Corona-Beschlüsse Touristiker und Politiker kritisieren Beherbergungsverbot
Berlin/Hamburg · Nicht nur die Industrie ist enttäuscht über die neuen Corona-Beschlüsse zu Reisen in Deutschland. Auch aus der Politik kommt Kritik. Zum Beherbergungsverbot hatten Kanzlerin und Länderchefs am Abend keine gemeinsame Linie gefunden.
Kritik gab es nach den neuen Corona-Beschlüssen im Kanzleramt vor allem an den Reisebeschränkungen. Der Deutsche Tourismusverband ist enttäuscht, dass das Beherbergungsverbot fortbestehen soll. „Es ist herber Rückschlag für das Reiseland Deutschland, dass die Beherbergungsverbote in vielen Bundesländern zunächst weiter Bestand haben“, sagte Geschäftsführer Norbert Kunz am Abend.
Der Urlaub in Deutschland habe, wenn man die Regeln einhalte, kein besonderes Gefährdungspotential. Die Gastgeber von Ferienwohnungen und Hotels hätten bewiesen, dass sie die Kontakt- und Hygieneregeln ernst nähmen und umsetzten. „Übernachtungen sind nicht das Problem und sollten deshalb weiterhin möglich sein.“
Die meisten Bundesländer hatten am Mittwoch beschlossen, dass Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei Reisen innerhalb von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen. Daran gab es massive Kritik. Bund und Länder fanden im Kanzleramt keine Einigung und vertagten das Thema bis zum 8. November. Bis dahin soll diese Maßnahme auf ihre Wirksamkeit überprüft werden.
Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher sieht ein Beherbergungsverbot zur Eindämmung der Pandemie weiter kritisch. Ein solches Verbot habe für die Hansestadt als Zentrum einer 5-Millionen-Einwohnerregion „kaum eine positive Wirkung“, sagte der SPD-Politiker am Abend.„Wir sind in einer kritischen Phase der Pandemie. Die aktuellen Berichte aus unseren europäischen Nachbarländern sind alarmierend“, warnte Tschentscher. Es komme jetzt darauf an, einen erneuten Lockdown zu verhindern. „Dort, wo das Ansteckungsrisiko größer ist, müssen besondere Vorsicht und strengere Regeln gelten, also bei Veranstaltungen, in der Gastronomie, bei privaten Feiern und dort, wo es im öffentlichen Raum eng wird.“ Hamburg habe bereits in vielen Bereichen die Kontakte stärker beschränkt, strengere Vorgaben für private Feiern aufgestellt und die Einhaltung der Regelungen konsequenter kontrolliert. „Dies hat uns als zweitgrößte Stadt Deutschlands geholfen, bisher unter dem kritischen Wert von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in sieben Tagen zu bleiben“, sagte der Bürgermeister. „Aber das Virus macht keinen Halt an Stadtgrenzen, deshalb sind einheitliche Leitlinien für ganz Deutschland wichtig, die wir heute beschlossen haben.“
Enttäuscht war auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und kritisierte die Vertagung einer Entscheidung zum Beherbergungsverbot für Urlauber aus innerdeutschen Risikogebieten: „Wir sind ein Land und deswegen muss es auch möglich sein, dass die Menschen sich bewegen können“, sagte Kretschmer sagte am Abend vor dem Kanzleramt in Berlin. „Das Beherbergungsverbot in der jetzigen Form ist nicht verhältnismäßig. Es trifft so viele Menschen, die nichts mit dieser Krankheit zu tun haben, und deswegen wäre es besser gewesen, wenn es hier eine Verständigung gegeben hätte.”
Die sächsische Staatsregierung werde an diesem Donnerstag darüber beraten. „Wir werden auch jetzt noch vor den Ferien die Möglichkeit schaffen, dass die Sachsen in den Urlaub fahren können.“ Aber sie könnten eben nicht beispielsweise nach Mecklenburg-Vorpommern fahren, weil es dort eine „restriktive Regelung“ gebe.Kretschmer sagte: „Ich bin schon der Meinung, dass wir jetzt auch konsequent handeln müssen, ohne Hysterie. Aber gerade diese Maßnahme ist aus meiner Sicht zu rabiat. Sie trifft viel zu viele Menschen, die nichts mit dieser Krankheit zu tun haben.“