Astrid Hamker im Porträt Die erste Frau an der Spitze des CDU-Wirtschaftsrats

Berlin · Die Niedersächsin Astrid Hamker wird als erste Frau den CDU-Wirtschaftsrat führen. Ihre preußische Erziehung mit Drill, Druck und Härte hat sie geprägt. Sie selbst setzt auf eine andere Mischung: Temperament, Talent und Kompetenz.

 Astrid Hamker

Astrid Hamker

Foto: Nell Killius

Sie ist 15 Jahre alt, als ihr Vater einen ganz besonderen Ausflug mit ihr macht. Hartwig Piepenbrock, Inhaber eines großen Gebäudereinigungsunternehmens in Osnabrück, geht nicht mit ihr ins Kino und auch nicht auf den Ponyhof. Er fährt mit seiner Tochter 1982 nach Bonn zum Bundeskongress des CDU-Wirtschaftsrates, dessen Vorsitzender er ist im Land der Niedersachsen, die laut ihrer Hymne sturmfest sind und erdverwachsen.

Das Mädchen ist begeistert von der großen Bühne mit all den prominenten Unternehmern, in der ganz großen Mehrheit Männer. 37 Jahre später wird Astrid Hamker als erste Frau in der Geschichte des Wirtschaftsrates dessen Präsidentin sein. Nach einem einstimmigen Vorschlag des Präsidiums soll sie am 4. Juni in Berlin auf der Bundesdelegiertenversammlung zur Nachfolgerin von Werner Bahlsen gewählt werden. Der 70-Jährige tritt nicht wieder an.

Hamker hat es ganz nach oben geschafft. Ihr Vater wäre stolz auf sie. Schon als sie – wie er einst – den Landesvorsitz des Wirtschaftsrates in Niedersachsen übernahm, das 2004, klopfte er ihr dafür auf die Schulter. Piepenbrock starb 2013.

Doch die Multi-Aufsichtsrätin (unter anderem Draeger-Werke, der Dorma-Gruppe und der NordLB) und Gesellschafterin sowie Beirätin der Piepenbrock-Gruppe mit rund 27.000 Beschäftigten und über 500 Millionen Euro Umsatz hat einen hohen Preis für ihr Engagement bezahlt, wie sie es selbst formuliert. Seit 2018 lebt sie von ihrem Mann – gütlich - getrennt. Die Interessen seien zu weit auseinander gegangen, sagt sie mit Bedauern.

Die schlanke Frau mit den braunen langen Haaren sitzt in der sechsten Etage des Wirtschaftsrates in Berlin-Mitte, sie hat die Fenster aufgemacht, draußen ist es sonnig, an diesem Mai-Tag aber noch kühl. Frischluft strömt in den Raum. Hamker kann sich noch gut erinnern, wie sie 2005 als Präsidiumsmitglied im zweiten Stock des Gebäudes arbeitete und voller Respekt auf die Verbandsspitze schaute. 2013 wurde sie Schatzmeisterin, nun wird sie Chefin.

Der konservative Club mit 12.000 Mitgliedern wird damit nicht nur einen Führungswechsel und Generationenwechsel vollziehen, er sendet auch ein neues Signal des Aufbruchs für Frauen in der Wirtschat. Und wer weiß, ob Hamker nicht auch noch eine politische Laufbahn einschlägt, heißt es im Verband. Generalsekretär Wolfgang Steiger sagt: „Sie wird eine starke Präsidentin sein. Wenn sie für etwas steht, dann kämpft sie. Astrid Hamker wackelt nicht.“ Sie selbst sagt: „Ich lasse mich nicht verbiegen.“ Sie stehe für „Integrität und Haltung“. Haltung – ein Wort, das in der beschleunigten Welt inzwischen eher Seltenheitscharakter hat.

Nach einem Konflikt in der Familie schied Hamker, die in St. Gallen BWL studierte, 2009 aus der Geschäftsführung des traditionsreichen Betriebs aus. Das war schmerzlich für sie. Aber sie nutzte die Krise als Chance und gründete eine eigene Unternehmensberatung, um anderen aus Erfahrung bei Nachfolgeregelungen und Konflikten zur Seite zu stehen. Gerade Familienunternehmen hätten eine hohe soziale Verantwortung, sagt sie. Streit verunsichere Mitarbeiter und schade dem Image des Unternehmens, das eine „dynastische Intention“ habe – eine auf Kontinuität angelegte Strategie. „Da kann ein Betrieb auch in die Knie gehen.“

Hamker hat sich immer mit voller Kraft in das eigene Unternehmen eingebracht. Ihre beiden Kinder hat sie quasi zwischendrin bekommen. Bis einen Tag vor der Geburt hat sie im Betrieb gearbeitet und ist zwei Wochen später wieder zurückgekommen, erzählt sie und betont aber, dass ihre Kinder mit einer Haushaltshilfe gut versorgt waren. Heute sind sie 20 und 22 Jahre alt.

Hamker war ein Vater-Kind. Er hat sie gefördert und gefordert. Sie habe viel von ihm gelernt, sagt sie. Unter anderem, sich gesellschaftspolitisch zu engagieren und etwas zurückzugeben, wenn es einem selbst gut geht. Nur in einer Hinsicht war er für sie kein Vorbild: in der Kindererziehung. Drill, Druck, Härte – eine preußische Erziehung eben. Das habe sie bei ihren Kindern anders gemacht, sagt Hamker. Anspruchsvoll ist sie trotzdem.

Zwischenzeitlich wollte sie Journalistin oder Politikerin werden. Sie fuhr mit dem Bulli übers Land und machte Wahlkampf für den CDU-Europaabgeordneten Hans-Gert Pöttering. Meistens war sie die einzige Frau und oft jünger als alle anderen. Sie sagt, sie liege mit Friedrich Merz auf einer Wellenlinie und stimme dem früheren Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) zu, dass Wohlstand nicht unter Denkmalschutz steht. Es beunruhigt sie, dass es in Deutschland zu viel Bürokratie und zu wenig Fachkräfte gebe. 1,5 Millionen Stellen seien offen.

Der Leistungsgedanke steht für sie an erster Stelle. Deshalb sei sie auch gegen Frauenquoten. „Diversität ist nicht nur eine Geschlechterfrage, sondern auch, ob ich eine gute Mischung von Temperament, Talent und Kompetenz der Mitarbeiter habe.“

Für Hamker kommt nun noch das hohe Ehrenamt der Präsidentin des CDU-Wirtschaftsrates oben drauf. Ihre Einstellung dazu: „Sie müssen für das Ehrenamt brennen. Das ist Lebenszeit. Andere spielen Golf oder Tennis.“

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