Asylstreit CDU und CSU einigen sich – Horst Seehofer bleibt Minister
Berlin · CDU und CSU haben den Bruch ihrer Union im Asylstreit mit größter Mühe vorerst abgewendet – Horst Seehofer zieht sein Rücktrittsangebot zurück und bleibt Bundesinnenminister. Die SPD sieht weiter Gesprächsbedarf.
Die SPD hat zur Einigung der Union auf Transitzentren weiteren Diskussionsbedarf. Der Vorschlag habe beim Koalitionsausschuss "heute nur andiskutiert" werden können, sagt SPD-Chefin Andrea Nahles am frühen Dienstagmorgen nach dem Treffen im Kanzleramt. Es gebe noch viele Fragen, die geklärt werden müssten. Man werde sich daher am Dienstagabend um 18 Uhr erneut im Kanzleramt treffen. Es sei insgesamt gut, dass sich CDU und CSU verständigt hätten.
Seehofer hatte zuvor gesagt, es sei vereinbart worden, die illegale Migration an der deutsch-österreichischen Grenze zu verhindern. Darüber sei er froh. „Es lohnt sich, für eine Überzeugung zu kämpfen.“ Es handele sich um eine für die Zukunft haltbare Vereinbarung. Das erlaube ihm, sein Ministeramt weiterzuführen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte: „Wir werden Transitzentren einrichten“. Die Vereinbarung sei im europäischen Geist.

„Hat Seehofer das Eis jetzt bekommen?“
Die Generalsekretäre von CDU und CSU, Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Blume, erklärten: „Wir vereinbaren an der deutsch-österreichischen Grenze ein neues Grenzregime, das sicherstellt, dass wir Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind, an der Einreise hindern. Aus den Transitzentren sollten Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. „Dafür wollen wir nicht unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschließen oder das Benehmen herstellen.“ In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigerten, finde die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit Österreich statt.
Festsetzung direkt an der Grenze
Die Idee der umzäunten Transitzentren mit der Festsetzung von Flüchtlingen direkt an der Grenze – quasi vor ihrer tatsächlichen Einreise nach Deutschland – ist rechtlich umstritten. Die Sozialdemokraten hatten sich in der Flüchtlingskrise 2015 gegen solche Zentren gewehrt. Am Montagnachmittag hatte Seehofer Merkel noch erneut angegriffen: „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Im Zentrum des Streits steht die Frage, ob anderswo in Europa registrierte Flüchtlinge an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden können. Merkel ist strikt dagegen, die CSU dafür.
In einer gemeinsamen Fraktionssitzung von CDU und CSU am Nachmittag sandten etliche Teilnehmer das Signal, dass sie einen Erhalt der Fraktionsgemeinschaft wünschen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, bislang Scharfmacher in dem Konflikt, verwies nun auf die „starke Bande“ der Union, die sie in die Lage versetze, Konflikte zu beherrschen. Eine Schicksalsgemeinschaft bewähre sich dann, wenn sie herausgefordert werde, sagte er.
Beschwörung einer „Schicksalsgemeinschaft“
Merkel warb in der Fraktionssitzung nach Teilnehmerangaben erneut für ihre Ende vergangener Woche verhandelte europäische Lösung. Es seien gute Resultate, sagte sie. Auch sie sprach von der Schicksalsgemeinschaft, die es „jede Mühe“ wert sei, dass man versuche zur Verständigung zu kommen. Unterdessen betonte SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles, dass die SPD einen möglichen Kompromiss der Union nicht ohne weiteres mittragen werde.
Mittlerweile ist Seehofers lange unter Verschluss gehaltener „Masterplan zur Steuerung der Migration“ öffentlich geworden. Zunächst hatte Seehofer den Plan am Sonntag im CSU-Vorstand verteilt. Am Montagmorgen stellte ein Unionsabgeordneter ihn ins Netz. An dem einen darin enthaltenen Punkt zu den Zurückweisungen an der Grenze hatte sich der Streit zwischen CDU und CSU entzündet.
In Zeiten ohne Regierungskrise hätte der Plan für deutlich mehr Wirbel gesorgt. Er enthält eine Reihe drastischer Verschärfungen der Asylpolitik. Dem Plan zufolge sollen Menschen, die abgeschoben werden sollen, in Gefängnisse gebracht werden. Zudem soll geprüft werden, ob an Flughäfen „Gewahrsamseinrichtungen“ für Sammelabschiebungen eingerichtet werden können. Straftäter sollen konsequenter als bisher abgeschoben werden. Auch wer Urlaub in der Heimat macht, soll nach Seehofers Plänen sein Bleiberecht verwirken.Das Papier, in dem Seehofer nur als CSU-Chef nicht aber als Innenminister aufgeführt ist, betont auch die Bedeutung nationaler Maßnahmen, „je weniger das gemeinsame europäische Asylsystem leisten kann“. Merkel, die den Plan seit gut zwei Wochen kennt, hatte mehrfach betont, dass sie mit allen Punkten außer mit den Zurückweisungen einverstanden sei.
Wolfgang Schäuble musste vermitteln
Bevor die Spitzen von CDU und CSU am frühen Abend erneut zu einem Krisentreffen zusammenkamen, sprachen Merkel und Seehofer überraschend auch mit Bundestagspräsident Wolfang Schäuble, der als Vermittler in dem Konflikt gilt. Schäuble hatte davon gesprochen, dass die Union am „Abgrund“ stehe.
FDP-Chef Christian Lindner sieht für die Regierung auch im Fall einer Einigung keine Zukunftschancen: „Auch wenn alle Beteiligten zur Vernunft kommen, ist diese Regierung nicht mehr fähig“, sagte er unserer Redaktion. Das Zerwürfnis sei so „tiefgreifend“, dass er schon bei den Fragen der Weiterentwicklung der Währungsunion den nächsten Streit erwarte.