SSW bereit für Tolerierung Dänen-Partei will rot-grüne Macht sichern

Kiel/Flensburg (rpo). Die Weichen für eine rot-grüne Minderheitsregierung in Schleswig-Holstein scheinen gestellt. Ein kleiner Parteitag der Dänen-Partei Südschleswigsche Wählerverband (SSW) beschloss Freitagabend, mit Rot-Grün über eine Tolerierung zu verhandeln. Zuvor sondierten SPD und CDU über ein Zusammengehen. Und sie berieten länger als erwartet.

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Am Montag will die SPD entscheiden, mit welcher Seite sie förmliche Koalitionsverhandlungen aufnimmt. Am Freitag loteten die Spitzen von CDU und SPD in einem zweiten Sondierungsgespräch beider Parteien die Möglichkeiten zur Bildung einer großen Koalition aus.

Der SSW ist nach dem Wahlkrimi vom 20. Februar das Zünglein an der Waage. Bei der Landtagswahl war zwar die CDU stärkste Kraft geworden. Es hat jedoch weder ein Bündnis aus Union und FDP noch eine Neuauflage der rot-grünen Koalition die Mehrheit der Stimmen im Kieler Landtag. Neben der SPD hat auch die CDU bereits ein Sondierungsgespräch mit dem SSW geführt.

"Fühlen Sie sich nicht sicher"

Spoorendonk sagte am Freitagabend, die Bereitschaft zu Verhandlungen über die Tolerierung einer rot-grünen Minderheitsregierung sei an die Bedingung einer aktiven Arbeitsmarktpolitik und aktiver Wirtschaftsförderung gebunden. An die Adresse der SPD gerichtet fügte sie hinzu: "Fühlen Sie sich nicht sicher." Es nach der Wahl fälschlicherweise der Eindruck entstanden, der SSW sei bereits "in der Tasche".

Der SSW werde mit klaren Forderungen in die Gespräche gehen, kündigte Spoorendonk an. Rot-Grün könne nicht einfach weitermachen wie bisher. Die Ergebnisse der Verhandlungen sollen nach Spoorendonks Angaben Mitte März noch vor der konstituierenden Sitzung des Landtages von einem außerordentlichen Parteitag abgesegnet werden.

Der Wille der SSW-Wähler könne mit Rot-Grün am besten umgesetzt werden, sagte Spoorendonk. Die CDU habe im Sondierungsgespräch nicht genug Bereitschaft gezeigt, auf die Forderungen des SSW einzugehen und die Partei der dänischen Minderheit als gleichwertigen Partner anzusehen. Es gebe deshalb derzeit keine stabile Grundlage für Verhandlungen mit CDU und FDP. Der SSW werde weiterhin das "soziale Gewissen der Landesregierung" sein.

Morddrohungen gegen Spoorendonk

Am Morgen hatte Spoorendonk per Post eine Morddrohung erhalten. Sie wisse nicht, wie sie damit umgehen solle und könne die Drohung nicht ernst nehmen, sagte Spoorendonk. Das Schreiben selbst ist ihren Angaben zufolge verloren gegangen.

Am Freitag hatten sich erneut die Spitzen von CDU und SPD getroffen. Im Mittelpunkt der Beratungen stand das Streitthema Bildung, wie ein CDU-Sprecher sagte. An der Unterredung nahmen auch Kultusministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) und CDU-Bildungsexperte Jost de Jager teil. Das rund 90-minütige Treffen sei in einer sachlichen Atmosphäre verlaufen, hieß es. Nun wollten beide Seiten intern prüfen, ob es weiteren Gesprächsbedarf gebe.

Die SPD-Parteispitze will am Montagnachmittag Landesvorstand und Landtagsfraktion über den Verlauf der Sondierungsgespräche mit CDU und SSW informieren, sagte SPD-Sprecher Sven Kaerkes. Anschließend soll eine Entscheidung über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen fallen.

CDU und SPD beraten intensiver als erwartet

Im Tauziehen um die Macht in Schleswig-Holstein ist die zweite Runde der Sondierungen zwischen CDU und SPD intensiver ausgefallen als erwartet. Zu dem Gespräch am Freitag haben die Kommissionen überraschend ihre jeweiligen Bildungsexperten hinzugezogen, wie beide Parteien mitteilten.

In der Bildungspolitik haben CDU und SPD mit Abstand die unterschiedlichsten Vorstellungen aller Politikbereiche. Das Treffen habe aber "in sachlicher Atmosphäre" stattgefunden. Nun werde überlegt, ob man noch einmal reden müsse, teilte CDU-Sprecher Thorsten Haase mit.

Die CDU will am Dienstag das Ergebnis aller Sondierungsgespräche dieser Woche in den Gremien bewerten, die SPD am Montag. Am Wochenende seien keinen Gespräche geplant.

Am Freitagabend stand noch ein kleiner Parteitag der dänischen Minderheitenpartei SSW an, auf dem ebenfalls die Ergebnisse der Gespräche mit CDU und SPD beraten werden sollten. Der Südschleswigsche Wählerverband hat sowohl mit SPD als auch CDU über die Möglichkeiten einer Tolerierung gesprochen.

Am 17. März soll sich der neue Kieler Landtag konstituieren und den Ministerpräsidenten wählen. CDU-Spitzenkandidat Peter Harry Carstensen will kandidieren, auch wenn er bis dahin keine tragfähige Koalition zu Stande bringt. Die Wahl am Sonntag hatte keine eindeutige Mehrheit ergeben: CDU und FDP kommen zusammen auf 34 Sitze im Landtag, die bisherige rot-grüne Koalition auf 33, die dänische Minderheitspartei SSW auf 2 Abgeordnete. Für die Mehrheit im 69 Köpfe starken Parlament sind 35 Mandate notwendig.

SPD und Grüne bemühen sich um eine Fortsetzung der Landesregierung von Ministerpräsidentin Heide Simonis mit Unterstützung des SSW, der vor der Wahl die Tolerierung einer Minderheitsregierung für möglich erklärt hatte. Vom Programm her neigt der SSW eher zur SPD als zur CDU. Die CDU will dagegen einen große Koalition. Auch in der SPD gibt es nach Angaben aus Parteikreisen Freunde dieser Lösung. Allerdings steht das Schicksal von Ministerpräsidentin Heide Simonis dieser Lösung im Wege, denn der CDU als stärkerer Partei würde nach traditioneller Lesart auch das Amt des Regierungschefs zustehen.

Kritik an Kubicki

Unterdessen sprach sich nach dem Kieler Landtagsfraktionschef Wolfgang Kubicki zum ersten Mal auch ein führender FDP-Bundespolitiker für eine große Koalition in Schleswig-Holstein aus. Der stellvertretende Parteivorsitzende Rainer Brüderle sagte im Sender N24 über eine derartige Koalition aus CDU und SPD: "Ich sehe derzeit keine andere Konstellation. Dann sollen sie es versuchen." Ursprünglich hatte die FDP angekündigt, sie wolle in Kiel mit der CDU die rot-grüne Koalition ablösen. Brüderle übte Kritik an Spitzenkandidat Kubicki, der kurz vor der Wahl noch positive Signale an die SPD geschickt hatte: "Kubickis Signal war ein Fehler", sagte Brüderle.

Unterdessen hat der frühere SPD-Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, eine tolerierte Minderheitsregierung grundsätzlich begrüßt: Ich würde das wiedermachen, wenn ich einen stabilen Partner hatte", sagte Höppner den "Kieler Nachrichten". Die SPD hatte von 1994 bis 2002 keine eigene Mehrheit in dem Land und hat sich von der PDS über zwei Legislaturperioden tolerieren lassen. Auch in Sachsen-Anhalt habe es damals große Befürchtungen gegeben, "die Realität war eine andere - es hat dann sogar acht Jahre gehalten". Den Schleswig Holsteinern empfiehlt der ehemalige Ministerpräsident, im Tolerierungsvertrag so viel wie möglich vorher fest zu schreiben .

(afp)
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