Glos will Amt aufgeben - Seehofer lehnt ab CSU sucht schon einen Nachfolger

Berlin (RPO). Obwohl sich CSU-Chef Horst Seehofer weigert, das Rücktrittsgesuch von Michael Glos (CSU) anzunehmen, wird in der CSU-Spitze noch an diesem Wochenende mit einem offiziellen Amtsverzicht des Bundeswirtschaftsministers gerechnet. Es sei undenkbar, dass Glos dem Wunsch Seehofers folge und doch noch bis zur Bundestagswahl im September im Kabinett bleibe, hieß es in München.

Die Haarfarben des Michael Glos
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Als mögliche Nachfolger von Glos werden vor allem drei Namen genannt. Das Erstzugriffsrecht wird dem CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer eingeräumt. Dieser soll jedoch intern bereits energisch abgelehnt haben. Als "logische Nachfolgerin" ist auch die bisherige Wirtschafts-Staatssekretärin Dagmar Wöhrl im Gespräch. Sie gelte als ministrabel und würde auch Seehofers Ziel entsprechen, mehr Frauen in Spitzenpositionen zu platzieren. Dem Unions-Fraktionsvize Hans-Peter Friedrich werden in der CSU-Spitze nur Außenseiterchancen auf das Ministeramt eingeräumt.

Glos hatte Seehofer am Samstag schriftlich um die Entlassung aus seinem Posten gebeten und dies unter anderem mit seinem fortgeschrittenen Alter begründet. Außerdem hieß es aus CSU-Kreisen, dass Glos verärgert sei über Aussagen Seehofers, wonach dieser nach der Bundestagswahl ohne Glos plane. Seehofer akzeptierte den Rücktrittswunsch von Glos nicht und versicherte, dieser genieße weiterhin sein Vertrauen. Nach einem Bericht der "Bild am Sonntag" habe auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) darauf bestanden, dass Glos im Amt bleibe. Glos selber nahm am Samstagabend am Ball des Sports teil, kommentierte dort sein Rücktrittsgesuch aber nicht.

Die Nachricht vom Rücktrittsgesuch erreichte selbst enge Parteifreunde und Vertraute am Samstagnachmittag völlig unvorbereitet. Seehofer wurde von einem Brief des Ministers überrascht, der mit dem Satz endet: "Ich bitte Dich, mich von meinen Ministerpflichten zu entbinden." Als Beweggründe gab Glos sein Alter an und die fehlende Bereitschaft, sich für eine weitere Amtszeit nach der Bundestagswahl im September zu bewerben.

Seitdem Glos am 22. November 2005 das Bundeswirtschaftsministerium übernommen hat, ist wenig von seiner Schlitzohrigkeit geblieben, mit der er als CSU-Landesgruppenchef für Schlagzeilen sorgte. Über den Unterfranken kursiert der Witz: "Wieso hat Glos einen Fehler gemacht? Der tut doch nichts."

In der Energiepolitik befürwortet er einen strammen Pro-Atomenergie-Kurs und sucht immer wieder den Konflikt mit Umweltminister Sigmar Gabriel. Während Vetreter von Industrie und Wirtschaft Glos als Verhandlungspartner schätzten, wurde er zum Lieblingsfeind der Umweltorganisationen. Der Naturschutzbund verlieh ihm Deutschlands peinlichsten Umweltpreis, den "Dinosaurier des Jahres 2008". Der Minister habe sich als "als hartnäckiger Bremsklotz in Sachen Klima- und Umweltschutz hervorgetan".

Der Posten des Wirtschaftsministers war ihm im Spätherbst 2005 kurzerhand und auch für ihn persönlich überraschend zugefallen, als sein zaudernder damaliger Parteichef Edmund Stoiber fluchtartig den Rückzug nach München antrat. "Die Arbeit als Bundesminister für Wirtschaft und Technologie ist der Höhepunkt meines politischen Lebens und ich bin dankbar, dass ich die Weichen stellen konnte", schrieb er jetzt in seinem Rücktrittsgesuch an Seehofer. "Vor allen Dingen war es mir wichtig, in der Finanz- und Wirtschaftskrise wirkungsvolle Maßnahmen, die auch meine Handschrift tragen, rasch durch- und umzusetzen."

Erdverbundener Unterfranke

Noch Mitte 2008 sagten in einer Umfrage 71 Prozent der Befragten, sie wüssten nicht, wer Bundeswirtschaftsminister ist. Aber Glos kennt die "Leut'". Als erdverbundener Unterfranke sagt er von sich selbst: "Ich brauche keine Meinungsforschungsinstitute, um zu wissen, was die Leute denken." Er wohnt heute noch, wo er 1944 geboren wurde: in Brünnau, heute ein Stadtteil von Prichsenstadt östlich von Würzburg, einem idyllischen Örtchen mit mittelalterlichen Fachwerkhäusern im größten bayerischen Weinanbaugebiet. Von Beruf Müllermeister, übernahm er 1968 von seinem Vater Michael den Getreidemühlen- und Landwirtschaftsbetrieb.

Schon 1976 zog der damals 32-Jährige als direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Schweinfurt-Kitzingen in den Bundestag ein, dem er seither ununterbrochen angehört. Von 1987 bis 1990 war er finanz- und steuerpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und danach bis 1992 Vize-Fraktionschef für die Bereiche Wirtschaft, Verkehr, Mittelstand und Landwirtschaft.

Brillanter Strippenzieher Stoibers

Seit Januar 1993 war Glos dann Vorsitzender der CSU-Landesgruppe und damit automatisch Erster Stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion und Stoibers Strippenzieher in Berlin. Diese Aufgabe erfüllt das politische Urgestein mit Hilfe eines sicheren Instinkts und eines reichhaltigen Instrumentariums, mal mit krachledernen Attacken, mal auf Umwegen mit der ihm eigenen Schlitzohrigkeit. Die hat Ex-Kanzler Helmut Kohl einmal so beschrieben: "Wenn der Michel Glos in den Bart mauschelt und dann ganz unschuldig aufblickt, ist das der Moment, wo man über den Tisch gezogen wird." Im ungeliebten Ministeramt verlor Glos dann auch optisch an Farbe. Seine Frau färbte ihm die Haare nicht mehr blond. Der Minister ergraute über Nacht.

Glos' Rücktrittsgesuch landete am Samstag allerdings nicht nur beim CSU-Chef, sondern etwa gleichzeitig auch bei der "Bild am Sonntag", die den Inhalt an die Nachrichtenagenturen weiterverbreitete. Seehofer entschied sich dafür, die Bitte abzulehnen, und teilte Glos dies in einem Telefonat mit. "Die in dem Brief dargestellten Beweggründe werde ich in einem persönlichen Gespräch mit ihm erörtern", erklärte der CSU-Chef.

Außerordentlich ungewöhnlicher Vorgang

Die Ablehnung eines Rücktrittsgesuchs gilt als außerordentlich ungewöhnlicher Vorgang. Formell ist auch nicht Seehofer, sondern Kanzlerin Merkel für die Besetzung von Kabinettsposten und die Entlassung von Ministern zuständig. "Die Bundesminister können jederzeit entlassen werden und ihre Entlassung jederzeit verlangen", heißt es im Bundesministergesetz. Die CSU hat aber in diesem Fall die politische Entscheidungsgewalt.

Eine Reaktion aus dem Kanzleramt zu den Vorgängen gab es zunächst nicht. In CSU-Kreisen hieß es, Glos habe souverän über sein Ausscheiden aus dem Amt entscheiden wollen und einer Diskussion über seine Person auch in der eigenen Partei vor der Bundestagswahl zuvorkommen wollen.

(AP)
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