ChatGPT und Künstliche Intelligenz Ist menschliches Denken bald überflüssig?

Berlin · Künstliche Intelligenzen wie ChatGPT bieten zahlreiche Chancen – auch im Bildungswesen, wo viele noch Angst vor der vielseitigen Technologie haben. Im Bundestag sprachen sich KI-Experten nun für eine Reformierung des Schulsystems aus.

ChatGPT kann zum Verfassen von Texten, Übersetzungen oder weitere textbasierte Anwendungen genutzt werden.

ChatGPT kann zum Verfassen von Texten, Übersetzungen oder weitere textbasierte Anwendungen genutzt werden.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Seit November vergangenen Jahres ist ChatGPT online, doch schon jetzt schlagen viele Alarm – aus Angst vor der Künstlichen Intelligenz (KI). Eine Reihe von Experten sollte der Software daher im Auftrag des Forschungsausschuss des Deutschen Bundestages auf den Grund gehen. Welche Chancen und Risiken birgt sie? Und wie können wir sie uns im Bereich Bildung zu Nutzen machen? Klar ist: Das Schulsystem, wie wir es kennen, könnte schon bald Geschichte sein.

Aber von vorne: ChatGPT ist ein KI-basiertes Chat-Programm. Es kann nicht nur menschenähnliche Konversationen führen, Texte verfassen und übersetzen, sondern sogar beim Codieren helfen. Insbesondere junge Nutzer haben die Vorteile schnell erkannt und lassen ganze Hausarbeiten von der Software erstellen. Was sonst mehrere Tage und viel Kopfzerbrechen kostet, erledigt ChatGPT in wenigen Minuten. Müssen wir bald also gar nicht mehr denken? Kann ChatGPT uns die gesamte Arbeit abnehmen, während wir uns entspannt zurücklehnen?

Ganz so einfach ist es nicht. Denn ChatGPT kann sich zwar menschenähnlich verhalten – aber den Menschen ersetzt es nicht. Künstliche Intelligenz sei schlicht eine Maschine, betonte Tina Klüwer vom KI Bundesverband. Und auch der Chatbot selbst geht sehr offen, ja fast selbstreflektiert mit seinen Limitationen um: „Es ist unwahrscheinlich, dass Menschen aufgrund von KI bald nicht mehr denken müssen“, antwortet ChatGPT auf unsere Frage. KI-Systeme könnten schlicht nicht alle Aspekte des menschlichen Denkens ersetzen. „Es ist wichtig, dass wir uns bewusst bleiben, dass KI-Systeme Hilfsmittel für Menschen sind und nicht unabhängig von menschlicher Überwachung und Kontrolle arbeiten sollten“, schreibt die Software. Ein Warnruf? Nicht ganz.

Nicht die Sprachmodelle selbst seien das Problem, sondern die Menschen, die diese fälschlich nutzen, meint Klüwer. Ein allgemeines Verbot der Software in Schulen sieht sie als große Benachteiligung für das weitere Leben der Schüler an. Stattdessen müssten Kompetenzen für einen souveränen Umgang mit der Software vermittelt werden. Es sei wichtig, KI in Unternehmen und Bildungsbereichen einzusetzen und das Bildungssystem „fundamental umzudenken“, sagt ihr Kollege Rasmus Rothe. Auch Doris Weßels, Professorin an der Fachhochschule Kiel, plädiert für einen „radikalen Change“ und eine „neue Form der Aufgabenstellung“. Hausarbeiten könnten bald der Vergangenheit angehören.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), Heinz-Peter Meidinger, widerspricht. „Wir sehen das nicht so, dass Programme, KI und Sprachwerkzeuge wie ChatGPT Schule und Lernprozesse grundsätzlich revolutionieren werden. Trotzdem haben die Expertinnen und Experten natürlich Recht, wenn sie anmahnen, dass sich das Bildungssystem auf solche technologische Entwicklungen einstellen muss und wird.“ Bildungsaneignung sei letztlich ein aktiver Prozess des Lernenden, den ihm auch eine Künstliche Intelligenz nicht abnehmen könne. „Sie kann aber, sofern kritisch genutzt, dabei durchaus helfen“, so Meidinger. Ein Verbot der KI bei Hausaufgaben und Referaten erachtet auch der DL als „blauäugig“. Wichtiger sei es, den Schülern ihre Pflicht zur Überprüfung und zum eigenen Verstehen zu verdeutlichen. „Im Unterricht selbst wird es künftig Phasen geben, wo damit reflektiert gearbeitet werden kann, etwa bei der Erschließung und Strukturierung neuer Stoffe, und es wird Unterrichtsphasen geben, in denen KI nicht benutzt werden darf und der eigene kreative Kopf gefordert ist.“

Ein Risiko sehen die Experten darin, dass durch KI-Anwendungen Bildungsungleichheiten verstärkt werden könnten. Schüler, die generell besser geschult seien, fiele der Umgang mit der Software oft leichter. Auch der DL sieht darin eine Gefahr und verweist auf die Anfangszeiten des Internets. „Es hat sich bald gezeigt, dass kognitiv leistungsstärkere Kinder und Jugendlichen vom eigenständigen Arbeiten mit Computer und Lernprogrammen erheblich mehr profitieren als leistungsschwächere Kinder. Die Schere geht also erstmal auf.“

Eine einfache und eindeutige Lösung für den Umgang mit KI gibt es aktuell nicht. Die Aussagen der Experten zeigen, dass Aufklärung und das Schulen von Medienkompetenz die Grundlage für einen sicheren Umgang mit KI-basierten Anwendungen sind. Schüler müssten eine kritische und kreative Nutzung der digitalen Technologien erlernen und sie für ihre weitere Entwicklung nutzen, sagte SPD-Chefin Saskia Esken kürzlich. Ebenso sprach sich NRW-Schulministerin Dorothee Feller (CDU) für einen kritisch-konstruktiven und zugleich innovativ-individuellen Umgang mit KI aus. Und auch ChatGPT sagt: „Wenn Menschen zu sehr von ChatGPT und anderen KI-Systemen abhängig werden, können sie ihre Fähigkeit zur selbstständigen Problemlösung und kritischem Denken verlieren.“

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