Präsident des Bundesverfassungsgerichts Stephan Harbarth ist der neue fünfte Mann im Staat

Karlsruhe · Stephan Harbarth tritt als neuer Präsident des Bundesverfassungsgerichts an – in stürmischen Zeiten. Früher war er Fraktionsvize der Union im Bundestag. Es ist anzunehmen, dass es wegen seiner Vergangenheit noch Diskussionen geben wird.

 Stephan Harbarth, 48, ist seit Ende 2018 Richter in Karlsruhe.

Stephan Harbarth, 48, ist seit Ende 2018 Richter in Karlsruhe.

Foto: dpa/Uli Deck

Als Barack Obama 2016 eine seiner letzten Reden als Präsident hielt, beendete er sie mit den Worten „Obama out“. Dann ließ er das Mikrofon fallen, vollzog also den „Mic Drop“, den Eddy Murphy in den 80er Jahren schon einmal berühmt machte. „Ich bin fertig, seht wie ihr damit klarkommt“, könnte diese Geste heißen. Mutmaßlich erstmals war jetzt eine solche Szene beim ehrwürdigen Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu beobachten. Allerdings eher symbolisch.

In diesem Sinne war es Andreas Voßkuhle, der vergangene Woche das Mikrofon fallen ließ. Mit seinem letzten Auftritt als Präsident des Bundesverfassungsgerichts attackierte er den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Voßkuhles Senat erklärte im EZB-Verfahren ein Urteil des EuGH für hinfällig. Er löste damit ein Beben in der Rechtsgemeinschaft EU aus. Aber nun muss ein anderer sehen, wie er damit klarkommt: Stephan Harbarth.

Der Bundesrat hat den 48-Jährigen am Freitag zu Voßkuhles Nachfolger gewählt. Harbarth ist nun Präsident des Bundesverfassungsgerichts – und protokollarisch fünfter Mann im Staat. Seit Ende 2018 ist er bereits Richter und Vorsitzender des Ersten Senats, der für Grundrechte zuständig ist. Zudem war er Vizepräsident des Gerichts. Bis auf den Präsidenten stehen die einzelnen Richter nur selten in der Öffentlichkeit; Harbarth wird nun häufiger in Erscheinung treten.

Mit der Öffentlichkeit hat Harbarth indes kein Problem. Er war bis zu seinem Gang nach Karlsruhe stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag. Es ist anzunehmen, dass der Umstand, dass ein ehemaliger CDU-Politiker an der Spitze des Bundesverfassungsgerichts steht, noch für Diskussionen sorgen wird. Debattiert wurde bereits Harbarths Aktivität als Rechtsanwalt in der Heidelberger Sozietät Schilling, Zutt und Anschütz. Die Kanzlei hat Konzerne wie die Deutsche Bank, VW und Bilfinger beraten. Manche zweifelten deshalb, ob der Verfassungsrichter Harbarth etwa in einem Dieselverfahren ganz unabhängig entscheiden würde.

Stephan Harbarth ist erst der zehnte Präsident, allerdings bereits der neunte Mann. Nur eine Frau, nämlich Jutta Limbach, stand an der Spitze des wichtigsten deutschen Gerichts. Spekuliert wird aber, dass mit Doris König, Richterin im Zweiten Senat, eine Frau Vizepräsidentin werden könnte. Zur neuen Richterin in Voßkuhles altem Senat ist am Freitag ebenfalls vom Bundesrat die Frankfurter Professorin Astrid Wallrabenstein gewählt worden – auf Vorschlag der Grünen. Damit ist aber immer noch eine Richterstelle unbesetzt. Die SPD konnte sich bislang nicht auf einen Kandidaten verständigen. Die ostdeutschen Länder wollen Jes Möller nach Karlsruhe schicken, um eine ostdeutsche Stimme im Gericht zu haben.

Es bleibt abzuwarten, was Stephan Harbarth mit dem Mikrofon anstellt, das er aufhebt. Gerade ist es etwas unruhig; Harbarth muss sich als Moderator beweisen. Der „SZ“ sagte er kürzlich, die Hauptaufgabe sei „die Verteidigung des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaats“. Stephan Harbarth hat bestenfalls gut zehn Jahre dafür Zeit.

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