Interview mit Stefan Mappus "CDU muss bürgerlicher werden"

Berlin (RP). Scharfe Kritik am aktuellen Kurs der Union hat der baden-württembergische CDU-Fraktionschef Stefan Mappus geübt. "Die CDU bedient das mittelständisch-konservative Lebensgefühl ungenügend", sagte Mappus unserer Redaktion. Viele bürgerlich-konservativ denkende Menschen hätten keine politische Heimat mehr in der Union, beklagte Mappus im Interview.

 Stefan Mappus, CDU-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag.

Stefan Mappus, CDU-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag.

Foto: AP, AP

Die Wirtschaftskrise hat den Mittelstand erreicht. Hilft die Politik eigentlich nur den Großen?

Mappus Ich jedenfalls bin dagegen, dass man den Großen durch direkte Staatsbeteiligung hilft. Ein Einstieg des Staates bei Opel wäre genau das, was den Mittelstand deprimiert. Denn bei Tausenden von ihnen würde so etwas niemals passieren. Unternehmen des produzierenden Gewerbes sind anders als große Kreditinstitute garantiert nicht systemrelevant. Etwas anderes ist es, wenn der Staat eine zeitlich befristete Überbrückung der Probleme mit Bürgschaften vornimmt.

Was soll die Politik tun, um dem Mittelstand wieder das Gefühl der Wichtigkeit für die Gesellschaft zu geben?

Mappus Wir müssen generell mehr tun für den Mittelstand. Bessere Abschreibungsmöglichkeiten wären hilfreicher als jetzt schon fünf Milliarden Euro für eine Abwrackprämie, die einen reinen Strohfeuereffekt auslöst und im nächsten und übernächsten Jahr in den Autohäusern Katzenjammer auslösen wird. Die Abwrackprämie ist ordnungspolitisch der helle Wahnsinn.

Der unternehmerische Mittelstand ist das eine. Generell fühlen sich doch die bürgerliche Mittelschichten insgesamt vom Staat vernachlässigt, oder?

Mappus Die Menschen, die morgens regelmäßig aufstehen, zur Arbeit gehen, Steuern zahlen, ihre Kinder anständig zu erziehen versuchen — das sind die Menschen, die mit der Politik der letzten Jahre Probleme haben.

Eine schwerere Selbstkritik der CDU lässt sich kaum denken.

Mappus Die CDU muss sich wieder mehr um die Mittelschicht kümmern. Wir unterhalten uns regelmäßig über die Empfänger von Transferleistungen wie etwa Hartz IV, auch über die Behandlung von Spitzenverdienern, aber zu wenig über die Masse derjenigen, die für sich und ihre Familien sorgen, geringe oder mittlere Einkommen haben und kaum staatliche Leistungen in Anspruch nehmen. Diese Mittelschicht wurde in den letzten zehn bis 20 Jahren immer stärker belastet.

Was tun?

Mappus Die kalte Progression im Steuersystem muss unbedingt beseitigt werden, denn sie tut den Mittelschichten wahnsinnig weh. Beim Meister bei Daimler greift bereits der Spitzensteuersatz, er gilt im deutschen Steuerrecht als reich, was er natürlich nicht wirklich ist. Es darf nicht länger sein, dass sich jedes Jahr allein durch die Inflationsrate die Steuerprogression negativ für den Einzelnen auswirkt, weil der Staat allein durch die Teuerungsrate von Jahr zu Jahr mehr Steuern kassiert.

Kümmert sich die Politik auch jenseits des Materiellen nicht genug um das Lebensgefühl der Mittelschichten?

Mappus Es geht auch um politische Symbole. Bei der Familienpolitik haben wir uns sehr auf das Monetäre konzentriert, siehe Elterngeld. Da hatte man flugs die nötigen Milliarden parat. Als es aber um das Betreuungsgeld für diejenigen Eltern ging, die ihre Kleinkinder nicht in Obhut geben, da hat es allein ein Dreivierteljahr bis zu einer Entscheidung gedauert, die übrigens frühestens ab 2012 wirksam wird. Das ist nur eines von vielen Beispielen. Die CDU bedient das mittelständisch-konservative Lebensgefühl ungenügend. Nach allen Wahlanalysen sagen viele Bürgerlich-Konservative: Wir haben eigentlich keine politische Heimat mehr. Warum gibt es immer mehr Wähler, die sagen, die CDU vertrete nicht mehr ausreichend traditionelle Werte? Unser Wähleranteil an der Gesamtbevölkerung sinkt immer weiter. In den vergangenen Jahren ist die Akzeptanz der CDU bei bürgerlichen Wählern von Wahl zu Wahl geringer geworden. Das müssen wir wieder drehen.

Reinhold Michels führte das Interview.

(RP)
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