Daimler zahlt nicht mehr Wie hart ein Spendenboykott die Parteien treffen würde

Berlin · Die großen Parteien kassieren jedes Jahr Hunderttausende Euro an Spenden. Was passiert, wenn sich große Spender wie Daimler zurückziehen? Einige sagen, das gefährde die Demokratie - andere genau das Gegenteil.

 Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Daimler-Chef Dieter Zetsche.

Foto: dpa/Boris Roessler

Auf die Industrie konnten sich die deutschen Parteien verlassen: Regelmäßig landeten größere Überweisungen auf ihren Konten, teils mehrere Hunderttausend Euro. Doch jetzt hat Daimler den Geldhahn zugedreht, wie schon Siemens, BMW und Volkswagen zuvor. Der Autobauer spendet in diesem Jahr lieber für Naturschutz und Kunst. Was könnte passieren, wenn andere Unternehmen nachziehen? Drohen den großen Parteien Finanzierungslücken? Der Schatzmeister der CSU, Thomas Bauer, sieht bereits eine Schwächung der Demokratie. „Man stiehlt sich aus der Verantwortung“, warf er den Unternehmen am Mittwoch in der „Welt“ vor.

Warum zieht sich Daimler zurück?

Daimler hat im vergangenen Jahr 320.000 Euro an Parteien gespendet - jeweils 100.000 Euro an CDU und SPD, je 40.000 an Grüne, CSU und FDP. Warum damit jetzt Schluss ist, sagt der Autobauer nicht. Nur: „Wir haben beschlossen, in diesem Jahr den Schwerpunkt bei Projekten aus den Bereichen Bildung, Naturschutz, Wissenschaft, Kunst und Kultur zu setzen.“ Beim Verein Lobbycontrol vermutet man, Daimler poliere auch seinen Ruf auf. „Oft tut es dem Image gut, wenn ein Unternehmen sagt, wir ziehen uns aus Parteispenden zurück und investieren stattdessen etwa in Umweltschutz“, meint Politikwissenschaftlerin Christina Deckwirth. Für viele haben Parteispenden einen schalen Beigeschmack - das hat auch Daimler gespürt: „Wir sind bisher dafür kritisiert worden, dass wir Parteispenden machen“, sagt Sprecher Jörg Howe. „Jetzt werden wir dafür kritisiert, dass wir keine Parteispenden mehr machen. Das nehmen wir zur Kenntnis.“

Wer darf an die Parteien spenden?

Im Grunde jeder, Privatleute genau wie Vereine, Verbände und Unternehmen. Es gibt auch bei der Höhe keine Obergrenze. Alle Spenden von mehr als 10.000 Euro im Jahr müssen mit Namen und Anschrift im Rechenschaftsbericht der Parteien auftauchen. Spenden von mehr als 50.000 Euro werden vom Bundestag im Internet veröffentlicht. Verboten sind größere anonyme Spenden. Auch Spenden aus Ländern außerhalb der EU dürfen nur in Ausnahmefällen angenommen werden.

Welche großen Unternehmen spenden noch?

In der Liste der Großspender tauchte im vergangenen Jahr auch der Essener Chemiekonzern Evonik auf - mit jeweils 80.000 Euro für CDU und SPD, sowie je 20.000 Euro für FDP und Grüne. „Für uns als Unternehmen sind Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und soziale Marktwirtschaft essenzielle Grundpfeiler unserer Gesellschaft“, begründet die Firma die Finanzmittel. „Die Parteien der Mitte sind Garanten dieser stabilen Grundlagen, die den Standort Deutschland so erfolgreich machen.“ Auch die Firma R+V Industriebeteiligungen mit Sitz in Köln spendete in diesem Jahr bereits 100.000 Euro an die FDP.

Mehrere Unternehmen nehmen zudem den Umweg über einen Verband: Südwestmetall beispielsweise gab zuletzt 430.000 Euro an CDU, SPD, Grüne und FDP. Der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie spendete 625.000 Euro an die CSU - die größte Einzelspende überhaupt - sowie 60.000 an die FDP und je 50.000 an Grüne und SPD. Dazu kommen Spenden von Privatleuten, teils in sechsstelliger Höhe, manch einer vererbt sein ganzes Vermögen. Auch die BMW-Großaktionäre Stefan Quandt und Susanne Klatten spenden viel - im vergangenen Jahr eine Viertelmillion an CDU und SPD.

Drohen den Parteien ohne Spenden Finanzierungslücken?

Wie wichtig Spenden von Unternehmen und Privatleuten für die Parteien sind, ist ganz unterschiedlich. Bei der FDP machten sie im Jahr der Bundestagswahl 2017 fast 40 Prozent der Einnahmen aus, bei der AfD ähnlich viel. Bei der CDU waren es immerhin 22 Prozent, bei SPD und Linken dagegen nur rund 8 Prozent. In absoluten Zahlen war die CDU mit mehr als 35 Millionen Euro Spenden-Spitzenreiter. Die FDP erhielt rund 15 Millionen, die SPD 14,5 Millionen.

In Wahljahren wird besonders viel gespendet - der Großteil kommt bei allen Parteien allerdings von Privatleuten. 2016 - ohne Bundestagswahl - nahm die CDU weniger als fünf, die SPD weniger als 1,5 Prozent durch Unternehmensspenden ein. Die Linke nimmt nach eigener Aussage keine Großspenden von Konzernen an und setzt sich für ein Verbot von Unternehmensspenden ein.

Woher kriegen die Parteien sonst ihr Geld?

Etwa ein Drittel des Geldes kommt vom Staat. Die Summe hängt unter anderem davon ab, wie viele Stimmen die Parteien bei den letzten Bundestags- und Landtagswahlen hatten. Etwa 20 bis 30 Prozent nehmen die Parteien außerdem über Mitgliedsbeiträge ein - vor allem SPD und Linke setzen stark auf ihre Mitglieder.

Gibt es auch verdeckte Spenden?

Der Verein Lobbycontrol, der sich für mehr Transparenz in der Politik einsetzt, kritisiert vor allem das sogenannte Sponsoring. Unternehmen mieten Stände auf Parteitagen, zahlen für Sommerfeste. „Die genauen Summen kennen wir nicht“, sagt Deckwirth. VW aber habe zuletzt durch Sponsoring „genauso viel Geld investiert, wie zu Zeiten, als sie noch gespendet haben“. Auch Daimler habe in der Vergangenheit Sponsoring betrieben. „Die Frage ist, ob sie das weitermachen und jetzt möglicherweise sogar ausbauen“, sagt Deckwirth.

Welche Affären gab es zuletzt um Parteispenden?

Die wohl bekannteste, die CDU-Parteispendenaffäre, ist lange her: 1999 räumte Ex-Kanzler Helmut Kohl ein, jahrelang nicht ausgewiesene Parteispenden von etwa zwei Millionen D-Mark (knapp eine Million Euro) angenommen zu haben. Zehn Jahre später bekam die FDP den Spitznamen „Mövenpick-Partei“, weil sie in der schwarz-gelben Koalition den Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen reduzierte und zuvor Geld von Mövenpick-Miteigner August von Finck kassierte. Zuletzt geriet die AfD wegen dubioser Spenden aus dem Ausland in die Schlagzeilen. Wegen der Annahme illegaler Spenden muss die Partei eine Strafe von insgesamt 402.900 Euro zahlen.

(lukra/dpa)
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