Buchvorstellung Aktionsplan gegen den Islamismus

Düsseldorf · Die Unionspolitiker Carsten Linnemann und Winfried Bausback wollen härter gegen den politischen Islam in Deutschland vorgehen. Das ist erfrischend, wenngleich nicht ganz klar ist, wie ernst das gemeint ist.

 Die Zentralmoschee des umstrittenen Islamverbands Ditib in Köln.

Die Zentralmoschee des umstrittenen Islamverbands Ditib in Köln.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Viele Autoren haben sich bereits mit dem politischen Islam beschäftigt. Aber dieses Herausgeberduo überrascht. Der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann, und der frühere bayerische Justizminister Winfried Bausback (CSU) haben einen Sammelband mit dem Titel „Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland“ herausgegeben. Linnemann und Bausback schreiben darin nicht ausschließlich selbst. Sie haben sich namhafte Islamkritiker und Politiker besorgt, die ihre Sicht auf die Dinge darlegen, darunter die Soziologin Necla Kelek, der Psychologe Ahmad Mansour oder auch Tübingens grüner Oberbürgermeister Boris Palmer. Tenor des Ganzen: Nun ja, der Buchtitel verrät es. Derartiges hat man in den vergangenen Jahren schon das eine oder andere Mal gelesen. Und höchstwahrscheinlich hat auch kaum jemand gegen solche Thesen etwas einzuwenden.

Der politische Islam, also eine islamisch-religiös legitimierte Gesellschafts- und Staatsordnung, hemmt hierzulande die Integration. Das führt zu Ausgrenzung. Feindschaften entstehen. Parallelgesellschaften. Das ist ein Problem, ja. Aber es ist auch ein sehr bekanntes Problem. Die Beiträge der einzelnen Autoren in Linnemanns und Bausbacks Buch haben nahezu alle ihre Berechtigung. Entscheidend ist aber stets die Frage: Was folgt daraus? Deshalb leitet Linnemann aus den Beiträgen einen Aktionsplan ab, in dem er beschreibt, was man tun könnte, um den politischen Islam in Deutschland in die Schranken zu weisen.

So fordert Linnemann beispielsweise, den „Kulturrabatt“ aufzuheben. Und zwar gerichtlich. „Der Mann, der seine Frau mit einem Messer verletzt, weil er meint, über sie diese Verfügungsgewalt zu haben, darf sich nicht auf traditionelle Familienbilder oder religiöse berufen dürfen“, schreibt Linnemann. Zudem sollten im Ausland geschlossene Mehrehen hierzulande aufgehoben werden. Gut möglich, dass sich Linnemann hierbei etwas verzettelt. So hat die Juristin Julia Kasselt bereits 2014 in einer Studie festgestellt, dass sogenannte Ehrenmorde von Gerichten härter bestraft werden als Tötungsdelikte aus Eifersucht. „Die Justiz gibt Ehrenmördern keinen kulturellen Rabatt“, war damals das Fazit der Wissenschaftlerin.

Und Mehrehen sind in Deutschland ohnehin verboten. Dies gilt aber nur für deutsche Staatsbürger. Doch einem Flüchtling vorzuschreiben, dass er die Ehe mit seiner zweiten Frau (oder seiner ersten? Wie würde man das bestimmen?) aufkündigen muss, wäre für die Behörden eine nicht einfach zu lösende Aufgabe. So sinnvoll sie auch ist. Schließlich sind die Ehen im jeweiligen Heimatland des Migranten rechtsgültig.

Fahrlässig agiert Linnemann, wenn er fordert, den Migrantenanteil in Schulklassen auf 35 Prozent zu begrenzen. Der Vorstoß beruht auf einer Äußerung des Philologenverbands aus dem Jahr 2017. Im vergangenen Schuljahr hatten 35,3 Prozent der Schüler an den allgemeinbildenden und beruflichen Schulen in NRW eine Zuwanderungsgeschichte. An den Hauptschulen waren es 53,5 Prozent, an den Gymnasien 27,9 und an den Grundschulen 42,9 Prozent. Linnemann schreibt von „Anreizsystemen“, die helfen könnten. Was genau er damit meint, ist unklar. Gibt es Belohnungen für wohlhabende Eltern, die ihre Kinder in eine Schule in Duisburg statt in eine in Düsseldorf stecken?

Viel wichtiger wäre es, dafür zu sorgen, dass alle Kinder – egal welcher Herkunft – ein ihrem Alter angemessenes Deutsch sprechen, wenn sie eingeschult werden. Die Grundsteinlegung dafür beginnt nicht erst in der Schule, sondern in den Kitas, der Vorschule und noch vielmehr natürlich zu Hause. Dieses Problem deutet Linnemann richtig. Er schreibt: „Die frühkindliche Sprachförderung muss für diese Kinder (jene, die nicht gut Deutsch sprechen, Anm. d. Red.) verpflichtend gemacht und auch staatlich durchgesetzt werden.“

Bei anderen Themen vertritt Linnemann eher eine Meinung, die auch Konsens ist. Etwa bei der Finanzierung von Moscheegemeinden. Diese dürfe nicht aus dem Ausland erfolgen. So wie es beim größten Islamverband Ditib der Fall ist. Deren Imame werden aus Ankara geschickt und bezahlt. Hier eine klare, bundesweite Vorgehensweise zu finden, ist erstrebenswert. Linnemann plädiert für ein Zentralregister, in dem alle islamischen Vereinigungen aufgelistet werden und auch ihre Geldströme offenlegen müssen. Wer sich widersetze, müsse mit „Sanktionsschritten beginnend mit einer Bußgelderhebung bis zur Schließung der Stätte“ rechnen, schreibt Linnemann.

Als Schablone für die Gedanken des Unionspolitikers könnte das Islamgesetz aus Österreich dienen. Dort sind ausländische Finanzströme aus dem Ausland für islamische Verbände verboten, ebenso die Entsendung der Imame.

Linnemann geht es in seinem Buch um Maßnahmen. Viele Politiker und Islamwissenschaftler haben in den vergangenen Jahren „Wir müssen“-Sätze von sich gegeben. Linnemann benutzt nun ihre Namen und Texte, um daraus eigene Handlungsempfehlungen an die Regierung abzuleiten. Wie viel davon ernst gemeint ist oder nur der Profilschärfung der Union dienen soll, wird sich zeigen müssen. Auch inwiefern die Punkte mit dem strauchelnden Koalitionspartner, der SPD, umsetzbar sind, bleibt unbehandelt.

In einem Interview mit dem „Spiegel“ sagte Linnemann, das müsse auch im Koalitionsausschuss besprochen werden. „Wir müssen da jetzt Druck machen und können nicht aus Rücksicht auf die Sozialdemokraten Probleme ignorieren.“ Derlei Tatendrang ist bei dem Thema erfrischend. Wie solche Aussagen aber bei der SPD ankommen, kann man sich denken. Im Herbst will die Partei die bisherige Zusammenarbeit mit der Union bewerten.

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