Berliner Republik Die Hauptstadt arbeitet wieder digital

Meinung | Berlin · Die Corona-Krise hat den Hauptstadtbetrieb wieder voll im Griff. Persönliche Treffen und Veranstaltungen werden abgesagt, Video-Konferenzen wieder angesetzt. Aber richtig Spaß macht das keinem mehr.

 Kerstin Münstermann

Kerstin Münstermann

Foto: grafik

Die Absagen tröpfelten Anfang Oktober zunächst langsam ein: Es sei ja sehr schade, aber das lang geplante Treffen könne nun doch nicht stattfinden. Der Ministerpräsident aus dem hohen Norden wolle nur ungern nach Berlin reisen.
Dann ging es Schlag auf Schlag. Parallel zu den steigenden Infizierten-Zahlen in den Berliner Stadtbezirken trudelten die E-Mails mit Verschiebungen, Ausweichterminen oder der Ankündigung von Videoschalten ein. Die Hauptstadt fällt wieder in einen „Shutdown“-Modus zurück. Treffen ohne Masken sind ohnehin seit dem Frühjahr undenkbar, persönlich nahe kommt man sich schon lange nicht mehr.
Im Sommer allerdings gab es wieder Pressekonferenzen, bei denen auch spontan Nachfragen gestellt werden konnten - der eigentliche Sinn von Pressekonferenzen. Das scheint erstmal vorbei - und es gibt einen Unterschied zum Frühjahr. Die Begeisterung, auf virtuelle Ersatztermine umzusteigen, geht merklich zurück.
Damals wohnte dem digitalen Aufbruch der Zauber eines Neuanfangs inne. Viele Politiker probierten begeistert die unzähligen Möglichkeiten der digitalen Videoschalten aus. Es folgten Wochen, in denen man in jeder erdenklichen Art und Weise beiwohnen konnte, wie Teilnehmer virtueller Debatten verzweifelt eine Stummtaste suchten.
Unvergessen etwa eine Telefonschalte mit dem Kanzleramt, bei der sich ein Kollege ausführlich mit seiner Frau über das Mittagessen austauschte. Kanzleramtsminister Helge Braun, der über die Lage der Krankenhäuser informieren wollte, lauschte kurz hingerissen, bis ein Sprecher dazwischen ging und einigermaßen rüde um die Einstellung privater Gespräche bat. Mittlerweile hat sich Routine eingestellt, Stummtasten werden gefunden, die Redegeschwindigkeit angepasst.
Doch aus Videokonferenzen sind zunehmend Telefonabsprachen geworden, den Blick in heimische Wohnzimmer oder sterile Besprechungsräume ist man müde geworden. Und der persönliche Kontakt - er ist ohnehin nicht zu ersetzen. Auch und gerade in der Hauptstadt.