Ex-Bundespräsident Christian Wulff "Als Vater einer Tochter in Köln ist einem Köln ganz nah"

Essen · Mit freundlichem Applaus wurde Ex-Bundespräsident Christian Wulff in der Essener Philharmonie von mehr als 1000 Zuhörern empfangen. Im Rahmen des "Politischen Forums Ruhr" sprach er zum Thema "Was macht Deutschland aus?" und ging auch auf die Vorkommnisse in Köln ein.

 Ex-Bundespräsident Christian Wulff.

Ex-Bundespräsident Christian Wulff.

Foto: dpa, dm fpt

Doch während seiner einstündigen Rede kam nur selten Beifall auf. Lag es daran, dass Wulff vielleicht insgesamt zu optimistisch klang? Seine Kernbotschaft lautete: Es gebe angesichts des Flüchtlingszustroms keinen Grund zur Panik, sondern Gelassenheit sei das Gebot. Wulff rief seinen Zuhörerin in Erinnerung, dass im Sport — vor allem im Fußball — viele Menschen mit Migrationshintergrund für Deutschland kämpften, und auch Helene Fischer ("Sie rettet das deutsche Liedgut") habe ausländische Wurzeln. Über sich selbst sagte er: "Ich bin noch gelassener als ich es früher einmal war."

Deutschland, das in früheren Jahren Millionen Vertriebener und ausländischer Arbeitskräfte aufgenommen habe, könne den neuerlichen Flüchtlingszustrom im europäischen Zusammenwirken bewältigen. Allerdings seien dazu Aufnahmequoten unumgänglich. Deutschland und Europa könnten sich aufgrund ihrer Bedeutung viel stärker als bisher außenpolitisch engagieren und versuchen, zusammen mit den Großmächten auf einen Frieden in Syrien hinzuwirken. Die Fluchtursachen müssten vor Ort bekämpft werden.

In der anschließenden Diskussion wurde es lebhafter. Viele Menschen in der Bundesrepublik verlören das Vertrauen in den Rechtsstaat, hieß es mit Blick auf die Übergriffe auf dem Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht. Wulff sagte, er habe zu diesen Vorkommnissen "eine persönliche Meinung". Schließlich studiere seine 22-jährige Tochter Annalena (die ihren Vater nach Essen begleitet hatte) in der Domstadt: "Als Vater einer Tochter in Köln ist einem Köln natürlich ganz nah." Gleichwohl dürfe es keine pauschalen Verurteilungen gebe. Kriminelles Vorgehen müsse indes geahndet werden.

Offenbar sei das bestehende Sexualstrafrecht reformbedürftig, sagte Wulff, der in Hamburg eine Rechtsanwaltskanzlei unterhält. Frauen, auch Flüchtlingsfrauen, müssten in diesem Land geschützt sein: "Darüber lassen wir nicht mit uns reden." Hier sei der Staat gefordert: "Die innere und äußere Sicherheit ist eine staatliche Pflichtaufgabe. Das kann nicht delegiert werden", sagte Wulff mit Blick auf sich formierende "Bürgerwehren". Zugleich sprach er sich eindringlich dafür aus, die Polizei personell und materiell so auszustatten, dass sie dieser Aufgabe nachkommen kann. Auch die Arbeit der Geheimdienste sei unerlässlich. Wenn immer mehr Transparenz bei den Geheimdiensten gefordert werde, "dann sind wir etwas neben der Spur".

Als ein Fragesteller einwandte, der Staat müsse sich zuerst um die heimische Bevölkerung kümmern, fragte ihn der Altbundespräsident, was er denn tun wolle. Der Mann, ein Unternehmer, der soeben einen Flüchtling eingestellt hat, riet dazu, die Grenzen sofort zu schließen. Bevor er dies weiter erläutern konnte, entzog ihm Moderator Stephan Holthoff-Pförtner angesichts der fortgeschrittenen Zeit das Wort. Auf dem Fluren wurde dann aber noch heftig weiterdiskutiert.

(RP)
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