Corona-Folgen Städte fürchten Defizit von mindestens 35 Milliarden Euro bis 2025

Berlin · Der Deutsche Städtetag hat wegen der Corona-Pandemie vor einem kommunalen Defizit in Höhe von mindestens 35 Milliarden Euro in den kommenden vier Jahren gewarnt und einen Ausgleich von Bund und Ländern verlangt. Auch der Landkreistag sieht eine hohe Finanzierungslücke voraus und fordert Hilfe.

 Der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Helmut Dedy.

Der Hauptgeschäftsführer des Städtetags, Helmut Dedy.

Foto: dpa

„In den Rathäusern schrillen die Alarmglocken. Die Corona-Folgen reißen große Lücken in den kommunalen Kassen“, sagte Städtetags-Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy unserer Redaktion. „Die Kommunen müssen eigentlich ihre Haushalte ausgleichen, aber das wird vielfach zur Illusion“, sagte Dedy. „Allein in diesem Jahr müssen wir mit einem kommunalen Defizit von bundesweit mindestens 7,5 Milliarden Euro rechnen. In den kommenden vier Jahren zusammengenommen drohen sogar Defizite für die Kommunen in Höhe von 35 Milliarden Euro“, erklärte er.

„Durch den Lockdown wird es noch schlimmer, weil die Ausfälle bei der Gewerbesteuer wahrscheinlich steigen werden.“ Die Kommunen müssten aber unbedingt weiter investieren können, denn sie stemmten über die Hälfte der öffentlichen Sachinvestitionen. „Wenn unsere Investitionen kippen, dann fehlt ein Großteil der Aufträge für Wirtschaft und Handwerk vor Ort. Deshalb appellieren wir dringend an Bund und Länder, uns auch für die Jahre 2021 und 2022 die fehlenden Gewerbesteuereinnahmen auszugleichen“, sagte Dedy.

Auch das Thema der kommunalen Altschulden müsse auf der Tagesordnung bleiben. „Die Last, die hier viele Kommunen seit Jahren drückt, macht es ihnen fast unmöglich, die Zukunft nach Corona zu organisieren und wieder auf die Beine zu kommen. Natürlich sind hier die betroffenen Länder gefordert, ihren Kommunen zu helfen. Aber der Bund sollte eine Lösung unterstützen, damit sie gelingt. Länder und Städte allein werden diesen Kraftakt nicht bewältigen können“, betonte Dedy.

 Der Deutsche Landkreistag schätzte das kommunale Defizit im laufenden Jahr sogar auf mindestens zehn Milliarden Euro. Hier müssten vor allem die Länder, aber auch der Bund den Kommunen wieder unter die Arme greifen, forderte auch Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke. Allerdings solle das „tote Pferd“ der Alschuldenübernahme durch den Bund nicht weiter geritten werden. „Es bringt angesichts der aktuellen Zinslage, die sich absehbar auch kaum verändern wird, nahezu nichts für die Haushalte. Stattdessen müssen die wenigen betroffenen Länder dieses Problem lösen“, so Henneke.

Bund und Länder haben einer Studie zufolge mit umfangreichen Hilfen eine finanzielle Katastrophe bei den meisten Kommunen im vergangenen Jahr verhindert. Während die für Gemeinden besonders wichtige Gewerbesteuer 2020 durchschnittlich um 15 Prozent einbrach, gingen die Gesamteinnahmen nur um 4,3 Prozent zurück. Das geht aus einer Befragung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY unter 300 größeren Kommunen hervor, die am Donnerstag in Berlin veröffentlicht wurde.

Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) will die Finanzausstattung auch im Bundestagswahlkampf zum Thema machen. Er hatte zuletzt immer wieder gefordert, die Altschulden besonders klammer Kommunen zu streichen, was der Koalitionspartner CDU/CSU aber nicht mitträgt. Nötig sei eine „Stunde null“, weil die Kommunen zwei Drittel der Investitionen in Deutschland zu stemmen hätten und Handlungsspielraum dafür bräuchten, sagte Scholz.

Im Rahmen des Corona-Konjunkturpakets wurde beschlossen, dass der Bund einen deutlich höheren Anteil der Miet- und Heizkosten von Hartz-IV-Beziehern übernimmt. Das gelte dauerhaft und nicht nur in der Krise, sagte Scholz. Die Kommunen sparen dadurch rund vier Milliarden Euro im Jahr. Zudem hatten Bund und Länder 2020 Ausgleichszahlungen für Gewerbesteuerausfälle geleistet.

Unterdessen hat das Bundeskanzleramt seine Vorbereitungen zur Rekrutierung Tausender freiwilliger Helfer für die Abnahme von Corona-Schnelltests in den Alten- und Pflegeheimen deutlich vorangebracht. Die Helfer sollen pro Stunde eine Vergütung von 20 Euro erhalten, sagte eine Regierungssprecherin. „Die Bundesagentur für Arbeit wird eine Webseite und eine Hotline schalten, über die sich Interessierte melden können“, sagte sie.

„Für diese Aufgabe kommen Personen in Betracht, die gewissenhaft arbeiten, über gute Kommunikationsfähigkeiten und ein gutes Einfühlungsvermögen verfügen“, sagte die Sprecherin. Hilfreich, aber nicht zwingend erforderlich seien Kenntnisse und/oder berufliche Vorerfahrungen im medizinischen oder pflegerischen Bereich. „Die Personen sollten überdies zwischen 18 bis 70 Jahre alt sein und über deutsche Sprachkenntnisse verfügen“, sagte die Sprecherin.

„Sie sollten  in guter körperlicher Verfassung sein, so dass sie in persönlicher Schutzausrüstung, unter anderem mit FFP 2- und 3-Atemschutzmaske, Schutzbrille, Einmalhandschuhen arbeiten können“, sagte die Sprecherin. „Außerdem sollten sie Empathie im Umgang mit alten, kranken und behinderten Menschen besitzen und Freude an einer Arbeit haben, die Sorgfalt und Genauigkeit erfordert.“

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