Corona-Krise Parteitage in Zeiten von Corona

Berlin · Zahlreiche politische Treffen sind aufgrund der Virus-Krise abgesagt worden. Nun drohen Kollisionen mit den Satzungen und der Rechtslage. Knifflig ist die Situation vor allem bei der CDU.

 Die CSU will am 22. Mai den ersten digitalen Parteitag ausrichten.

Die CSU will am 22. Mai den ersten digitalen Parteitag ausrichten.

Foto: dpa/Peter Kneffel

Wäre die Welt durch ein Virus nicht völlig aus dem Tritt geraten, hätte die politische Öffentlichkeit an diesem Wochenende den finalen Schlagabtausch zwischen Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen um den CDU-Vorsitz verfolgt und auch auf die Versuche der AfD geschaut, sich gut sieben Jahre nach der Gründung eine sozialpolitische Programmatik zu geben. Doch beide Parteitage wurden in der Corona-Krise abgesagt. Dasselbe machten FDP und Linke mit ihren für Mai und Juni geplanten Parteitagen.

Für das Parteiengesetz ist das zunächst kein Problem. Dessen Paragraf 9 legt lediglich fest, dass die Parteitage als höchstes Beschlussgremium der Parteien „mindestens in jedem zweiten Kalenderjahr einmal“ zusammentreten müssen. Die SPD hat ihren Tagungsrhythmus - von außerordentlichen Vorsitzendenwechseln abgesehen - ohnehin auf zwei Jahre festgelegt. Bei den anderen ist in den Satzungen ein jährlicher oder kalenderjährlicher Parteitag vorgesehen. Ob „einmal im Jahr“ immer im Mai sein muss, wie bei den Liberalen Tradition, wird dort inzwischen auch so interpretiert, dass es auch in jedem anderen Monat sein kann, Hauptsache noch 2020.

Viele Sitzungen finden derzeit digital statt. Wäre das auch mit ganzen Parteitagen möglich? Bei den anderen Parteien wurde es als cleverer Schachzug gewertet, dass die Grünen mit einem „digitalen Parteitag“ vorpreschten, der am nächsten Wochenende über die virtuelle Bühne gehen soll. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich das Format jedoch als Parteirat, der nächst niedrigeren Beschlussebene, die nur eingeschränkt Beschlüsse fassen kann. Allgemein wird das Parteienrecht so interpretiert, dass digitale Parteitage, zumindest mit Wahlcharakter, nicht stattfinden dürfen. „Tritt zusammen“ bedeute nun einmal einen physischen Vorgang. Und auch die Vorschriften für geheime Wahlen, für die jederzeitige Möglichkeit, aus dem Saal heraus Anträge zu stellen und diskutieren zu lassen, jederzeit auch geheime Abstimmungen verlangen zu können, wird für eine reine digitale Veranstaltung für schwer bis gar nicht durchführbar gehalten.

Um so überraschter waren die anderen Parteien, als CSU-Generalsekretär Markus Blume am Wochenende den ersten rein digitalen Parteitag für den 22. Mai ankündigte. Tatsächlich hatte der letzte CSU-Parteitag im Oktober beschlossen, dass „virtuelle Parteitage möglich werden“ sollen, um eine „digitale Mitbestimmung“ als weiteres modernes Instrument der CSU zu schaffen. Mit den Einzelheiten will sich der CSU-Vorstand an diesem Montag befassen und dann an die konkrete Vorbereitung gehen. Viel Mitbestimmung wird es aber voraussichtlich nicht geben. Nach dem Grußwort für Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz und der Rede von Parteichef Markus Söder über seine Corona-Bekämpfungs-Strategie wird nicht viel Zeit bleiben. Der gesamte „Parteitag“ soll nicht länger als drei Stunden dauern.

Die AfD stellt sich darauf ein, auch in diesem Jahr keine speziellen Beratungen zum Sozialprogramm mehr führen zu können. „Wenn dieses Jahr ein Parteitag möglich ist, wird es ein ordentlicher Bundesparteitag sein“, erklärt AfD-Sprecher Bastian Behrens. Linken-Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler ist mit den Betreibern verschiedener Hallen im Gespräch. „Es sieht gut aus, dass wir den ursprünglich geplanten Veranstaltungsort in Erfurt auch für den Herbst halten können“, sagt Schindler. Das Verbot von Veranstaltungen ab tausend Personen gilt derzeit noch bis Ende August. „Ein Termin im September wäre sicher zu früh“, erklärt Schindler. Und er glaubt auch nicht, dass die Abläufe bei einem Parteitag später im Jahr so sein werden wie gewohnt. „Bei dem sonst üblichen geselligen Teil am Abend sehe ich kaum Möglichkeiten, das aufrecht zu erhalten“, lautet sein Vorausblick.

FDP-Bundesgeschäftsführer Michael Zimmermann liest aus dem Parteiengesetz ebenfalls heraus, dass digitale Parteitage nicht möglich sind und verweist darauf, dass etwa bei den Wahlen die Vorgeschlagenen physisch vor Ort sein müssen. Die Liberalen haben inzwischen neben den digitalen Sitzungen der anderen Gremien auch für die Mitglieder drei weitere digitale Formate etabliert, um die Kommunikation auch in Corona-Zeiten aufrechterhalten zu können. Und beim Parteitag setzt auch Zimmermann darauf, dass dieses Jahr noch einer stattfinden kann. Die FDP hofft, Ende Mai mit konkreten Planungen für die letzten Monate des Jahres beginnen zu können.

Knifflig ist die Situation bei der CDU. Eigentlich hatte sich die amtsmüde Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer auf eine Übergabe des Chefpostens Ende April, also an diesem Wochenende, eingestellt. Durch die Absage schmilzt die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt noch einen Sonderparteitag geben wird. Bundesgeschäftsführer Stefan Hennewig, macht darauf aufmerksam, dass im September erst einmal die Kommunalwahl in NRW sein wird, und dann rücke die Partei „immer näher an den ohnehin für Anfang Dezember geplanten Ordentlichen Parteitag“ heran. Das Delegierten-Treffen in Stuttgart werde in der Corona-Krise nach seiner Einschätzung, anders aussehen als alle seine Vorgänger - etwa, was die Platzierung von Delegierten, Gästen und Medienvertretern (jeweils rund tausend Personen) angehe. „Man wird vermutlich nicht so eng zusammensitzen können, wie es alle gewohnt sind“, sagt Hennewig voraus.

Und wenn es eine zweite, dritte, vierte Corona-Welle gibt? Möglicherweise im späten Herbst oder frühen Winter, wenn eigentlich die Ersatz-Parteitage oder der reguläre CDU-Parteitag stattfinden sollten? „Rechtliche Probleme“, sagt Hennewig, hätten die Parteien nach den bisherigen Regelungen dann nur in einer Hinsicht bekommen: „Die Amtszeit der Vorstandsmitglieder wäre dann Ende des Jahres ausgelaufen.“ Doch inzwischen ist das Vereinsrecht, das in dieser Hinsicht auch für die innere Organisation der Parteien gilt, mit Blick auf Corona geändert worden. Ausnahmsweise können Vorstände unter Corona-Bedingungen auch bis Ende 2021 im Amt bleiben, falls die Auflagen Mitgliederversammlungen und Parteitage unmöglich machen.

Für Hennewig bleibt diese Variante zunächst nur fiktiv, da er damit rechnet, dass - je nach Entwicklung der Pandemie - der Dezember-Parteitag in diesem Jahr auf jeden Fall stattfinden könne. Falls nicht, würde das bedeuten, dass Kramp-Karrenbauer, die lange vor dem Ende der Kanzlerschaft von Angela Merkel als CDU-Chefin aufhören wollte, bis Ende nächsten Jahres im Amt bleiben könnte - und damit am Ende sogar länger als Merkel an der Regierungsspitze. Die Kanzlerin hatte mehrfach bekräftigt, nach den Bundestagswahlen nicht mehr anzutreten. Und die sind im Herbst 2021.

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