Reaktionen auf Bund-Länder-Corona-Beschlüsse Breite Unterstützung von Kommunen, Kirchen und Opposition

Berlin · FDP und Grüne fordern eine längerfristige Strategie für die Zeit ab 10. Januar. Katholiken und Protestanten sind erleichtert über die Gottesdienst-Regelung an Weihnachten.

Der Präsident des Zentralkomitees der Katholiken, Thomas Sternberg.

Der Präsident des Zentralkomitees der Katholiken, Thomas Sternberg.

Foto: Harald Oppitz

Kommunen, Kirchen, Wissenschaftler und Politiker haben die Beschlüsse von Bund und Ländern für einen harten Lockdown ab 16. Dezember weitgehend begrüßt. Oppositionspolitiker von FDP und Grünen verlangten jedoch zusätzlich eine längerfristige Strategie des Krisenmanagements. „Unsere Sorge ist, dass wir uns sonst von einem Lockdown zum nächsten hangeln“, sagte FDP-Chef Christian Lindner. Im Mittelpunkt einer solchen Strategie müsse der wirkliche Schutz der besonders betroffenen Risikogruppen stehen.

Auch Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte Bund und Länder auf, sich bereits jetzt Gedanken über die Zeit nach dem 10. Januar zu machen. „Das Krisenmanagement der letzten Wochen hat sehr viel Verunsicherung verursacht“, sagte Hofreiter unserer Redaktion. „Für die nächsten Monate brauchen wir planvolles Handeln und eine längerfristige Perspektive. Ich erwarte, dass wir im Januar endlich ein Gesetz mit einem bundesweit verbindlichen Stufenplan verabschieden, durch den klar ist, wann und wo welche Maßnahmen gelten“, sagte Hofreiter.  Die Grünen würden die Beschlüsse aber voll mittragen.

Der Städte- und Gemeindebund hielt die Beschlüsse „für hart, aber unvermeidbar“, wie Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte. „In der derzeitigen, sehr kritischen Situation haben wir keine Zeit mehr zu verlieren.“ Es bleibe aber dabei, dass für den Erfolg der beschlossenen Maßnahmen die Akzeptanz und Mitwirkung der Menschen entscheidend sei. „Die eigentliche Bewährungsprobe in der Pandemie kommt an den Weihnachtstagen“, sagte Landsberg. „Alle wissen, dass Polizei und Ordnungsamt nicht hinter die Wohnungstür schauen können und wollen. Wenn es dann heißt, sich auf wenige erwachsene Personen zu beschränken, wird das in vielen Familien eine schwere Entscheidung. Dabei müssen wir auch darauf hinweisen, dass es gerade nicht der Sinn der Sache ist, am Heiligabend, am ersten Weihnachtstag und am zweiten Weihnachtstag jeweils aus einer anderen Familie zusätzlich zwei oder drei Leute einzuladen. Hier ist die Vernunft und die Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger gefragt“, betonte Landsberg.

Auch der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach unterstützte die Beschlüsse, kritisierte jedoch die Lockerung der Kontaktbeschränkungen an den drei Weihnachtstagen.   „Man sollte hier keine Lockerungen zulassen“, sagte er.  Er äußerte Zweifel daran, dass der Lockdown bereits am 10. Januar enden könne.

„Die Entscheidung der Länderchefs und der Kanzlerin war unvermeidlich und überfällig. Ohne eine solche harte Maßnahme bestünde keine Möglichkeit, die Infektionszahlen wieder auf ein beherrschbares Niveau zu senken. Jetzt kommt es auch darauf an, dass wir das lange genug durchhalten und nicht zu früh wieder lockern“, sagte auch der Chef der Leiter der Infektiologie an der Universitätsklinik Köln, Gerd Fätkenheuer.

Sein Kollege Jörg Timm von der Uniklinik Düsseldorf sagte: „Die jetzt beschlossene Verschärfung der Kontaktbeschränkungen war sicherlich notwendig. Die Belastung auf den Intensivstationen hat in den letzten Wochen kontinuierlich zugenommen, sodass dringend weitere Maßnahmen erforderlich waren.“ Er hoffe sehr, dass die Menschen auch über die Weihnachtstage auf private Feiern und Familienbesuche weitgehend verzichten werden. „Bei den aktuellen Infektionszahlen ist sonst mit einer drastischen Zunahme der COVID-19 Fälle im neuen Jahr zu rechnen, die uns vor enorme Probleme stellen wird“, warnte Timm.

Katholiken und Protestanten reagierten mit Verständnis und Erleichterung auf die Corona-Regeln für Gottesdienste zur Weihnachtszeit. Der Bund-Länder-Beschluss sieht neben Maskenpflicht und Abstandsgebot auch ein Gesangsverbot für die Gemeinden vor. Wenn besonders viele Besucher erwartet werden, müssen zudem Anmeldelisten geführt werden.

Der Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, bezeichnete das als eine „sehr vernünftige Lösung“. Die Katholiken hätten nie Forderungen gestellt, die Corona-Regeln nicht einzuhalten, sondern sich immer streng daran gehalten. „Dass wir bei unseren Gottesdiensten alles tun wollen, um Gefährdungen der Gesundheit auszuschließen, ist für uns selbstverständlich und eine klare Konsequenz des christlichen Nächstenliebegebots“, erklärte auch eine Sprecherin der Evangelischen Kirche (EKD). „Deshalb gilt: Grundsätzliches Kriterium ist nicht, was höchstmöglich zulässig wäre, sondern was verantwortbar ist.“

Sternberg sagte, die Gläubigen könnten auch zu Hause singen und beten oder Kirchen außerhalb der Gottesdienstzeiten besuchen, um etwa die Weihnachtskrippe zu sehen. „Ich bin sicher, dass besonders Gefährdete ohnehin nicht zum Gottesdienst gehen werden.“ Die Weihnachtsgottesdienste würden in diesem Jahr „zwangsläufig“ kleiner ausfallen als in den Vorjahren.Die Evangelische Kirche will an Weihnachten auch wieder verstärkt auf Online-Angebote setzen. „Zusätzlich zu den Gottesdiensten, die unter strengen Schutzkonzepten stattfinden, werden wir über Online-Formate und Fernsehgottesdienste wie schon an Ostern viele Millionen Menschen erreichen“, erklärte die EKD-Sprecherin. „Die aktuelle Situation erfordert viel Kreativität und Improvisationsgeist.“

Die Politik hatte in ihrem Beschluss zudem weitere Gespräche innerhalb der und mit den Glaubensgemeinschaften angekündigt. Die EKD rechnet damit, dass diese bereits Anfang der Woche stattfinden. Nachträgliche Änderungen der Regeln sind dabei nach Einschätzung des ZdK aber nicht zu erwarten. „Ich gehe davon aus, dass das so akzeptiert wird“, sagte Sternberg. (mit Agenturen)

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