CSU-Landesgruppenklausur Der Geist von Seeon kreist um neue Gesichter

Seeon · Auch die CDU sieht eine Kabinettsumbildung nun als möglich an. In der CSU wird der Austausch von Ministern noch vor der Sommerpause angepeilt.

CSU-Landesgruppenklausur: Der Geist von Seeon kreist um neue Gesichter
Foto: dpa/Matthias Balk

Wenn ein Parteichef (53) ein Kabinett „verjüngen“ will, was bedeutet das dann für einen Innenminister (70)? Horst Seehofer versucht, es mit Humor zu nehmen. Bereits am Tag vor seiner Reise zur CSU-Landesgruppenklausur im Kloster Seeon hat er vor dem Beamtenbund gewitzelt, in seinem Alter müsse jeder nach dem Aufstehen erst einmal prüfen, ob er noch im Amt ist. Und vor den Konferenzräumen im Chiemgau zeigt er seine ausgestreckten Hände, um mit demonstrativ ruhiger Geste die Frage zu beantworten, ob er um sein Amt zittere. „Ich zittere nicht“, versichert er. Und schmunzelt. Als es am Nachmittag hinter verschlossenen Türen ernst werden könnte, ist er schon nicht mehr da. Sein Aus ist vorerst abgesagt. Allerdings skizziert auch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer eine Kabinettsumbildung als „Möglichkeit“. Zuvor hat Söder klar gemacht, dass über die Zusammensetzung der Bundesregierung allein die Parteichefs entscheiden. Also sie beide.

Insofern werfen die Ansagen von Seeon auch ein bezeichnendes Licht auf die Endphase der Regierung Angela Merkels. Laut Verfassung hat sie und nur sie dem Bundespräsidenten vorzuschlagen, welcher Minister entlassen und welcher ernannt werden soll. Doch sie hat sich stets an die Kleiderordnung der Realität gehalten, dass es die Parteichefs sind, die den Koalitionsvertrag aushandeln und darin festlegen, welche Partei welches Ministerium besetzen kann. Die Kanzlerin kommt darin nur insofern vor, als dass sie von der CDU gestellt wird. Keine Veränderung unter Merkel, wie bei vorangegangener Gelegenheit bekräftigt? Ihren Sprecher Steffen Seibert lässt sie zeitgleich zur Personaldebatte in Seeon erklären, dass sie zwar gerne mit allen Ministerinnen und Ministern zusammenarbeite, aber dass „wir dabei an manchen Stellen auch noch Tempo oder Dynamik zulegen könnten“.

Das ist mehr Beweglichkeit. Umbildungswillen bescheinigen sich CDU und CSU in Seeon gegenseitig. Am Vormittag sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bei der Begrüßung von Präsidentin Kersti Kaljulaid aus dem digital vorbildlichen Estland, dass die Ernennung von CSU-Vizechefin Dorothee Beer zur Digital-Staatsministerin im Kanzleramt nur der erste Schritt zu einem eigenständigen Digital-Ministerium gewesen sei. Am Nachmittag fängt Kramp-Karrenbauer den Ball auf und schießt ihn in dieselbe Richtung: Auf ihren Vorschlag habe der CDU-Parteitag ebenfalls bereits die Einrichtung eines eigenen Digitalministeriums beschlossen.

Doch dabei dreht es sich noch um den Zeitpunkt „nach“ den nächsten Bundestagswahlen. Und für Kramp-Karrenbauer ist das von Söder verlangte Vorzeigen von Persönlichkeiten, die für die Zukunft von CDU und CSU in Regierungsverantwortung stehen können, auch im Zusammenhang mit einem Zukunftsprogramm und einer Art Schattenkabinett denkbar. Damit könnte sie dann zum Jahresende die Initiative ergreifen. „In den nächsten Monaten“ will sie mit Söder konkret werden. Es ist ihre Art, den unabgestimmt mit ihr vorgepreschten Söder wieder einzufangen, ohne ihren Anspruch auf ein Einwirken in Merkels Kabinett hinein aufzugeben. Söder ist jedoch schon einen Schritt weiter, und spricht die „wichtigste Personalfrage“ an, also die Kanzlerkandidatur. Auch die soll mit Kramp-Karrenbauer noch in diesem Jahr geklärt werden - natürlich unter Mitentscheidung der CSU.

Unter den CSU-Abgeordneten gibt es nach den internen Beratungen die Überzeugung, dass noch vor der Sommerpause eine Kabinettsumbildung kommen muss, wenn die neuen Personen in den Ministerämtern noch ein Jahr Zeit haben sollen, um sich einzuarbeiten, Akzente zu setzen und sich als Anwärter für die Zukunft einer Unionsregierung zu profilieren. Die Erwartung richtet sich darauf, dass parallel zur CSU auch die CDU umbesetzt. Vor allem das von Peter Altmaier geführte Wirtschaftsministerium rückt hier in den Fokus. Und bei der CSU selbst? „Mindestens zwei“ (von den drei CSU-Ministerien) kämen hier für einen Wechsel in Frage, heißt es unter den Abgeordneten. „Wenn die Sache überhaupt einen Sinn machen soll, muss Seehofer zittern“, sagt einer von ihnen. Schon am Vortag hat Söder vor protestierenden Landwirten angekündigt, künftig wieder das Agrarministerium von der CSU besetzen zu lassen. Doch ein Ressorttausch in der laufenden Legislaturperiode wird in Seeon als eher unwahrscheinlich betrachtet.

Wer also steht für einen Wechsel an? Die möglicherweise Betroffenen halten sich bedeckt. Es ist die Strategie der Klugen, nicht zur Unzeit vorzupreschen und sich die Chancen selbst zu versammeln. Also tun es andere. Bär sei ja schon einmal Verkehrs-Staatssekreträrin gewesen und könne deshalb auch kurzfristig an die Spitze des Verkehrsministeriums treten. Söder hat in Seeon hinter verschlossenen Türen Amtsinhaber Andreas Scheuer aufgefordert, das Thema Maut schnellstmöglich abzuräumen. Wenn es ihm nicht gelingt, könnte er ein Wechsel-Anwärter werden. In Seehofers Ministerium ist CSU-Innenexperte Stephan Mayer als Staatssekretär längst ministrabel geworden.

Das wäre freilich immer noch die „kleine Lösung“, um mehr Zukunftsprofil zu zeigen. Die große wird in Seeon ebenfalls gehandelt: Dass in absehbarer Zeit die SPD die Regierung verlässt, eine schnelle Einigung auf eine Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen nicht gelingt und deshalb CDU und CSU erst einmal eine Weile alleine als Minderheitsregierung weiter machen. Sie können dann die bisherigen SPD-Ressorts unter sich aufteilen und damit viele neue Gesichter in die erste Reihe bringen. Aus Seeon-Perspektive wäre eine Minderheitsregierung ein Jahr vor den nächsten Bundestagswahlen kein Schreckgespenst, sondern der größte Gefallen, den die SPD der Union in Sachen personeller Zukunftsperspektive machen könnte.

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