Steigende Corona-Zahlen Spahn und Wieler sprechen von "nationaler Notlage"

Berlin · RKI-Chef Lothar Wieler hält die von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossene flächendeckende 2G-Regel in der derzeitigen Pandemielage für nicht mehr ausreichend. Er und Gesundheitsminister Spahn warnen eindringlich vor einer nationalen Notlage.

 Jens Spahn, geschäftsführender Bundesminister für Gesundheit, und Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI).

Jens Spahn, geschäftsführender Bundesminister für Gesundheit, und Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI).

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Angesichts der weiter steigenden Sieben-Tage-Inzidenz bei den Corona-Infektionen sprechen der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, von einer „nationalen Notlage“. Spahn sagte am Freitag in Berlin, das Land komme in eine Situation, in der in größerem Maßstab auch überregional Covid-19-Patienten verlegt werden müssen, möglicherweise auch ins Ausland. Wieler sagte, er rechne damit, dass die Zahl der Toten, die inzwischen wieder zwischen 200 und 300 pro Tag liege, weiter steige. „Das ist eine nationale Notlage“, sagte Wieler. Spahn wählte die gleichen Worte.

Das Ruder müsse jetzt herumgerissen werden, sagte Wieler. Vor allem Kinder und ältere Menschen müssten stärker geschützt werden. Spahn sagte: „Es ist zehn nach zwölf.“ Er forderte, die am Donnerstag gefassten Beschlüsse von Bundestag und Ministerpräsidentenkonferenz schnell umzusetzen. Dabei gehe es um einen Lockdown für Ungeimpfte, sagte Spahn und verwies auf die 2G-Regel, nach der nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt zu bestimmten Veranstaltungen, Dienstleistungen sowie in Restaurants und Hotels haben. Die Einhaltung der Regel müsse auch besser kontrolliert werden.

Lothar Wieler hält die von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossene flächendeckende 2G-Regel in der derzeitigen Pandemielage hingegen für nicht mehr ausreichend. Die 2G-Regel sei sinnvoll, "in der aktuellen Situation reicht das nicht mehr", sagte Wieler am Freitag in Berlin. Er bekräftigte seine Forderung, Großveranstaltungen abzusagen, Hotspots wie schlecht belüftete Clubs und Bars zu schließen und private Kontakte zu reduzieren.

Die 2G-Regel bedeutet, dass nur noch Geimpfte und Genesene Zutritt zu Veranstaltungen bekommen. Wieler sagte, darüber hinaus seien weitergehende Maßnahmen nötig. Die Menschen sollten auch "wenn möglich zu Hause bleiben" und keine Treffen mit vielen Menschen mehr machen. "Wir müssen jetzt die Notbremse ziehen", sagte Wieler. Ganz Deutschland sei ein einziger Corona-Ausbruch. Es müssten jetzt Kinder und ältere Menschen geschützt werden.

Spahn setzt seine Hoffnung besonders auf die Auffrischungsimpfungen, die nach seinen Worten jetzt auch wieder in mehr Arztpraxen angeboten würden. Die Vergütung für die Impfungen wurde Spahn zufolge in dieser Woche auf 28 Euro pro Impfung angehoben, für Impfungen am Wochenende auf 36 Euro. Um alle Menschen zu „boostern“, die bis Ende Juni vollständig geimpft wurden, müssen bis Jahresende rund 27 Millionen Dosen verabreicht werden.

Wie Weihnachten unter Corona-Bedingungen aussehen könnte, dazu wagte der CDU-Politiker rund fünf Wochen vor dem Fest noch keine Prognose. „Die Frage, wie Weihnachten wird, da traue ich mir keine Aussage zu. Es liegt an jedem von uns.“ Spahn wies darauf hin, dass bei einem Reproduktionswert deutlich unter 1 die Zahl der Neuinfektionen genauso schnell sinken könne, wie sie gestiegen sei.

Lothar Wieler sagte: „Wenn wir heute Maßnahmen treffen, sehen wir deren Effekt in zwei Wochen.“ In Regionen wie Bayern, Sachsen oder Thüringen mit sehr hohen Inzidenzen dauere es natürlich länger, bis man die Situation wieder deeskaliere, als dort wo man schon früher Schutzmaßnahmen einhalte. „Fünf Wochen ist keine lange Zeit.“ Am Mittwochabend hatte Wieler bei einer Online-Diskussion mit dem sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) gewarnt: „Wir laufen momentan in eine ernste Notlage. Wir werden wirklich ein sehr schlimmes Weihnachtsfest haben, wenn wir jetzt nicht gegensteuern.“

Das Robert Koch-Institut meldete am Freitag fast 53.000 Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen stieg auf 340,7, erneut ein Rekordwert. Wieler sagte, schätzungsweise gebe es derzeit in Deutschland rund eine halbe Million aktive Corona-Fälle. Weitere 201 Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Die Zahl der Toten stieg damit auf 98.739.

(mcv/epd/AFP/dpa)
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