Koalitionspoker CDU will zuerst Kanzlerfrage klären

Berlin (rpo). Die Parole hieß: Erst den Inhalt, dann die Personalfragen klären. Das interessiert die Union aber nicht mehr. Sie fordert, dass Gerhard Schröder auf das Kanzleramt verzichtet. Erst dann könne es Verhandlungen über eine Große Kaolition geben. Der SPD-Vizevorsitzende Kurt Beck will aber erst über Inhalte und dann über Personen reden.

Unter Berufung auf Unionskreise berichtet die "Welt am Sonntag", Voraussetzung für Verhandlungen über inhaltliche Fragen sei, dass die SPD einen Unionskanzler akzeptiere. CDU-Chefin Merkel wolle das CDU-Parteipräsidium am Montag auf diese Linie einschwören. Dabei solle aber nur der Anspruch der Union auf die Kanzlerschaft festgelegt werden, nicht aber, wer Kanzler werden solle. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) erklärte allerdings, es sei "völlig klar, dass der Kanzler Angela Merkel heißen muss".

Der hessische Ministerpräsident Roland Koch forderte, die Union solle erst Koalitionsverhandlungen mit der SPD aufnehmen, wenn Schröder seinen Verzicht auf die Kanzlerschaft erklärt habe. Koch sagte im "Focus"-Interview, Schröder habe seine Partei in "eine emotionale Geiselhaft genommen". Der Kanzler befinde sich in einem "postelektoralen Größenwahn". Unter vier Augen sage aber jeder vernünftige Sozialdemokrat, dass Schröder nicht zu halten sei.

Auch Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) forderte, erst solle die Kanzlerfrage geklärt werden, bevor Union und SPD am kommenden Mittwoch wieder über eine große Koalition sprächen. Althaus sagte der Berliner Tageszeitung "B.Z.": "Bis nächsten Mittwoch erwarte ich Klarheit, dass die SPD Angela Merkel als Nummer 1 der größten Fraktion akzeptiert."

Seeheimer Kreis der SPD für Rotation

Sachsens Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) sagte dem "Spiegel": "Wenn Schröder an seiner Haltung nichts ändert, scheitern die Koalitionsverhandlungen." Der Kanzler sei derzeit so vermessen und arrogant, dass "eine Zusammenarbeit undenkbar" sei. Eine Lösung, nach der die beiden Koalitionspartner jeweils zwei Jahre lang den Kanzler stellen, lehnte Milbradt ab.

Auch die SPD hatte am Vortag erklärt, eine solche Lösung, wie sie bereits einmal in Israel praktiziert wurde, komme nicht in Frage. Parteisprecher Lars Kühn betonte: "Wir wollen regieren mit Gerhard Schröder als Bundeskanzler und möglichst viel von unserem Programm umsetzen."

Der Gedanke an eine große Koalition ohne Schröder ist allerdings in der SPD kein Tabu mehr. "In einer Demokratie sollte man niemals nie sagen", sagte der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz, Beck, dem "Focus". Sein Credo laute: "Zuerst prüfen, was inhaltlich geht; dann schauen, mit wem es geht." Inhalte gingen vor Personen. "Es hat doch keinen Sinn, sich erst über ein Kabinett zu einigen, und dann zu sehen, dass man keine gemeinsam abgestimmten Inhalte hat."

Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs, plädierte für eine große Koalition mit Kanzler-Rotation. "Die ersten zwei Jahre muss Schröder Kanzler sein", sagte Kahrs der "Welt". Merkel könne zunächst Vizekanzlerin und Ministerin werden.

(ap)
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