Ärger um Strafen für Raser Länder sollen wieder alten Bußgeldkatalog anwenden

Berlin · Der Wirbel um neue Regeln bei zu schnellem Fahren geht weiter. Grund sind rechtliche Unsicherheiten. Nach Beratungen zwischen Bund und Ländern gibt es aber vorerst keine einheitliche Linie.

 Ein Blitzer in Düsseldorf (Archiv).

Ein Blitzer in Düsseldorf (Archiv).

Foto: Bretz, Andreas (abr)

Noch keine Klarheit für Autofahrer: Bund und Länder haben sich trotz rechtlicher Unsicherheiten bei neuen und schärferen Regeln über Fahrverbote bei zu schnellem Fahren vorerst auf keine einheitliche Linie geeinigt. Der Bund forderte die Länder auf, ab sofort den alten Bußgeldkatalog wieder anzuwenden, wie das Bundesverkehrsministerium am Donnerstag nach Beratungen mit den Ländern auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Offensichtlich aber sind weitere Beratungen über eine einheitliche Linie nötig - darüber ob die neuen Regeln bundesweit vorerst ausgesetzt werden und wie es danach weitergeht.

Hintergrund sind rechtliche Unsicherheiten, vor allem über eine Regelung: Demnach droht nun ein Monat Führerscheinentzug, wenn man innerorts 21 Kilometer pro Stunde zu schnell fährt oder außerorts 26 km/h zu schnell - zuvor galt dies bei Geschwindigkeitsüberschreitungen von 31 km/h im Ort und 41 km/h außerhalb.

Das Saarland hatte erklärt, die neuen Fahrverbots-Regeln vorerst auszusetzen. Das Bundesverkehrsministerium habe in einer Telefonschalte am Vormittag den Landesverkehrsministerien mitgeteilt dass die in der neuen Straßenverkehrsordnung vorgesehenen Fahrverbote wahrscheinlich nichtig sind - wegen eines „fehlenden Verweises auf die notwendige Rechtsgrundlage“.

Das Bundesverkehrsministerium teilte mit, für die bislang geahndeten Fälle nach den neuen Regeln werde an einer bundeseinheitlichen Lösung gearbeitet. Es sollten schnellstens ein neuer ausgewogener Vorschlag und ein faires Angebot an die Länder für Verkehrssicherheit, aber auch Verhältnismäßigkeit gemacht werden. Der Bund begrüße die schnelle Umsetzung des Saarlands, das derzeit den Vorsitz der Länderverkehrsminister-Konferenz hat

Die umstrittenen neuen Regeln gelten erst seit Ende April, im Zuge einer umfassenden Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO). Im Kern ging es dabei eigentlich um mehr Schutz und attraktivere Bedingungen für Fahrradfahrer.

Wie aus einem Schreiben von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) an die Länder von Mittwoch hervorging, ist in der Eingangsformel der Verordnung die Rechtsgrundlage für die neuen Fahrverbote nicht genannt, diese seien daher nichtig. Konkret geht es um Änderungen der Bußgeldkatalog-Verordnung, darin sind auch die Änderungen zum Führerscheinentzug für Raser. Übrige Vorschriften seien aber wirksam.

Scheuer hatte schon Mitte Mai signalisiert, die „unverhältnismäßige“ Regelung zu den Fahrverboten wieder kippen zu wollen. Damals aber war von formalen Gründen nicht die Rede. Grund waren auch Proteste vieler Autofahrer.

Laut Saar-Ministerium will Scheuer mit den Länderkollegen über eine Neufassung der gesetzlichen Regelung verhandeln: „Bis dahin wird das saarländische Verkehrsministerium die Bußgeldbehörden anweisen, Verfahren nach dem alten Stand abzuwickeln“, sagte ein Sprecher.

Thüringens Infrastrukturminister Benjamin-Immanuel Hoff sagte, Scheuers Agieren in der Sache sei „mehr als irritierend“. Der Linken-Politiker erklärte: „Es gibt keinen Grund, diese Regelungen nun zugunsten von Rasern zurückzunehmen. Bürgerinnen und Bürger können erwarten, dass rechtliche Regelungen Bestand haben.“

Bereits in einem früheren Schreiben an seine Länderkollegen hatte Scheuer von rechtlichen Risiken gesprochen. Um Änderungen umzusetzen, kündigte er darin auch eine weitere Verordnung an. Und dafür erwarte er Unterstützung der Länder, betonte Scheuer: „Ich bitte Sie inständig, an der Wiederherstellung eines systemkonformen Zustandes mitzuwirken“, heißt es in dem Brief, der auch der dpa vorlag.

Die Änderungen des Bundesrats hätten zu „erheblichen Ungereimtheiten im Sanktionsgefüge“ des Bußgeldkatalogs geführt, argumentiert der Minister. Sollte dies nicht zeitnah korrigiert werden, drohten Verfahren gegen Bußgeldbescheide und möglicherweise eine erhebliche Zahl nicht vollstreckbarer Bescheide. „Dies kann keinesfalls hingenommen werden.“ Erste Rückmeldungen aus den Ländern zu einer Reform der Reform waren im Frühjahr eher reserviert ausgefallen.

Bedenken wegen formaler Fragen hatte auch der Autofahrerclub ADAC geäußert. Offensichtlich sei in der StVO-Novelle das sogenannte Zitiergebot des Grundgesetzes verletzt worden. Verkehrsrechtlerin Daniela Mielchen, Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins, erläuterte: Bei Erlass einer Verordnung müsse angegeben werden, auf welcher Rechtsgrundlage der Verordnungsgeber gehandelt hat. Dies sei aber unzureichend geschehen: „Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit scheint es jedoch geboten, die gesamte Verordnung als nichtig anzusehen.“

Nach ADAC-Auffassung führt das unvollständige Zitieren der Ermächtigungsgrundlage dazu, dass zumindest die neuen Fahrverbote nicht wirksam sind.

(hebu/dpa)
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