Vereidigung des Bundespräsidenten Christian Wulff - der Brückenbauer

Berlin (RPO). Es war das versöhnliche Ende einer nervenaufreibenden Bundespräsidentenwahl. Als Christian Wulff am Freitagmittag vor die Mitglieder von Bundesrat und Bundestag trat, wirkte er entspannt und zuversichtlich. In seiner Rede ließ er vor allem eines anklingen: dass er Brücken bauen will.

Christian Wulffs Vereidigung
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Ein wenig Nervosität aber schien dann doch in ihm zu stecken. Denn als Bundespräsident Norbert Lammert ihn bat, den Amtseid aus der Urschrift des Grundgesetzes abzulegen, verhaspelte sich Wulff - wofür er sich sofort entschuldigte. Doch kaum trat er als zehnter Bundespräsident ans Rednerpult, war er wieder ganz in seinem Element.

Es war die Erfahrung eines Politikers, die seine Rede prägte. Die Erfahrung eines Ministerpräsidenten, der innerhalb kürzester Zeit zum höchsten Staatsoberhaupt der Bundesrepublik wurde - und dementsprechend auch wenig Zeit hatte, sich lange vorher Gedanken zu machen, wie er sein Amt gestalten will.

Auch deshalb betonte der neue Bundespräsident bereits im Vorfeld, dass er bei den Feierlichkeiten zu 20 Jahren deutsche Einheit in Bremen vertiefen will, wie er sein Amt auszufüllen gedenke.

Des Niedersachsen Prägung

Sachlich, ruhig und ohne größere Emotionen sprach er nun in Berlin aber von den Dingen, die ihm am Herzen liegen. Es sind jene Dinge, die auch sein Wirken in Niedersachsen geprägt haben und die er in sein neues Amt mit einfließen lassen will. Sein Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Integration, wie er es bereits mehrmals angekündigt hatte.

Er erzählte vom Vater von Aygül Özkan, der ersten Ministerin mit Migrationshintergrund, die unter Wulff in Niedersachsen vereidigt worden war. Er erzählte vom Stolz des Vaters, als die Tochter ihr Amt antrat und er ihn zu diesem Ereignis traf. Doch für Wulff ist Integration nicht nur auf die Herkunft bezogen, sondern auch auf die ärmeren Bevölkerungsschichten.

"Wann wird es bei uns selbstverständlich sein, dass unabhängig von Herkunft und Wohlstand alle Menschen gleich behandelt werden?", stellte er als Frage in den Raum. "Wenn wir nicht mehr danach fragen, was uns trennt, sondern was uns verbindet. Wenn wir nicht mehr danach suchen, was wir einander voraus haben, sondern was wir voneinander lernen können."

Jung und Alt, Ost und West, Einheimische und Zugewanderte, Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Arbeitslose sowie Menschen mit und ohne Behinderungen - zwischen all diesen Menschen wolle er helfen, Brücken zu bauen und Verbindungen zu schaffen. "Wenn wir weniger danach fragen, wo einer herkommt statt wo er hin will", dann werde das Zusammenleben leichter.

Der Spagat zur Politik

Es müsse nicht nach dem Trennenden, sondern nach dem Verbindenden gefragt werden, forderte Wulff und wurde sofort bildlich: "Dann wird Neues, Gutes entstehen - aus urdeutscher Disziplin und türkischem Dribbling zum Beispiel, aus preußischem Pflichtgefühl und angelsächsischer Nonchalance, aus schwäbischer Gründlichkeit und italienischer Lebensart."

Doch Wulff wird nicht nur Brücken bauen müssen zwischen den Bürgern selbst, sondern auch zwischen ihnen und der Politik. Aber diesen Spagat schaffte er bereits in seiner Ansprache, ohne den Regierenden auf die Füße zu treten. Man müsse die Bürger mehr einbeziehen und ihnen zeigen, wie spannend die politische Arbeit sei. Das zeige vor allem die Wirtschafts- und Finanzkrise, in der die Regierung mit raschen Entscheidungen gehandelt habe. Darauf könne die Koalition Stolz sein.

Ein Lob also für die durch Streitereien in der Koalition und die drei Durchgänge bei der Bundespräsidentenwahl angeschlagene Kanzlerin Angela Merkel. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Horst Köhler, der in seiner Antrittsrede klar machte, er wolle unbequem und offen sein, zeigt sich Wulff versöhnlich und als der, der er immer war: ein Berufspolitiker.

Auch wenn sein Amt nun ein überparteiliches ist, seine lange Karriere in der Politik und vor allem in der CDU als Ministerpräsident und Bundes-Vize etwa haben ihn geprägt und werden noch lange nachhallen. Aber genau das ist es ja, warum die Regierung ihn wollte: einen politisch erfahrenen Mann, der eher mit statt gegen die Politik arbeitet.

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