Noch ein Appell des Gesundheitsministers Ein Impfstoff zum Fest

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hofft auf eine Zulassung des Corona-Impfstoffs von Biontech und Pfizer noch vor Weihnachten – am 21. Dezember entscheidet die europäische Zulassungsbehörde EMA. Mit RKI-Chef Lothar Wieler appelliert er nochmals an die Menschen im Land, die Zahl der Kontakte deutlich herunterzufahren.

 Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Dienstag in Berlin.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Dienstag in Berlin.

Foto: dpa/Tobias Schwarz

Die Hoffnung ist schon da. Vielleicht schafft es ein ganz besonderes Geschenk für alle, für das ganze Land, unter den Weihnachtsbaum. Wahrscheinlich bereits am 21. Dezember wird die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) die Zulassung des Corona-Impfstoffs der Unternehmen Biontech und Pfizer in der EU melden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat in den vergangenen Wochen, auch von Pflegern aus Krankenhäusern und Altenheimen, dazu Briefe erhalten. „Wir sind nicht Ihre Versuchskaninchen“, durfte er da lesen. Oder auch: „Es wäre schön, wenn wir zuerst drankämen.“

Das ist die Spannbreite an Erwartungen, mit denen Deutschlands ranghöchster Mann an der Corona-Front konfrontiert wird. Spahn ist am Dienstag gemeinsam mit dem Präsidenten des Robert-Koch-Institutes, Lothar Wieler, der Virologin Sandra Ciesek und der Vorsitzenden des Ethikrates, Alena Buyx, angetreten, um neben der Hoffnung auf einen Impfstoff auch noch einmal einen Appell in alle Winkel der Republik auszusenden: Die Kontakte müssen runter, bitte! Das müssten alles verstehen. Und auch danach handeln.

Spahn, Wieler, Ciesek und Buyx wollen es über die Weihnachtstage selbst vorleben. Spahn verbringt die Feiertage nach eigenen Angaben „erstmals“ allein mit seinem Ehemann, eventuell besuchen sie eine Christmette, aber nur „wenn es geht“. Wieler hat mit Ehefrau und den zwei Töchtern, die beide derzeit „in Vorquarantäne“ seien, die Schwiegereltern zu Gast.

Ciesek verzichtet dieses Jahr an Weihnachten mit ihrer Kleinfamilie mit Mann und Kind ganz auf den Besuch der Großeltern, auch weil sich die Direktorin des Instituts für Virologie am Uniklinikum Frankfurt/Main über die Feiertage für Dienste bereithalten müsse. Buyx und ihre Familie mit zwei Grundschulkindern verzichten dieses Mal ebenfalls auf den Besuch der Großeltern, hat aber ihre Schwester mit zwei Kindern, darunter ein Neugeborenes, zu Besuch.

RKI-Chef Wieler sagt es noch einmal mit Nachdruck: Um die Welle tatsächlich zu brechen, müssten die Kontakte um mindestens 60 Prozent zurückgehen. Im Lockdown light der vergangenen Wochen habe man aber nur einen Rückgang der Kontakte von 40 Prozent erreicht – deutlich zu wenig. „Die Lage ist so ernst, wie sie noch nie war in dieser Pandemie“, so Wieler. Die Zahl der Infektionen und der Toten seien zu hoch. Und: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass sich die Situation über Weihnachten noch einmal zuspitzt.“

Spahn setzt auf Vertrauen der Menschen in den Impfstoff und hat deswegen ganz bewusst – auch aus Gründen europäischer Solidarität – auf eine Notfallzulassung des ersehnten Impfstoffes verzichtet. Deutschland strebe deshalb gemeinsam mit den 26 EU-Partnern eine ordentliche Zulassung durch die europäische Arzneimittelbehörde EMA an. Er wolle ein „gründliches, aber auch zügiges Zulassungsverfahren“. Die Impfzentren in Deutschland seien vorbereitet und seit diesem Dienstag arbeitsfähig. Deutschland habe sich für das erste Quartal des nächsten Jahres zwischen elf und 13 Millionen Impfdosen gesichert, die zunächst „ausschließlich im Besitz des Bundes“ seien.

Patientenschützer-Chef Eugen Brysch bezeichnet die Debatte über eine schnellere Zulassung des Corona-Impfstoffs in Deutschland unterdessen als „Scheindiskussion“ und „Volksverdummung“ bezeichnet. „Ich halte diese Diskussion um eine Zulassung drei Tage früher oder später für eine Scheindiskussion. Und die, die wie die Krankenhausgesellschaft jetzt eine Notfallzulassung fordern, wissen das. Das ist Volksverdummung“, sagt Brysch unserer Redaktion. „Eine Notfallzulassung würde überhaupt nichts beschleunigen, weil ein solches Verfahren ja auch erst gestartet werden müsste. Da ist das jetzt laufende europäische Zulassungsverfahren schneller.“

Auch Ärztepräsident Klaus Reinhardt verteidigt Spahn in der Debatte über eine schnelle Zulassung des Impfstoffs. „Bei der Zulassung des Corona-Impfstoffes geht es nicht nur um Schnelligkeit, sondern natürlich auch um Gründlichkeit“, sagt Reinhardt. „Diesen beiden Herausforderungen wird die Europäische Arzneimittelagentur gerecht, wenn sie wirklich noch vor Weihnachten eine europaweite Zulassung im regulären Verfahren ermöglichen kann“, betont der Präsident der Bundesärztekammer.

„Das wäre eine gute Nachricht für die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen in unserem Land, für die Beschäftigten in unserem Gesundheitswesen und für die Gesellschaft als Ganzes“, sagt Reinhardt. „Jeden Tag, den wir früher mit den Impfungen beginnen können, hilft dabei unser Gesundheitswesen zu entlasten und Menschenleben zu retten“, so der Mediziner.

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