Kommentar zu Lauterbachs Entscheidung Die Testpflicht für Einreisende aus China hat Tücken
Meinung · Infektionszahlen in Millionenhöhe und Krematorien, die mit dem Verbrennen von Leichen nicht hinterherkommen – die Corona-Lage in China bereitet zu Recht Sorgen. Mit der Testpflicht für Reisende aus China, die nun auch in Deutschland gelten soll, ist es aber nicht getan.
Viele Nachbarländer haben sie schon, jetzt soll auch Deutschland folgen: Wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) am Donnerstagvormittag verkündete, müssen Reisende aus China auch hierzulande künftig mindestens einen Antigenschnelltest vorlegen. Die Einreiseverordnung werde dafür kurzfristig geändert – die tagelange Debatte wirkte wie ein unfreiwilliges Déjà-vu. Eine Corona-Testpflicht klingt für viele so weit weg wie Ausgangsbeschränkungen und Nudelnotstand in Supermärkten. Die Pandemie ist vorbei – aber nicht in China.
Infektionszahlen in Millionenhöhe, menschenleere Geisterstädte, Krematorien, die mit dem Verbrennen von Leichen nicht hinterherkommen – die Nachrichten wirken aus der Zeit gefallen. Für das bevölkerungsreichste Land der Welt sind sie Wirklichkeit, seitdem China am 7. Dezember abrupt das Ende seiner Null-Covid-Politik verkündet hat. Nach drei Jahren Lockdowns, Massentests und Zwangsquarantäne.
Dass die Behörden keine verlässlichen Daten über die Covid-19-Fälle, die Todesfälle sowie die Lage in Krankenhäusern und auf Intensivstationen preisgeben, sorgt weltweit für Nervosität. Dass nach Italien, Frankreich, Spanien und Großbritannien jetzt auch Deutschland verpflichtende Coronatests für alle Einreisenden aus China einführt, ist nachvollziehbar – und keineswegs diskriminierend, wie die Regierung in Peking beklagt.
Dass Vorsicht besser als Nachsicht ist, so viel sollte die Pandemie allemal gelehrt haben. Zumal die Coronavirus-Variante XBB.1.5 Experten der Weltgesundheitsorganisation Sorgen bereitet. „Hoffentlich kommen wir durch den Winter, bevor eine solche Variante sich bei uns ausbreiten kann“, twitterte Lauterbach in der Nacht zu Donnerstag. „Wir überwachen, ob und wie stark XBB.1.5. in Deutschland auftritt.“ Die neue Variante lasse im Nordosten der USA bereits die Zahl der Krankenhauseinweisungen steigen.
Angesichts des globalen Reiseaufkommens, das längst wieder auf Vor-Pandemie-Niveau ist, wäre das europaweit einheitliches Konzept sinnvoll. Auf mehr als eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten, Reisende aus China zu testen, konnte sich die EU bisher aber nicht einigen. Der Verbund der deutschen Amtsärzte hatte sich rund um die EU-Debatte sogar dafür ausgesprochen, dass auf jeden positiven Schnelltest ein PCR-Test inklusive Sequenzierung folgt – um die Ausbreitung der neuen Virusvariante genau beobachten zu können.
Wer aber soll die aufwendigen Untersuchungen durchführen, wer die Kosten übernehmen? Die Erfahrungen am Mailänder Flughafen, wo jüngst fast jeder zweite getestete Passagier aus China Corona-positiv war, spricht klar für das Vorgehen. Aber es stellen sich weitere entscheidende Fragen: der Isolationsregeln und der Laborkapazitäten. Das sind die Tücken der grundsätzlich richtigen Corona-Testpflicht für Reisende aus China.