Beratungen am Mittwoch Länder wollen Lockdown verlängern und nehmen Schulen in den Blick

Berlin · Die Länder haben vor ihrem Treffen mit der Bundesregierung einen Maßnahmenkatalog vorgelegt. Darin halten sie am Präsenzunterricht fest. Außerdem im Programm: Eine Verlängerung des Lockdowns bis 20. Dezember, gelockerte Kontaktbeschränkungen an Weihnachten und ein Böllerverbot an Silvester.

 Schüler einer sechsten Klasse tragen im Unterricht Masken.

Schüler einer sechsten Klasse tragen im Unterricht Masken.

Foto: dpa/Gregor Fischer

In der wohl entscheidenden Woche für eine Winter-Strategie im Kampf gegen hohe Corona-Infektionszahlen laufen die Beratungen zwischen Bund und Ländern auf weitere Einschränkungen hinaus. Mehrfach schalteten sich die Chefs der Staatskanzleien der Länder am Wochenende zusammen, um der Bundesregierung an diesem Montag weitgehend einheitliche Positionen vorlegen zu können. In einer Beschlussvorlage der Länder, die unserer Redaktion vorliegt, sind auch konkrete Vorschläge zu den Schulen enthalten. So soll der Präsenzunterricht weitgehend erhalten bleiben, in Hotspots mit hohen Infektionszahlen und an weiterführenden Schulen soll es aber Einschränkungen geben. Der Lockdown soll bis 20. Dezember verlängert werden, je nach Infektionsgeschehen auch darüber hinaus.

Am Mittwoch steht die nächste Ministerpräsidentenkonferenz an. In der vergangenen Woche war die Runde der Regierungschefs von Bund und Ländern nach harten Auseinandersetzungen ohne ein umfangreiches Konzept beendet worden. Die Infektionszahlen haben sich seitdem nur geringfügig geändert. Am Sonntag meldete das Robert-Koch-Institut 15.741 Fälle, die von den Gesundheitsämtern binnen 24 Stunden übermittelt wurden. Am Sonntag vor einer Woche war die Zahl bei 16.947 gewesen. Der bisherige Höchststand war am Freitag mit 23.648 Fällen erreicht worden. Zum Montag zeichnete sich eine leichte Entspannung der Zahlen ab.

Aus der achtseitigen Beschlussvorlage der Länder, die nun mit dem Bund weiter beraten wird, geht eine erweiterte Maskenpflicht für Schulen hervor. In Regionen mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner ist ab Klasse 7 und im Sekundarbereich 2 und an den berufsbildenden Schulen künftig das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im Unterricht verpflichtend. „Schulen ohne Infektionsgeschehen können davon ausgenommen werden“, heißt es im Papier. Konkrete Ausgestaltungen sowie weiterführende Maßnahmen wie beispielsweise Hybridunterricht werden länderspezifisch geregelt. „Schülerfahrten und internationaler Austausch bleiben grundsätzlich untersagt“, heißt es. Um den Schülerverkehr zu entzerren, soll der Unterrichtsbeginn gegebenenfalls auch gestaffelt erfolgen.

Außerdem soll künftig bei einem Infektionsfall in einer Klasse „die definierte Gruppe“ zusammen mit den betroffenen Lehrkräften für fünf Tage in Quarantäne geschickt werden. Am fünften Tag erfolgt ein Antigen-Test. „Bei negativem Ergebnis kann der Präsenzunterricht für diese Klasse wiederaufgenommen werden“, heißt es im Papier. Der Bund soll dafür zusätzliche Antigen-Tests zur Verfügung stellen. 

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, der als Epidemiologe eng in die Beratungen eingebunden ist, unterstützte diese Regelung zur Quarantäne, ebenso Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Lauterbach forderte aber noch weitergehende Maßnahmen an den Schulen: „Künftig sollte der Unterricht ab der elften Klasse an allen weiterführenden Schulen immer aufgeteilt in Präsenz- und Digitalunterricht stattfinden“, sagte er. Die Kultusministerkonferenz hatte das in einem Beschluss von Freitag nur für Regionen mit vielen Infektionen vorgesehen. Lauterbach geht weiter: „In Hotspot-Regionen mit einem Inzidenzwert von mehr als 200 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner und Woche sollten Oberstufenschüler nur noch digital unterrichtet werden.“ Die Infektionszahlen seien in dieser Alterskohorte derzeit viel zu hoch. Zudem sollte „in allen Klassenstufen ab sofort eine Maskenpflicht im Unterricht verhängt werden, mit Ausnahme für Grundschulen“, sagte Lauterbach.

Mit Blick auf den Pendelverkehr fügte er hinzu: „Es ist paradox, dass überfüllte Schulbusse die Infektionszahlen anheizen und gleichzeitig viele Reisebusunternehmen um ihre Existenz fürchten. Sie sollten jetzt einspringen und mit Reisebussen den öffentlichen Nahverkehr zu den Schulen und zurück entlasten.“ Die bisherige Haltung der Länder, dass Schulen keine Treiber der Pandemie seien, sei „nicht mehr haltbar“, sagte der Direktor des virologischen Universitätsinstituts in Düsseldorf, Jörg Timm, der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

Aus der Beschlussvorlage geht weiter hervor, dass der Lockdown bis zum 20. Dezember 2020 bundesweit verlängert werden soll. Davon sollen nur Länder abweichen können, die weniger als 35 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb einer Woche „und eine sinkende Tendenz der Inzidenz aufweisen“. Wenn sich bis dahin wichtige Indikatoren wie der rechnerische Wert neuer Ansteckungen je Infiziertem oder die Intensivkapazitäten nicht verbessern, sollen die Maßnahmen für jeweils 14 Tage verlängert werden, bis das Ziel erreicht wird.

Von der vor einer Woche vom Bund erwogenen Regelung, dass Kinder nur noch einen Freund treffen sollen, ist im Papier der Länder erwartungsgemäß keine Rede. „Private Zusammenkünfte mit Freunden, Verwandten und Bekannten sind auf den eigenen und einen weiteren Haushalt, jedoch in jedem Falle auf maximal fünf Personen zu beschränken. Kinder bis 14 Jahre sind hiervon ausgenommen“, heißt es im Papier der Länder. Für Weihnachten sind Sonderregeln noch strittig: So wollen manche Länder Treffen eines Haushaltes mit haushaltsfremden Familienmitgliedern oder haushaltsfremden Personen bis maximal fünf, andere bis zehn Personen erlauben. Kinder bis 14 Jahre sollen ausgenommen sein.

Zudem ist für Silvester ein Böllerverbot vorgesehen. „Zum Jahreswechsel 2020/2021 sind der Verkauf, Kauf und das Zünden von Feuerwerk verboten, insbesondere um die Einsatz- und Hilfskräfte zu entlasten, die Kapazitäten des Gesundheitssystems freizuhalten und um größere Gruppenbildungen zu vermeiden“, heißt es im Papier. Und Betriebe sollen Betriebsferien oder großzügige Home-Office-Lösungen vom 21. Dezember 2020 bis 3. Januar 2021 prüfen.

Ferner sollen die bislang für November geltenden Wirtschaftshilfen bis zum 20. Dezember verlängert werden, die Maßnahmen der sogenannten „Überbrückungshilfe III“ bis Mitte 2021. Dies betrifft zum Beispiel den Bereich der Kultur- und Veranstaltungswirtschaft, die Soloselbständigen sowie die Reisebranche. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hatte bereits klargestellt, dass er die Hilfen für die Unternehmen, die wegen der Corona-Beschränkungen schließen müssen, gegebenenfalls auch im Dezember weiterzahlen will.

Die Länder schlagen in dem Papier auch eine Art Corona-Soli vor, Teile davon sind jedoch mit Klammern als strittig markiert. So heißt es in der Beschlussvorlage: „Der Bund wird gebeten zu prüfen, wie eine steuerfinanzierte Stabilisierung der GKV-Beiträge [sowie KSK-Beiträge] aussehen könnte, damit die durch die Corona-Pandemie im Gesundheitswesen verursachten Mehrkosten nicht einseitig durch die gesetzlich Versicherten abgefedert werden müssen [z.B. durch einen Solidaritätszuschlag].“

Unterdessen warnte Uwe Janssens, Präsident der Deutschen interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, vor einer Überlastung der Krankenhäuser: „Die Lage auf den Intensivstationen spitzt sich zu.“ Die Politik habe seit September zu viel Zeit verschenkt. „Noch immer gibt es keine klaren Anweisungen an die Krankenhäuser, dass sie planbare Eingriffe und medizinisch unkritische Operationen verschieben sollen“, kritisierte Janssens. Diese Anweisung sei jetzt zwingend notwendig, damit die Krankenhäuser handlungsfähig blieben und gleichzeitig unbürokratisch und schnellstmöglich finanzielle Kompensationen für Einnahmeverluste bereitgestellt würden. „Es darf nicht dazu kommen, dass wir Notfälle wegen überlasteter Corona-Stationen abweisen müssen“, sagte Janssens.

(jd/maxi)
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