Parteitag am Wochenende CSU kämpft im Wahlkampf-Endspurt mit Aiwanger-Last

Analyse | Berlin · Für die CSU sah es in den Umfragen schon einmal besser aus. Gut zwei Wochen vor der Wahl stellt sich die Partei schützend vor Parteichef Markus Söder. Dennoch ist der Frust darüber, dass die Flugblatt-Affäre um Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger vor allem den Koalitionspartner nutzt, nicht zu überhören.

 Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU, r.) hielt in der Flugblatt-Affäre an Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger als seinem Stellvertreter fest.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU, r.) hielt in der Flugblatt-Affäre an Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger als seinem Stellvertreter fest.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Aus Distanz mag sich manch einer wundern. Was geht da eigentlich vor sich in Bayern? Die CSU liegt gut zwei Wochen vor der bayerischen Landtagswahl in jüngsten Umfragen zwischen 36 und 38 Prozent und trotzdem ist die Stimmung gedrückt. Von einer „Schicksalswahl“ für Ministerpräsident Markus Söder ist gar die Rede. Dabei können andere Parteien von solchen Werten nur träumen. Für noch größeres Stirnrunzeln aber dürfte die Affäre um Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger und das antisemitische Hetzblatt sorgen, die dem Vizeministerpräsidenten mehr nutzt denn schadet.

In kaum einem anderem Bundesland kommt die Union annähernd auf solche Zustimmungswerte wie die CSU in Bayern. Ganz zu schweigen von den Regierungsparteien im Bund, wo die SPD mit Platz drei hinter CDU und AfD derzeit noch am besten wegkommt. Von außen betrachtet mögen die Popularitätswerte für die Christsozialen nach heiler Welt aussehen. Doch im Freistaat gibt es eigentümliche Gesetzmäßigkeiten. Für Söder geht es auch darum, das historisch schlechteste Ergebnis von 37,2 Prozent bei der Wahl 2018 am 8. Oktober nicht zu unterbieten.

Nun geht die CSU nicht zimperlich mit ihren Parteichefs um. Bleiben die gewünschten Erfolge aus, wird die Spitze kurzerhand abgesägt. Doch in diesem Jahr ist etwas anders. Die Aiwanger-Affäre hat den bayerischen Wahlkampf in den zurückliegenden Wochen tief erschüttert. Von „höherer Gewalt“ ist in der Partei die Rede. Söder habe zwar keine gute Entscheidung getroffen, als er Aiwanger im Amt beließ. Doch jede andere Entscheidung wäre noch viel schlimmer gewesen, ist aus Parteikreisen auch zu hören. Hätte Söder seinen Vize fallen gelassen, stünde die CSU heute noch viel schlechter da, wird gemutmaßt. Außerdem gebe es niemanden in der Partei, der es besser könne als Söder, heißt es. Was dabei nicht gesagt wird: Mit seiner klaren Absage an eine Koalition mit den Grünen hat Söder seine Spielräume im Wahlkampf selbst verengt und sich andere Optionen verbaut.

An diesem Samstag hält die CSU einen eintägigen Parteitag in München ab. Neben den Reden von Söder und CDU-Chef Friedrich Merz stehen auch die Wahlen des Parteivorstands auf den Programm. So knapp vor der Wahl ist mit einem guten Ergebnis für Söder zu rechnen, um ihm den Rücken im Wahlkampfendspurt zu stärken. Alles andere wäre eine offene Kampfansage an den eigenen Parteichef.

Mitte August hatte die „Süddeutsche Zeitung“ über das Flugblatt mit übelstem rechtsextremem Inhalt berichtet, das Aiwanger als Schüler verfasst haben soll. Bewiesen ist bis heute nichts und Aiwanger stellt sich als Opfer einer „Schmutzkampagne“ dar. Für die Freien Wähler geht es in den Umfragen seitdem stetig bergauf.

Von einer „Solidarisierung mit Aiwanger“, aber nicht mit dem Flugblatt, spricht die CSU-Innenpolitikerin Andrea Lindholz. „Viele haben es als ungerecht empfunden, dass eine alte Geschichte ohne neue Fakten neu aufgewärmt wird“, sagt die Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, das erlebe sie auch in ihrem Wahlkreis Aschaffenburg im nordbayerischen Unterfranken. Für die CSU kam die Affäre wenige Wochen vor der Wahl zur Unzeit. „Es macht einen fast wütend, dass die Aiwanger-Affäre um das unsägliche Flugblatt die wirklich wichtigen Themen in den Hintergrund gerückt hat“, so Lindholz.

Die wirklich wichtigen Themen, das ist aus CSU-Sicht vor allem die klare Abgrenzung zur Ampel-Regierung im Bund in nahezu allen Politikfeldern. Ob bei der künftigen Stromversorgung oder dem Ausbau neuer Wasserstoffpipelines, bei der Digitalisierung der Schulen oder beim Länderfinanzausgleich – Berlin vernachlässige den Süden oder nutze ihn regelrecht aus. Derzeit fokussiert sich die CSU auf das Thema Migration und fordert mehr Begrenzung. Der Ampel wirft sie Untätigkeit und eine Blockade gemeinsamer europäischer Fortschritte vor. Am vergangenen Wochenende sorgte Söder mit seiner Forderung einer „Integrationsgrenze“ von 200.000 Migranten pro Jahr bundesweit für Aufregung. „Die CSU ist der Gegenentwurf zur Ampel, die mit ihrer falschen Politik von der Migration bis zum Heizungsgesetz die Polarisierung und den Protest in der Bevölkerung in immer neue Höhen treibt“, sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt unserer Redaktion. In Bayern sorge die CSU dagegen für „Stabilität, Wohlstand und Zukunftschancen“. Chaos in Berlin, Ordnung in Bayern – so geht die Erzählung der Christsozialen von Beginn dieses Wahlkampfes an.

Doch in Dobrindts Satz verbirgt sich auch die Sorge vor einer Stärkung des rechten Randes. Mit gutem Grund, denn aktuell würde ein knappes Drittel der bayerischen Wähler die Stimme einer Partei rechts von der CSU geben. Die Losung der CSU-Leitfigur Franz Josef Strauß, wonach es rechts von der Union keine demokratisch legitimierte Partei geben darf, ist heute Geschichte. Womöglich geht es bei der Bayernwahl am 8. Oktober nicht nur um das Schicksal Söders, sondern der gesamten CSU.

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