wird von der Polizei als Intensivtäter geführt. Körperverletzungen, Verdacht auf eine weitere Vergewaltigung, Drogenbesitz in großem Stil. Dazu posierte er in den sozialen Netzwerken in Kampfmontur mit dem Finger am Abzug eines aufmunitionierten Maschinengewehrs. Majd H. ist erkennbar nicht der klassische Fall eines Schutzbedürftigen. Eher gehört das Land, das ihm Zuflucht gewährte, vor ihm geschützt. Vor diesem Hintergrund hat CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer eine neue Debatte über ein Ende des Abschiebestopps nach Syrien angestoßen.

„Bestimmte Regionen Syriens könnten in absehbarer Zeit sicher genug sein, um abgelehnte, straffällig gewordene Asylsuchende dorthin abzuschieben“, vermutete Kramp-Karrenbauer. Darin wird sie nun vom bayerischen Innenminister Joachim Herrmann unterstützt: „Es geht nicht darum, anständige und gut integrierte Syrer abzuschieben“, sagte der CSU-Politiker unserer Redaktion. Er werde sich aber bei der Innenministerkonferenz (IMK) Ende des Monats in Magdeburg dafür einsetzen, syrische Straftäter und Gefährder außer Landes zu bringen, sobald es die Lage erlaube. „Wer solche schweren Straftaten begeht, kann doch nicht ernsthaft erwarten, dass er bei uns Schutz und Hilfe findet“, betont Herrmann. „Solche Leute“ seien ein Sicherheitsrisiko.

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Seit 2012, also seit die schlimmen Bilder vom syrischen Bürgerkrieg die Welt erschüttern, scheidet Syrien als Ziel für Rückführungen aus. Auch die von Zehntausenden Rückkehrwilligen genutzten Unterstützungsprogramme für eine freiwillige Heimkehr dürfen für Syrien nicht in Anspruch genommen werden. Allerdings waren Unionspolitiker bereits vor einem Jahr der Auffassung, dass sich die Verhältnisse in einzelnen Landesteilen beruhigt haben. Schon damals wollte Sachsens CDU-Innenminister Markus Ulbig die Sicherheitslage in Syrien „neu bewerten lassen“ und je nach Ergebnis den Abschiebestopp Mitte 2018 beenden.

Das war seinerzeit mit der SPD nicht zu machen. Sie bestand auf einer erneuten Verlängerung um ein Jahr, ließ sich aber darauf ein, zur IMK eine aktualisierte Sicherheitseinschätzung der Bundesregierung einzuholen. Doch die zu erstellen, fällt dem Auswärtigen Amt schwer. Es gibt keine deutsche Botschaft in Damaskus, und Teile des nicht mehr umkämpften Gebietes sind so schwer zugänglich, dass auch Hilfslieferungen der Vereinten Nationen seit Monaten nicht ankommen.

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Allerdings haben sich Bund und Länder darauf verständigt, Abschiebungen nach Afghanistan wieder aufzunehmen, obwohl auch von dort immer wieder von schweren Kämpfen und Anschlägen berichtet wird. Auch hier fällt es der Regierung schwer, auf Nachfrage die Regionen zu nennen, die für eine Rückkehr von Flüchtlingen sicher genug sind. Dennoch startete in dieser Woche wieder ein Flieger mit 42 Männern an Bord, die nach Auskunft des Bundesinnenministeriums nach drei Kriterien ausgesucht worden waren: Straftäter, Gefährder und sogenannte Identitätstäuscher – also Afghanen, die unter falschen oder gefälschten Angaben Schutz gesucht hatten. In der Sammelabschiebung mit Personen aus neun Bundesländern waren auch zehn, die direkt aus der Haft kamen.

Haben Kriminelle ihren Anspruch auf Schutz verwirkt? Das Verfassungsgericht in Karlsruhe bejaht oder verneint diese Frage nicht generell. Es verweist vielmehr auf die Lage in den Zielländern. Eine Rückführung eines Terrorunterstützers nach Tunesien erklärten die Verfassungsrichter für rechtens, obwohl dort generell die Todesstrafe droht. In seinem Fall sei die Vollstreckung jedoch ausgeschlossen, und er habe nach Haft- statt Todesstrafe die Chance auf Freilassung.

Anders entschieden die Richter bei einem Gefährder mit türkischer Staatsbürgerschaft. Hier hätten die Behörden nicht gründlich genug geprüft, ob dem Mann in der Türkei Folter droht. Abschiebungen nach Syrien sind vom Verfassungsgericht noch nicht überprüft worden. Aber es spricht vieles dafür, dass sie nicht davon abhängen, welche Verbrechen der Betroffene begangen hat, sondern wie sein voraussichtlicher Status in Syrien sein dürfte. Auch Kriminelle haben Anspruch auf Schutz vor Folter und Tod.

Die AfD regte an, mit Syriens Machthaber Baschar al Assad ein Abkommen über die Möglichkeit freiwilliger Rückkehr zu schließen. Wie verlässlich eventuelle Zusagen sind, Heimkehrer nicht zu behelligen, ist schwer zu überprüfen. Menschenrechtsorganisationen berichten davon, dass insbesondere in früheren Rebellenhochburgen, die jetzt wieder unter der Herrschaft des Regimes stehen, Zehntausende von Menschen „verschwunden“ seien. Oppositionelle Gruppen behaupten, der syrische Geheimdienst habe Listen mit mehr als einer Million Namen angefertigt, die er zu den Gegnern des Regimes zähle. Auch die Daten vieler Flüchtlinge aus Deutschland stünden darauf. Eine im Exil betriebene Syrien-Website zitierte einen Geheimdienstchef mit dem Hinweis, auf den Fahndungslisten stünden die Namen von drei Millionen Syrern.

Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen zählt allerdings aktuell bereits 674.364 freiwillige Rückkehrer. Die chaotische Situation in weiten Teilen des Landes geht aus einer anderen UN-Zahl hervor: Danach sind über sechs Millionen Binnenflüchtlinge immer noch nicht in ihre eigentlichen Heimatorte zurückgekehrt. Viele Flüchtlinge wissen: Ihre Wohnungen oder Geschäfte sind zerstört. Eine Frage wird indes immer lauter: Wer baut sie wieder auf?

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