Kampf um Unionsfraktions-Vorsitz Ralph Brinkhaus probt die Revolution - auch ohne Seilschaft

Berlin · Ralph Brinkhaus wirbt in der Union für Stolz und Zuversicht – eines hat er schon erreicht: frischen Wind.

 Ralph Brinkhaus (Archiv).

Ralph Brinkhaus (Archiv).

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Jedes Haus in seinem Wahlkreis Gütersloh hat Ralph Brinkhaus genau vor Augen. Jeden Tag wieder. Der Bundestagsunionsfraktionsvize ist dort aufgewachsen, kennt hier fast jeden und weiß, was die Leute denken. Eine riesige Luftaufnahme des Landkreises auf Leinwand hängt in seinem Berliner Büro auf der fünften Etage des Abgeordnetengebäudes in der Hauptstadt. Bis zu seiner Heimatstadt Rheda-Wiedenbrück sind es 357 Kilometer Luftlinie, bis zum Chef-Zimmer von Volker Kauder sind es nicht einmal 357 Meter. Doch dazwischen liegen Welten.

Der 50-Jährige hat sich entschieden, bei der Wahl des Fraktionsvorsitzenden am 25. September gegen den 69-jährigen Kauder anzutreten. Das ist eine kleine Revolution, denn so etwas kennen die CDU- und CSU-Parlamentarier nicht – weder eine Kampfkandidatur um die Spitze noch deren Wechsel während der laufenden Legislaturperiode. Zumindest war 1973 nur Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) schon im Parlament, als Rainer Barzel ein Jahr nach der für die Union verlorenen Bundestagswahl als Fraktionschef zurücktrat. Insofern ist dieser normale demokratische Prozess mit einer Auswahl bei einer Wahl ungewöhnlich.

Dass er antreten würde, weiß Brinkhaus schon länger. Nur gesagt hatte er es niemandem. Wo normalerweise frühzeitig Seilschaften geknüpft werden, die vor allem Männer in der Politik zu bilden wissen, hing Brinkhaus erst einmal in der Luft. Er ging zuerst zu CDU-Chefin Angela Merkel, um sie um Unterstützung zu bitten, wohlwissend, dass sie zu ihrem langjährigen Vertrauten Kauder halten würde, dem sie so manches Ja der Fraktion zu heiklen Themen wie während der Eurokrise zu verdanken hat. Dann informierte er Kauder und danach seine möglichen Unterstützer.

Einige von ihnen reagierten zunächst konsterniert. Bei seiner Vorstellung im Fraktionsvorstand in der vorigen Woche regte sich keine Hand zum Beifall. Zu hölzern sei sein Auftritt gewesen, hieß es. Ganz anders bei der Sitzung der ganzen Fraktion am vorigen Montag. Da gelang ihm etwas, was auch Gegner anerkannten: frischer Wind.

Jedenfalls wurden seine Erfolgschancen anschließend nach oben geschraubt. War ihm zunächst in etwa ein Viertel der Stimmen zugetraut worden, äußerten sich Abgeordnete verschiedener Lager sehr viel skeptischer, ob Kauder die Wahl wirklich so klar gewinnen werde. Vor allem CSU-Abgeordnete, von denen viele der Kanzlerin gern eins für die Dauerfehde mit CSU-Chef Horst Seehofer auswischen würden, kamen süffisant schmunzelnd aus der Sitzung und betonten, Brinkhaus habe eine beeindruckende Rede gehalten.

Der Finanzexperte, der seit 2009 im Bundestag und seit 2014 Kauders Stellvertreter ist, sagt unserer Redaktion: „Jeder Abgeordnete, der neu in den Bundestag gewählt wird, geht stolz, zuversichtlich und mit viel Gestaltungswillen an die Arbeit. Im Alltag schleift sich natürlich einiges davon wieder ab.“ Er wünsche sich, dass die Fraktion in den nächsten drei Jahren wieder „mehr von der Zuversicht und dem Gestaltungswillen“ in die tägliche Arbeit zurückhole. Übersetzt heißt das wohl: Aufbruch jetzt.

Das „Megathema“ ist für ihn – wie auch für Merkel – der Zusammenhalt der Gesellschaft. „Wir müssen auch mit denen reden, die der CDU den Rücken gekehrt haben, und sie nach ihren Beweggründen fragen“, sagt er. Das sind auch – oder sogar vor allem – AfD-Wähler. Auch sie sollen der CDU wieder vertrauen. Sein Konzept dafür liegt aber deutlich näher an Merkel als an der AfD: „Wir brauchen Empathie für die Mitte der Gesellschaft.“

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