Lambrecht und der Rücktritt Ministerin der Selbstüberschätzung

Meinung | Berlin · Christine Lambrecht ist ihrem Amt nie gewachsen gewesen. Und das ausgerechnet in Kriegszeiten. Ein Rücktritt der Verteidigungsministerin ist allerdings auch eine Niederlage für Kanzler Olaf Scholz.

Steht offenbar vor dem Rücktritt - Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD).

Steht offenbar vor dem Rücktritt - Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD).

Foto: dpa/Robert Michael

All die warmen Worte, die die SPD-Spitze zuletzt noch mit Mühe über, weniger für Christine Lambrecht gefunden hat, entpuppen sich nun als das, was sie gewesen sind – nicht mehr als Lippenbekenntnisse. Der Rücktritt kommt spät. Aber es gilt der alte Grundsatz: Besser spät, als nie. Auf das, was dann gesagt werden dürfte - großer Respekt, hat sich verdient gemacht - sollte man auch nicht viel geben.

Lambrecht hat eine Aufgabe übernommen, der sie nicht gewachsen gewesen ist. Das ist tragisch. Einerseits. Andererseits: Dass sich die SPD-Frau überhaupt zugetraut hat, die Truppe zu führen und die von anderen herunter gewirtschaftete Bundeswehr wieder auf Vordermann zu bringen, war mutig, aber eine Selbstüberschätzung sondergleichen. Lambrecht, so berichten es Insider, hat sich eigentlich nie für den heiklen Bereich mit seinen vielen Eigenleben interessiert, immer mit der Truppe gefremdelt. Sie hatte keine Fachkenntnisse, und sie hatte auch kein Händchen im Umgang mit den Soldaten. Hinzu kam ihr Hang zu Peinlichkeiten wie ihr Auftritt in der Silvesternacht. Nur ein Fehltritt von vielen.

Eigentlich müsste jetzt jemand mit dem Eisenbesen durch das Ministerium gehen. Denn ein Neuanfang in dem immens wichtigen Ressort ist in der Tat dringend notwendig. In Zeiten des Krieges ist eine überforderte Verteidigungsministerin verheerend. Da braucht es Kompetenz, Verlässlichkeit und jemanden, dem Bürger und Soldaten vertrauen. Jemand, der in der Lage ist, zugleich die vielen Missstände anzugehen, gegen die ja 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen bereitstehen. Und es braucht jemanden, der auch international deutsche Positionen in Europa und der Nato überzeugend vertreten kann. Dann übrigens auch gegenüber dem Aggressor Russland. All das konnte und kann Lambrecht nicht mehr leisten. Ob dies die Wehrbeauftragte Eva Högl schaffen wird, die als Nachfolgerin gehandelt wird, ist offen. Zumindest hat sie den notwendigen Bezug zur Truppe, den Lambrecht nie hatte. Olaf Scholz ist jedoch immer für eine personelle Überraschung gut. Und wer oft genannt wird, wird es dann meist nicht.

Ein Rücktritt ist aber nicht nur ein persönliches Eingeständnis der Ministerin, überfordert gewesen zu sein. Er ist auch eine Niederlage für den Kanzler, der Lambrecht aus dem Hut gezaubert hat und sie in sein Kabinett holte. Böse Zungen behaupten, mangels weiblicher Alternativen, und weil Scholz sich mit der Paritätsvorgabe für seine Ministerriege sozusagen personelle Ketten angelegt habe. Der Regierungschef, der gerne Recht behält und von einmal getroffenen Entscheidungen meist nicht abrückt, hat Lambrecht aber zu lange murksen lassen. Er hat zugeschaut, wie die Ministerin durch ihr Amt stolperte und damit auch das Bild der Regierung beschädigte. Die Zögerlichkeit des Kanzlers hat Lambrecht wohl lange als Rückendeckung verstanden. Jetzt hat er seine schützende Hand weggezogen. Auch hier gilt: Besser spät, als nie. Einen weiteren Fehlgriff sollte sich Scholz aber nicht leisen. Dafür sind die Herausforderungen im Verteidigungsministerium schlichtweg zu gigantisch.

(has)
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