Parteien CDU sucht neue Strategie gegen die AfD

Berlin · 22 Prozent der Wähler in Ost und West können sich vorstellen, die AfD zu wählen. Bislang hat die CDU die Partei, die sich rechts von ihr zu etablieren droht, ignoriert. Immer mehr CDU-Politiker fordern eine neue Strategie gegenüber der AfD.

 Parteichef Bernd Lucke während eines Auftritts im Sachsen-Wahlkampf.

Parteichef Bernd Lucke während eines Auftritts im Sachsen-Wahlkampf.

Foto: dpa, cw htf

In der CDU macht sich Zweifel breit, dass die Partei bislang die richtige Strategie hat, um der Konkurrenz von der Alternative für Deutschland (AfD) zu begegnen. Bislang verlegte sich die CDU darauf, hinter verschlossenen Türen aufgeregt und empört über die Konkurrenz von rechts zu debattieren. Für die Öffentlichkeit aber lautete die Strategie: Schweigen, ignorieren, nicht ernst nehmen.

Diese Strategie geht ganz offensichtlich nicht auf. Mit knapp zehn Prozent erzielte die AfD bei den Landtagswahlenin Sachsen ein furioses Ergebnis. Die Chancen, dass die Alternative am kommenden Wochenende auch in die Landesparlamente in Thüringen und Brandenburg einzieht, sind sehr gut. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag der "Bild am Sonntag" verfügt die AfD über ein Wählerpotenzial von 22 Prozent - mehr als jeder fünfte Bürger in Ost und West kann sich also vorstellen, sein Kreuz bei der AfD zu machen. Ob er dies auch tut, ist offen. In Umfragen liegt die AfD bundesweit um die fünf Prozent. Zwischenzeitlich war sie auch schon einmal bei sieben Prozent taxiert.

Besondere Umstände

Damit kleine Parteien ihr Potenzial ausschöpfen können, müssen besondere Umstände eintreten. Ein Beispiel dafür, wie die Kleinen groß werden, bilden die Grünen in Baden-Württemberg. Sie kamen im Lichte der Reaktorkatastrophe von Fuku-shima und durch den Widerstand gegen den Großbahnhof Stuttgart 21 auf 24 Prozent und stellen seitdem mit Winfried Kretschmann den Ministerpräsidenten. Dass die Grünen in dieser Lage tatsächlich ihr Potenzial ausschöpfen konnten, ist auch dem damaligen Spitzenkandidaten Kretschmann zu verdanken, der als ein Konservativer gilt und der CDU viele Wähler streitig machen konnte. Sollte die Euro-Krise zurückkehren und auch die deutsche Realwirtschaft treffen, könnte eine Situation eintreten, die den Euro-Kritikern von der AfD Zulauf beschert.

Doch schon angesichts der aktuellen Umfragewerte der AfD mehren sich in der Union die Stimmen, die sagen, dass ein Ignorieren der neuen Partei als Strategie nicht ausreichen wird. Der Thüringer CDU-Fraktionschef Mike Mohring ergriff die Initiative und setzte sich in einem Doppeltinterview in der "Bild am Sonntag" mit dem AfD-Vorstandsmitglied Frauke Petry auseinander. Damit verstößt Mohring gegen die bisherige Parteilinie. Der Fraktionschef der Union im Bundestag, Volker Kauder (CDU), hatte noch vor der Sommerpause erklärt, sich mit AfD-Vertretern nicht zusammen in eine Talkshow setzen zu wollen. "Ich glaube, dass es nichts bringt, wenn wir die AfD einfach ignorieren", sagte Mohring in dem Interview. "Als CDU-Mitglied will ich die AfD überflüssig machen. Dazu muss man sich mit ihr aber auseinandersetzen."

So sieht es auch Benedict Pöttering, Vizechef der Jungen Union: "Es wäre ein historisches Versäumnis der Union, wenn die AfD in den Bundestag kommt", sagte er unserer Zeitung. "Die 35 000 Wähler, die in Sachsen bei der Landtagswahl von der Union zur AfD abgewandert sind, zeigen, dass wir dort mit Totschweigen nicht weiterkommen."

"Nicht vergleichbar mit den Piraten"

Die Zahl der CDU-Spitzenpolitiker, die so denken, wächst. "Über kurz oder lang kommen wir nicht umhin, uns mit den Themen zu beschäftigen, die die Menschen zur AfD bringen", sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs unserer Redaktion. Man werde sich mit der Frage befassen müssen, warum die Menschen die AfD wählen. Mit Carsten Linnemann, dem Vorsitzenden der Mittelstandsvereinigung der Unionsfraktion im Bundestag, ist er sich einig, dass die AfD nicht vergleichbar ist mit der Piraten-Partei, die eine kurze und starke Welle der Zustimmung erlebte und dann in die Bedeutungslosigkeit sank.

"Die werden nicht einfach wieder auf das Niveau der Piraten schrumpfen", ist sich Linnemann sicher. Er unterstützt seinen Thüringer Parteifreund: "Es ist richtig, wie sich Mike Mohring mit der AfD auseinandersetzt." Die Union müsse sich auch wieder fokussierter zu Wort melden und als Volkspartei breit mit Themen wahrnehmbar sein.

Einwanderung und Familienpolitik könnten solche Themen sein, bei denen die Union in den Wettbewerb mit der AfD treten könnte. Der Emnid-Umfrage zufolge stimmen 83 Prozent der Deutschen der Aussage zu: "Einwanderung in Deutschland braucht strikte Regeln." Noch 45 Prozent folgen dem Wahlkampfschlager der AfD in Sachsen, wonach es Standard sein sollte, dass Familien in Deutschland drei Kinder haben. Der CDU wird in dieser Auseinandersetzung die undankbare Aufgabe zukommen, Populismus von berechtigten Anliegen zu trennen.

(qua)
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