Verfassungsurteil Richter halten an Streikverbot für Lehrer fest

Berlin/Karlsruhe · Das Bundesverfassungsgericht hat Klagen von beamteten Lehrern zurückgewiesen, die das Streikverbot kippen wollten. Gewerkschaften und Linke sehen Widersprüche zu einem Urteil des Gerichtshofs für Menschenrechte. Staatliche Vertreter begrüßten hingegen die Entscheidung.

 Streiken bleibt für Beamte verboten (Symbolbild).

Streiken bleibt für Beamte verboten (Symbolbild).

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Lehrer, die verbeamtet sind, dürfen auch künftig nicht an Streiks teilnehmen. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden und damit das Streikverbot für Beamte generell bestätigt (Az. 2 BvR 1738/12 u.a.). Das Urteil hat weitreichende Wirkungen. Von den 940.000 Beschäftigten an deutschen Schulen sind zwei Drittel Beamte.

Wer trat gegen wen in Karlsruhe an? Vier beamtete Lehrer aus drei Bundesländern, darunter Monika Dahl aus Niederkassel bei Bonn, hatten Verfassungsbeschwerde eingereicht. Sie gingen damit gegen disziplinarische Strafen vor, die ihnen wegen der Teilnahme an Streiks teils vor etlichen Jahren auferlegt wurden. Dahl beispielsweise solidarisierte sich 2009 mit angestellten Lehrkräften aus ihrer Schule, die damals die Arbeit niederlegten. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde legten sie nun die Axt an das Streikverbot, das für alle Beamten gilt. Ihnen gegenüber saßen Vertreter von Bund und Ländern, die die geltenden Regeln verteidigten, in denen das Streikverbot geregelt ist.

Wie argumentierten die Lehrer gegen das Streikverbot? Die Kläger verweisen darauf, dass das Streikverbot zumindest für Lehrer zu strikt sei, weil diese anders als andere Beamte keine hoheitlichen Aufgaben ausübten. Dieses Argument wiesen die Richter zurück. Würde man „Randbereichsbeamten“ mit Streikrecht einführen, würde man „das klare Konzept eines zweigeteilten öffentlichen Dienstrechts in Deutschland“, das zwischen Angestellten und Beamten unterscheidet, durchbrechen, so der Vorsitzende des Zweiten Senats, Andreas Voßkuhle. Mit anderen Worten: Beamten erster und zweiter Klasse kann es sinnvollerweise nicht geben.

Wie begründeten die Richter ihr Urteil? Die Richter räumen ein, dass die Koalitionsfreiheit, also das Recht, einer Gewerkschaft beizutreten, ein Grundrecht sei. Das Recht haben die Beamten auch weiterhin, betonen die Richter. Doch dieses Grundrecht fände seine Schranken in anderen Grundrechten und dazu gehörten die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, die sich aus Artikel 33 ableiten lassen. Und danach gilt: Der Beamte genießt einerseits Privilegien wie die lebenslange Alimentation, im Gegenzug hat er aber auch eine besondere Treuepflicht gegenüber dem Staat. Soll heißen: Pflichten aufgeben und Rechte behalten, das geht eben nicht.

Was wären die Folgen eines Streikrechts für Beamte? Würde man Beamten das Streiken erlauben, würde dies eine „Kettenreaktion“ auslösen, die fundamentale Grundsätze in Mitleidenschaft zöge, warnte Voßkuhle. Die beamtenrechtlicher Prinzipien ließen sich kaum noch rechtfertigen, wenn Beamte ihre Beschäftigungsbedingungen gegebenenfalls durch Arbeitskämpfe erzwingen könnten. Kurzum: Wer Streiks erlaubt, legt letztlich die Axt ans Berufsbeamtentum. Das weiß auch der Deutsche Beamtenbund. „Die Verfassung garantiert ganz bewusst einen streikfreien Raum, in dem eine ständige staatliche Aufgabenerledigung sichergestellt wird“, sagte Beamtenbunds-Chef Ulrich Silberbach.

Hat das Urteil Bestand? Nein, erwartet die Bundestagsfraktion der Linken. „Das Urteil ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht nachvollziehbar", sagte Pascal Meiser, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion, unserer Redaktion. Dieser habe bereits vor zehn Jahren ein pauschales Streikverbot für Beamte eindeutig verneint. „Ich bin mir sicher, dass in dieser Sache das letzte Urteil noch nicht gefallen ist", sagte Meiser. Das generelle Streikverbot bleibe ein Relikt aus der Kaiserzeit. „Wenn Beamte weiterhin vom Streikrecht ausgeschlossen werden, ist dies ein eklatanter Verstoß gegen die Grundrechte dieser Berufsgruppe, denn viele Beamte sind fernab von hoheitlichen Aufgaben tätig", so Meiser. In einigen Bereichen würden sie sogar gezielt als Streikbrecher missbraucht. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) kündigte an, das Urteil genau prüfen zu wollen. Möglich ist noch eine Beschwerde beim Menschengerichtshof in Straßburg. Dort hatten die Richter zuletzt in zwei Fällen aus der Türkei geurteilt, dass Beamte streiken dürfen, solange sie keine hoheitlichen Aufgaben bei den Streitkräften, der Polizei oder in der Staatsverwaltung wahrnehmen.

Was sagt Nordrhein-Westfalen? Innenminister Herbert Reul (CDU) begrüßte das Urteil. „Unsere Beamten sind einer der tragenden Pfeiler unserer Demokratie, auf die sich die Bürger jederzeit verlassen können müssen“, sagte er. So könne man auch in Krisenzeiten sicherstellen, dass der Staat handlungsfähig sei.

Was müssen streikende Beamten fürchten? Disziplinarische Maßnahmen. Hessen etwa nimmt nun Disziplinarverfahren gegen Tausende Lehrer wieder auf, die einst für mehr Geld und kürzere Arbeitszeiten auf die Straße gegangen waren, obwohl sie dies nicht durften. Das kündigte nach dem Karlsruher Urteil das Kultusministerium in Wiesbaden an. In 50 Disziplinarverfahren habe es bereits Verweise gegeben, die sich auf die Beförderungen auswirken können.

(an/jd)
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