Pressestimmen zur CSU "Das Sprachdiktat zeugt allenfalls von kleinkariertem, provinziellem Denken"
Der Leitantrag für den CSU-Parteitag, der in Deutschland lebende Migranten dazu anhalten will, auch zu Hause Deutsch zu sprechen, hat auch viele Medien beschäftigt. Ein Blick in die Kommentarspalten der Tageszeitungen.
Neue Presse (Hannover): "Die CSU möchte, dass alle, die in Deutschland leben, gefälligst auch deutsch reden sollen. Immer, überall und natürlich auch im heimischen Wohnzimmer. Herrschaftszeiten, fragen wir Preußen uns, fangen dann jetzt auch die Bayern endlich an, hochdeutsch zu reden? Doch so selbstironisch ist die Idee leider nicht gemeint. Vielmehr fischt die CSU mal wieder am rechten Rand – offenbar hat man in der Parteizentrale einen eklatanten Bedeutungsverlust ausgemacht und fürchtet weitere Abgänge der eigenen Wähler in Richtung AfD. Da hilft nur eine möglichst populistische Forderung. Natürlich ist es wichtig, dass Ausländer und Zugewanderte vernünftige Deutschkenntnisse erwerben. Eine Deutschpflicht im heimischen Wohnzimmer allerdings ist eine platte und peinliche Provokation."
Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Bildung ist eine öffentliche Aufgabe, darum muss sich die Politik kümmern. Den Staat geht dagegen nichts an, was einer in seinen vier Wänden macht, sofern er nicht straffällig wird. Und schon gar nicht sollte ein soziales Klima geschaffen werden, in dem Leute 'angehalten' werden, Deutsch zu sprechen. Von der Polizei etwa? Der CSU werden solche Feinheiten egal sein, denn der Vorschlag ist erkennbar nicht als ernsthafter Beitrag zur Integrationsförderung gedacht. Es geht der Partei wieder einmal darum, die rechte Flanke abzusichern, denn da regt sich seit der Eurokrise neue Konkurrenz. Die Erfahrung aus anderen europäischen Ländern zeigt allerdings, dass das heute nicht mehr ganz so einfach ist wie zu Straußens Zeiten."
Frankfurter Rundschau: "Solche Vorstöße sind nicht nur diskriminierend und rassistisch, sondern auch verlogen bis zum Anschlag. Vor gut einem Jahr tobte in Deutschland eine Debatte über die grüne 'Verbotspartei', die nichts anderes getan hatte, als Initiativen für einen fleischfreien Wochentag in Kantinen per Parteibeschluss zu 'unterstützen'. Und jetzt raten Sie mal, was CSU-Chef Horst Seehofer dazu sagte. Richtig: 'Aus den privaten Lebensgewohnheiten hat sich eine Partei herauszuhalten.' Damals allerdings ging es um das tägliche Brot, also Weißwurst oder Hax'n. Es war demzufolge ein Notfall. Und es ging um gute, deutsche, fleischfressende Bayern. Es wäre nur logisch, käme jetzt bald die Pflicht zum Schweinebraten."
Stuttgarter Zeitung: "Deutsch zu lernen, ist für alle, die hier auf Dauer leben wollen, eine unabdingbare Voraussetzung. Es lässt sich aber nicht per Parteitagsbeschluss verordnen, wie zuhause am Küchentisch gesprochen wird. Da hat die CSU etwas missverstanden. Eine Deutsch-Pflicht in den eigenen vier Wänden würde zuallererst ihre Stammwähler überfordern. Das Sprachdiktat im Leitantrag der bayerischen Regierungspartei hat mit der Lebenswirklichkeit nichts zu tun, zeugt allenfalls von kleinkariertem, provinziellem Denken. Solche Phrasen sind selbst für den Stammtisch noch zu borniert. Auf diese Weise macht Seehofer sich zum Horst."
Münchner Merkur: "Ob diese Stammtisch-Strategie, die offensichtlich auf potenzielle AfD-Wähler abzielt, Erfolg bringt, steht auf einem anderen Blatt. Die CSU kassierte nach dem Streit um 'Wer betrügt, fliegt' im Frühjahr ein denkbar schlechtes Europawahl-Ergebnis. Generell reagiert die Gesellschaft inzwischen sehr sensibel auf Einmischungen der Politik ins Private. Die Grünen, die sich am Wochenende so lautstark echauffierten, sind im letzten Wahlkampf mit ihrem Veggie-Day baden gegangen. Auch hier galt: richtiges Grundanliegen, falscher Ansatz. Am lautesten protestierte damals übrigens die CSU."
Trierischer Volksfreund: "Diesmal haben die Christsozialen aus ihrer Wundertüte der bizarren Forderungen etwas hervorgeholt, was nicht mehr nur populistisch ist, sondern schlichtweg gaga. Migranten sollen dazu angehalten werden, daheim deutsch zu sprechen. Wehe, wenn nicht! Wer das so fordert, der konterkariert einen richtigen Ansatz: Deutsch sprechen zu können ist der Kern jeglicher Integration. Das ist aber schon seit Jahren unstrittig, sicherlich sogar bei den meisten Migranten selbst. Verständlich also, dass die Seehofer-Partei jetzt mit Spott und Hohn überschüttet wird."
Mittelbayerische Zeitung: "Typisch deutsch – diese Lektion bleibt Ausländern nicht erspart – ist der Drang zum alles regulieren. Der CSU-Leitantrag steht dafür par excellence. Noch in den eigenen vier Wänden empfiehlt die Partei Sprachübungen, obwohl sie dort nichts mitzuschnabeln hat. Für einen sprachgewaltigen Shitstorm im Internet hat es jedenfalls gereicht. Der Sprach-Appell hat viele komische Momente. Nicht zuletzt, weil die CSU selbst weiß, dass der Schmarrn das Papier nicht wert ist, auf das er geschrieben ist. Es lässt sich eh nicht durchexerzieren, ernsthafterweise wollte das in der CSU auch keiner. Innenminister Joachim Herrmann bringt es mit seinem 'Es kontrolliert doch keiner. Das passt schon' hübsch auf den Punkt. Das wiederum, liebe Ausländer, ist nicht typisch deutsch, sondern eher ein Fall von originär bayerischer Logik. Gar nicht so einfach zu verstehen also, diese Deutschen. Hilfreich sind auf jeden Fall gute Sprachkenntnisse. Da hat die CSU Recht. Wo und wie Deutsch gelernt wird, ist allerdings völlig egal."
Saarbrücker Zeitung: "Wer eine solche Forderung aufstellt wie die CSU, der konterkariert einen richtigen Ansatz: Deutsch sprechen zu können, ist der Kern jeglicher Integration. Das ist aber schon seit Jahren unstrittig. Verständlich also, dass die Seehofer-Partei jetzt mit Hohn und Spott überschüttet wird. (.) Versucht man doch einen ernsthaften Blick auf die Forderung, stellt sich die Frage, wie die Idee denn konkret umgesetzt werden soll. Bedarf es dann nicht auch der staatlichen Schnüffelei, um zu wissen, dass daheim auch Deutsch gesprochen wird? Heißt es dann: Liebe Nachbarn, aufgepasst und zugehört? Bloß nicht."
Südkurier (Konstanz): "Die CSU hat so einen Gedanken in den Leitantrag für den Parteitag geschrieben: Zuagroaste (also Zugereiste) sollen doch Deutsch sprechen in der Familie. Ob in Schlafzimmer oder Küche, wo der fremdländische Hammel am Spieß dreht, möchten die Eingewanderten doch ihr Deutsch verbessern. Das ist der hintersinnige Vorschlag eines Stammes, der vor langer Zeit selbst einwanderte. In der merkwürdigen, teils sinnentstellenden Betonung der Bayern hört man den Migrationshintergrund bis heute heraus. Deutsche Sprache, schwere Sprache. Im Freistaat gibt es Politiker, die erst mit Untertiteln bundesweit Gehör finden. Am FC Bayern freut man sich wegen seiner Ballistik, nicht wegen der Grammatik. Also, lasst die Bayern und Anatolier z'haus reden, wie sie wollen."
Kieler Nachrichten: "Der Vorstoß der CSU, Zuwanderer mögen doch bitteschön in der Familie deutsch sprechen, wenn sie dauerhaft bleiben wollen, ist eine großartige Vorlage für die nächste Ausgabe der 'heute-Show'. Wer wie zu Hause redet, das kann und darf eine Regierungspartei nicht vorschreiben, erst recht keine, die sonst gern von Freiheit fabuliert. So deppert der CSU-Leitantrag aber daherkommt, er hat auch einen ernsten Kern: Es muss tatsächlich gelingen, Zuwanderern bessere Deutsch-Kenntnisse zu vermitteln. Wenn sich etwa junge Migranten abkapseln und in Clique und Familie nur in der Heimatsprache verständigen, kann Integration nicht gelingen. Nötig sind mehr Sprachkurse, intensivere Förderung in Schulen und Volkshochschulen. Seehofers Sprachdiktat hilft da kein Stück weiter."
Märkische Oderzeitung: "Eines muss man der CSU lassen. Sie schafft es, sich im Gespräch zu halten. Gern auch mit vollkommen absurden Vorschlägen, die haarscharf unterhalb der Stammtischplatte entlang fliegen und dabei nicht selten einen Absturz hinlegen. Nun sind also wieder einmal die Ausländer dran. Sie sollen gefälligst Deutsch sprechen, nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch zu Hause. Man hört den Blockwart schon um die Ecke kommen. Was soll das? Die Zeiten, wo unbescholtene Menschen in Deutschland vom Staat zu Hause abgehört wurden, sind hoffentlich ein für alle mal vorbei. Und das Sprechen einer fremden Sprache ist hierzulande kein Straftatbestand. Wie seine Bürger sich zu Hause unterhalten, geht den Staat überhaupt nichts an. Spott ist denn wohl auch das Beste, was solch einem Parteitagsantrag geschehen kann. Am schönsten hat es die Satiresendung 'extra3' kommentiert: 'extra 3 fordert: CSU-Mitglieder müssen zu Hause hochdeutsch sprechen'."
Flensburger Tageblatt: "Die CSU fordert, dass in deutschen Haushalten auch Deutsch gesprochen werden muss. Dass dieser Vorschlag ausgerechnet aus Bayern kommt, sorgt natürlich bundesweit für Spott und Witzeleien. Doch die Botschaft, die von solchen politischen Forderungen ausgeht, ist alles andere als zum Lachen. Die Christsozialen fischen hier ganz offen am rechten Rand. In einer Zeit, in der Zuwanderung wichtiger ist denn je, setzt Seehofers Garde auf die irrationalen Ängste mancher Menschen."
Donaukurier (Ingolstadt): "Insofern hat die CSU recht, wenn sie meint, dass Migranten mit Ihren Kindern auch Deutsch sprechen sollten. Die Betonung liegt auf dem Wort 'auch'. Die Kenntnis der Muttersprache bleibt daneben eine wichtige Fähigkeit. Leider ist die Forderung so provokant vorgetragen, dass über diesen Aspekt bisher kaum jemand spricht."
Volksstimme (Magdeburg): "Die Seehofer-CSU tritt nicht versehentlich in irgendwelche Fettnäpfe. Nein, Prinzip scheint es inzwischen zu sein, diese regelrecht zu suchen, um dann darin ein Vollbad zu nehmen. Obwohl die Christsozialen einem Maut-Debakel längst nicht entronnen sind, wollen sie nun forsch fremde Sprachen aus deutschen Landen verbannen. Und zwar komplett: von Straßen und Plätzen genauso wie aus Küchen und Schlafzimmern. Weltfremder und kleingeistiger geht es kaum im 21. Jahrhundert. Zumal in einem 80-Millionen-Einwohner-Land, das rund um den Erdball nach Fachpersonal sucht, um seine Wirtschaft auch künftig am Laufen zu halten. Es ist nun mal so, dass Deutsch außerhalb des eigenen Sprachraumes zwischen Bremen, Bern und Bregenz ein Schattendasein führt. Feudale deutsche Regenten waren da schlauer als der gewählte Landesfürst Horst Seehofer: Jeder soll nach seiner Fasson selig werden, beschied schon Friedrich der Große sein Volk."
Main-Post (Würzburg): "Was haben sie sich in der CSU aufgeregt vergangenen Sommer, als die Grünen vorschlugen, an einem 'Veggie-Day' pro Woche auf Fleisch zu verzichten. Man lasse sich nicht von einer 'Verbotspartei' die private Lebensführung vorschreiben, lautete noch der freundlichste Vorwurf. Und jetzt das: Die CSU will bestimmen, welche Sprache in deutschen Wohn- und Schlafzimmern gesprochen wird. Eigentlich ein Vorschlag zum Lachen und Witze reißen. Aber es ist die bayerische Regierungspartei, die solchen Unsinn verzapft. Leider. Keine Frage, Sprache ist der Schlüssel zur Integration. Das muss allen Zuwanderern klar sein, aber auch der Mehrheitsgesellschaft. Daraus leitet sich für die Politik der Auftrag ab, Geld in die Hand zu nehmen, um Deutschlernen zu fördern, bei Erwachsenen, vor allem aber bei Kindern in Kindergarten und Schule. Da bleibt noch einiges zu tun. Das sollte die CSU in ihren Leitantrag schreiben statt in die Intimsphäre der Menschen hineinzuregieren."
Schwäbische Zeitung: "Soll Zuwanderung glücken, sollen Zuwanderer in Deutschland tatsächlich ankommen, dann müssen sie die deutsche Sprache lernen. Darin sind sich Politik, Wissenschaft und Gesellschaft doch längst einig. Das Deutsche soll dabei aber zusätzlich erlernt werden, es darf nicht die Muttersprachen der Menschen verdrängen. Niemand darf von Zuwanderern verlangen, dass sie ihre Wurzeln verleugnen. Sonst werden sie in Deutschland keine Wurzeln schlagen können."
Westfalen-Blatt: "Man wird den Verdacht nicht los, dass es der CSU gar nicht um die Sache geht, sondern dass sie puren Populismus betreibt. Im vergangenen Jahr machte sie mit dem Slogan "Wer betrügt, der fliegt" Furore. In Wirklichkeit gilt als erwiesen, dass Zuwanderer in der Summe auch finanziell eine Bereicherung für das deutsche Gemeinwesen darstellen. Wer will, dass Zuwanderer in Deutschland heimisch werden, der muss mit ihnen reden und nicht über sie. Die CSU hat der Integration jedenfalls einen Bärendienst erwiesen."
Lausitzer Rundschau: "Diesmal haben die Christsozialen aus ihrer Wundertüte der bizarren Forderungen etwas hervorgeholt, was nicht mehr nur populistisch ist, sondern schlichtweg gaga. Migranten sollen dazu angehalten werden, daheim deutsch zu sprechen. Wehe, nicht! Wer das so fordert, der konterkariert einen richtigen Ansatz: Deutsch sprechen zu können, ist der Kern jeglicher Integration. Das ist aber schon seit Jahren unstrittig, sicherlich sogar bei den meisten Migranten selbst."
Thüringische Landeszeitung: "Wie das kontrolliert und sanktioniert werden soll, hat die Schwesterpartei der CDU nicht verraten. Setzt sie etwa aufs Aushorchen, Bespitzeln und Überwachen? Mithin auf längst überwunden geglaubte Methoden? Wie absurd die Idee ist, würde sich spätestens dann zeigen, wenn ein übereifriger Sprachpolizist eine Familie denunziert, die in reinstem Bayerisch plaudert - für viele die reinste Fremdsprache."
Schwarzwälder Bote: "Hat sich als Nächstes in Lederhose und Dirndl zu zwängen, wer dazugehören will? Und auf den Tisch kommt bei Familie Önal sonntags Schweinsbraten mit Knödel, hinunterzuspülen mit Weißbier? Sind sie also narrisch, die Christsozialen im Freistaat? Man täusche sich da nicht. Dreierlei hat die Seehofer-Partei schon erreicht. Erstens Schlagzeilen (bundesweit), zweitens Themenführerschaft (nicht allein am Stammtisch) und drittens einen neuen Dreh in der Integrationsdebatte. Freilich darf daheim jeder reden, wie er will. Und nichts spricht gegen Deutsch. Ganz zwanglos versteht sich."