Corona-Krise Regierung plant 150-Milliarden-Euro-Rettungspaket

Berlin · Die Regierung sieht die Corona-Krise als „außergewöhnliche Notsituation“. Das erlaubt ihr, die Schuldenbremse temporär auszusetzen. So kann zur Bewältigung der Krise der Bundeshaushalt für das laufende Jahr kräftig aufgestockt werden. Das soll bereits in den kommenden Tagen beschlossen werden.

Olaf Scholz und Peter Altmaier (r) bei einer Pk (Archivbild).

Olaf Scholz und Peter Altmaier (r) bei einer Pk (Archivbild).

Foto: dpa/Kay Nietfeld

"In der kommenden Woche wollen wir einen Nachtragshaushalt für 2020 auf den Weg bringen", sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) am Wochenende. Um zusätzliche Ausgaben von rund 123 Milliarden Euro zu stemmen, sollen nach Informationen der Nachrichtenagentur AFP die Grenzen der Schuldenbremse massiv überschritten werden.

Der Nachtragshaushalt sieht vor, dass die bisher eingeplanten Ausgaben um 122,8 Milliarden auf 484,8 Milliarden Euro aufgestockt werden. Zugleich rechnet die Regierung mit 33,5 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen als zunächst veranschlagt.

Scholz sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung", der Bund müsse "zeitweilig die Grenze der Schuldenbremse überschreiten". Diese erlaubt normalerweise eine maximale Neuverschuldung von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts - aktuell etwa zwölf Milliarden Euro. Für "außergewöhnliche Notsituationen" gelten aber Ausnahmen. Nach AFP-Informationen plant Scholz nun mit einer nachträglichen Nettokreditaufnahme von 156,3 Milliarden Euro.

Die Kabinettsbefassung ist für Montag geplant, Bundestag und Bundesrat wollen ebenfalls noch in der kommenden Woche die erforderlichen Beschlüsse fassen. "Daran zeigt sich, wie handlungsfähig unser Staat ist", sagte Scholz der Zeitung.

Derzeit müsse hinter dem Schutz von Menschenleben alles andere zurückstehen, sagte er weiter. Die Sicherung des Wohlstands behalte die Regierung dabei aber im Blick. "Deshalb gehen wir jetzt energisch und massiv vor, damit die Krise sich nicht zu stark ausweitet und zu lange dauert."

Allein die angekündigten Hilfen für angeschlagene Unternehmen sollen ein Volumen im dreistelligen Milliardenbereich haben. Das geht aus dem Gesetzentwurf zur Errichtung eines "Wirtschaftsstabilisierungsfonds", kurz WSF, hervor, der AFP vorliegt.

Der Fonds wird demnach ermächtigt, "Garantien bis zur Höhe von 400 Milliarden Euro zu übernehmen, um Liquiditätsengpässe zu beheben und die Refinanzierung am Kapitalmarkt zu unterstützen". 100 Milliarden Euro soll der WSF außerdem der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) an Krediten bereitstellen. Weitere 100 Milliarden Euro sind für direkte Unternehmensbeteiligungen vorgesehen.

Wie die "Welt am Sonntag" berichtete, soll der WSF Unternehmen mit mindestens 2000 Arbeitnehmern und mindestens 320 Millionen Euro Jahresumsatz unter die Arme greifen. Auf Finanzkonzerne solle sich der Rettungsschirm nicht erstrecken.

Für kleine Unternehmen und Selbstständige sind laut "Handelsblatt" Soforthilfen von bis zu 15.000 Euro vorgesehen. Dies gelte für Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten, die infolge der Corona-Krise nach dem 11. März einen Schadenseintritt erlitten haben, heißt es der Zeitung zufolge im entsprechenden Gesetzentwurf. Firmen mit bis zu fünf Beschäftigten können demnach eine Einmalzahlung von 9000 Euro bekommen.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erklärte dazu, das Programm umfasse bis zu 50 Milliarden Euro. "Es darf und wird keine Solidaritätslücke geben", betonte er.

"Wir werden einen Ausverkauf deutscher Wirtschafts- und Industrieinteressen verhindern", fügte Altmaier hinzu. "Dabei darf es keine Tabus geben, denn auch die Realwirtschaft hat aktuell große Probleme." Dabei seien "vorübergehende staatliche Beteiligungen und Übernahmen" mögliche Instrumente, sagte Altmaier.

Zudem will die Bundesregierung die Krankenhäuser in der Corona-Krise mit Milliardenzahlungen unterstützen. Für Einnahmeausfälle durch die Verschiebung von Operationen und für eine Verdoppelung der Zahl der Intensivbetten sollen zunächst rund 3,3 Milliarden Euro bereitgestellt werden, wie aus einem am Samstag bekanntgewordenen Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht. Er soll am Montag im Kabinett beraten werden. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisierte die Pläne als völlig unzureichend.

„Die Krankenhäuser verschieben seit Montag planbare OPs und verzichten dabei auf viele Einnahmen“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) der „Bild am Sonntag“. „Das kompensieren wir. Rückwirkend ab letztem Montag gibt es erstmals Geld für leere Betten.“ Spahn betonte, durch pauschale Zahlungen werden den Krankenhäusern kurzfristig und großzügig die dringend nötige Liquidität gesichert. Für neue Intensivbetten gebe es einen pauschalen Zuschuss. „Falls wir sehen sollten, dass das nicht reicht, können wir schnell nachsteuern“, versicherte der Minister.

Die Zahlungen für die Freihaltung von Bettenkapaziäten durch die Verschiebung planbarer Operationen, Eingriffe und Aufnahmen werden in dem regierungsintern abgestimmten Gesetzentwurf, der dem epd vorliegt, mit rund 2,4 Milliarden Euro beziffert. Die geplante Verdoppelung der Zahl der Intensivbetten in Deutschland von derzeit 28.000 soll den Krankenhäusern demnach mit rund 900 Millionen Euro vergütet werden.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft kritisierte, mit diesem Gesetzentwurf könne „kein Krankenhaus sicher sein, dass es die Krise unbeschadet übersteht“. Der Gesundheitsminister breche damit das Versprechen von Bundeskanzlerin Angela Merkels (CDU) eines umfassenden Schutzschirms für die Krankenhäuser. „Damit werden die, die vor den größten Herausforderung stehen und am dringendsten in der Corona- Krise gebraucht werden, im Stich gelassen“, erklärte der Verband.

Außerdem will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bei einem Hartz-IV-Antrag die Vermögensprüfung für ein halbes Jahr aussetzen. „Wir sorgen jetzt dafür, dass die aufwendige Vermögensprüfung für sechs Monate ab dem 1. April entfällt“, sagte Heil der „Bild am Sonntag“. „Außerdem kann jeder weiter in seiner Wohnung bleiben.“ Die Leistungen der Grundsicherung würden schnell und unbürokratisch gewährt. „Das hilft erst einmal, um nicht ins Bodenlose zu stürzen.“

Das Bundesarbeitsministerium rechnet in der Krise mit bis zu 1,2 Millionen zusätzlichen Beziehern der Grundsicherung. In einem Gesetzentwurf, der gemeinsam mit einer Vielzahl weiterer Gesetze in der kommenden Woche beschlossen werden soll, heißt es nach Angaben der Zeitung, allein bis zu 700.000 Solo-Selbstständige und bis zu 300.000 Selbstständige mit Angestellten kämen für eine Antragstellung in Frage. Für den Bundeshaushalt und die Kommunen bedeute das knapp zehn Milliarden Euro Mehrkosten.

(felt/AFP/epd/dpa)
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