Chodorkowski nach Berlin geholt Stratege Genscher ging auch gesundheitlich an die Grenze

Berlin · Der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher hat sich bei der Freilassung des russischen Kremlkritikers Michail Chodorkowski selbst nicht geschont. Erst wenige Wochen zuvor war der Politiker schwer erkrankt. Die Ärzte hatten ihm Ruhe verordnet.

 Anstrengende Tage: Hans-Dietrich Genscher.

Anstrengende Tage: Hans-Dietrich Genscher.

Foto: dpa, Michael Kappeler

Nach Informationen der "Bild am Sonntag" war der 86-Jährige vor gut einem Monat an einer Wundrose, einer Entzündung am rechten Bein, erkrankt. Nach einer Erstversorgung im Hamburger Universitätsklinikum sei er zwei Wochen in der Bonner Uniklinik behandelt worden. Bei der Entlassung vor gut zwei Wochen hätten ihm die Ärzte absolute Schonung verordnet.

Dennoch reiste Genscher am Freitag nach Berlin, um Chodorkowski nach zehnjähriger Lagerhaft in Russland auf dem Flughafen Schönefeld zu begrüßen. Als er am Abend den Flughafen Berlin-Tegel betrat, um in seine Heimatstadt Bonn zurückzufliegen, habe es spontan Standing Ovations der anderen Passagiere gegeben.

In mehreren Statements bedankte sich der Russe beim Deutschen. Genscher trug demnach entscheidend dazu bei, dass das Gnadengesuch an Putin kein schriftliches Schuldeingeständnis beinhaltete, auf das der Präsident stets Wert gelegt hatte.

"Ich war mit Herrn Genscher bekannt und habe gesagt, dass ich bereit bin, ihm in dieser Frage zu vertrauen", sagte Chodorkowski.
Die Begnadigung durch Putin sei letztlich mit Blick auf seine familiäre Situation erfolgt, sagte Chodorkowski in dem Interview, dessen Mitschrift der kremlkritische Fernsehsender Doschd veröffentlichte. Der Kanal zeigte ein Video von dem Wiedersehen Chodorkowskis mit seiner krebskranken Mutter Marina in Berlin.

Das von Genscher vorbereitete Gnadengesuch an Putin sei ihm am 12. November von Anwälten zur Unterschrift vorgelegt worden, sagte Chodorkowski. Vor einer am Sonntag für 13.00 Uhr in Berlin geplanten Pressekonferenz betonte er, dass er noch immer nicht mit allen Details seiner Freilassung vertraut sei.

(dpa)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort