Petersberger Klimadialog Umweltministerin Schulze mahnt mehr Maßnahmen für Klimaschutz an

Berlin · Die globalen Treibhausgas-Emissionen nehmen weiter zu, die Erde erwärmt sich viel zu stark. Bürgerproteste machen den Regierungen Druck, endlich Gegenmaßnahmen zu finden. Doch der Wille dazu hat Grenzen.

 Umweltministerin Schulze (SPD) beim Petersberger Klimadialog am Montag.

Umweltministerin Schulze (SPD) beim Petersberger Klimadialog am Montag.

Foto: dpa/Tobias Schwarz

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist nicht sonderlich beliebt im Kabinett. Sie ist die Einpeitscherin. Sie hält den Druck aufrecht auf ihre Kolleginnen und Kollegen, damit die in ihren Zuständigkeitsbereichen wirksame Maßnahmen für weniger CO2-Ausstoß ergreifen. Vergnügungssteuerpflichtig ist das nicht. Zumal Schulze qua Amt nicht hart durchgreifen kann. Also nutzt sie jede Chance, die sich ihr bietet, um für mehr Ambitionen beim Klimaschutz zu werben.

So auch bei der Eröffnung des zehnten Petersberger Klimadialogs an diesem Montag in Berlin. 35 Staaten, die zu den größten Produzenten von Treibhausgasen zählen, haben ihre Delegationen geschickt, um die Weltklimakonferenz im Dezember in Chile vorzubereiten. Schulze findet deutliche Worte: Die Erde steuere auf eine Erwärmung um drei Grad Celsius zu, „zur Zeit steigen die Emissionen immer noch an“, warnte die Ministerin. Es werde Zeit, das Versprechen von Paris endlich einzulösen. Dort war 2015 beschlossen worden, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad beschränken zu wollen. Seitdem ringen die Staaten um Maßnahmen, wie das geschafft werden kann – auch wenn die USA als einer der größten Emittenten weltweit schon nicht mehr mitmachen.

Schon fast trotzig sagt Schulze am Montag: „Die Weltgemeinschaft sei „noch längst nicht auf Kurs“. Auch die EU werde darüber nachdenken müssen, wie sie ihren Beitrag nachbessern könne. Demonstrativ stellt sich Schulze hinter eine Initiative von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der gemeinsam mit sieben weiteren EU-Regierungschefs dafür plädiert hatte, dass Europa im Jahr 2050 komplett klimaneutral sein solle – also nur soviel CO2 ausstoßen dürfe, wie beispielsweise Bäume und Moore absorbieren können. „Ich fände es sehr sinnvoll, an der Seite Frankreichs dazustehen“, sagt Schulze dazu.

Ihr Parteifreund, Außenminister Heiko Maas, hatte sich auch dazu bekannt. Die Bundeskanzlerin, die an diesem Dienstag beim Klimadialog sprechen wird, war zuvor hingegen auf Distanz gegangen. Angela Merkel (CDU) begrüßte zwar das Ziel, schloss sich der Initiative aber mit Verweis auf den Koalitionsvertrag nicht an. Dort ist geregelt, im Einklang mit den EU-Klimazielen, den Treibhausgas-Ausstoß bis 2050 um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken.

Doch schon die Ziele für 2030 werden nur unter enormen Kraftanstrengungen zu erreichen sein, und die Marke für 2020 wird Deutschland reißen. Das ist jetzt schon klar. Schulze bläst ihren Koalitionspartnern von der Union daher an diesem Montag einmal mehr den bereits bekannten Marsch: Schon Ende Mai  müssten alle Maßnahmen, Förderprogramme und notwendigen Gesetze auf den Tisch, um ein „starkes Klimaschutzgesetz“ verabschieden zu können. Dann tagt das sogenannte Klimakabinett erneut, in dem alle für den Klimaschutz relevanten Ressorts versammelt sind. Es war eingerichtet worden, um die nationalen Ziele zu koordnieren, nachdem Schulze mit einem eigenen Gesetzentwurf vorgeprescht war – und damit die Union in Rage versetzt hatte.

Doch auch der gesellschaftliche Druck steigt. Umfragen zufolge halten die Deutschen den Umweltschutz für die größte Herausforderung der EU, Klimaschutz ist zu einem Topthema bei der anstehenden Europawahl geworden. Wer darauf keine Antworten geben kann – und sei es gar das Leugnen des Klimawandels für einige Wähler am rechten Rand – darf nur auf wenig Unterstützung hoffen. Die Grünen sind besonders lange beim Umweltschutz im Geschäft, sie erfahren derzeit besonders viel Zulauf.

Parteivorsitzende Annalena Baerbock sieht jetzt die deutsche Regierungschefin in der Pflicht. „Bundeskanzlerin Merkel muss sich an diesem Dienstag klar und deutlich der Initiative der acht EU-Länder anschließen, die ein klimaneutrales Europa bis 2050 anstreben“, so Baerbock. „Die Zeiten, wo andere Staaten zum Petersberger Klimadialog gereist sind mit der Erwartung, dass Deutschland Ideen für den Klimaschutz präsentiert, sind leider vorbei.“ Jetzt laufen man anderen Ländern hinterher. Die Bundesregierung müsse endlich ein Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen, mit klaren Vorgaben für einen Kohleausstieg und eine Bepreisung für CO2.

Auch Ministerin Schulze plädiert – anders als die Union – für eine CO2-Abgabe und verweist auf das Schweizer Modell, bei dem Bürger direkt Geld zurück überwiesen bekommen. Unterm Strich profitieren Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen sowie Familien.

Der Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, arbeitet dazu gerade an einer Empfehlung für die Regierung und dringt zur Eile. „Die Zahlen sagen: Wir müssen ab sofort alle zehn Jahre unseren CO2-Ausstoß halbieren. Dann können wir bis zur Mitte des Jahrhunderts unter dem Strich Null Emissionen erreichen.“ Ein konkreter Schritt dazu in Deutschland könne die Einführung einer gerechten wirkungsvollen CO2-Bepreisung sein, kombiniert mit fairem Sozialausgleich. Edenhofer ist auch wegen aktueller Umfragen optimistisch: „Laut ,Deutschlandtrend’ sind schon ein Drittel der Deutschen für eine solche CO2-Steuer.“

Für die Einführung einer neuen Abgabe sei das ist eigentlich überraschend viel – und das obwohl die Politik noch gar nicht hinreichend erklärt habe, dass sie die Einnahmen an die Menschen zurück geben werde, durch Senken der Stromsteuer und Gutschriften für Familien. „Jetzt muss die Politik den Ball aufnehmen, in Berlin, in Brüssel und weltweit“, so Edenhofer. „Denn wenn wir weitermachen wie bisher, wird es erst richtig teuer: Dann drohen uns schwindelerregende Kosten für Klimaschäden, statt dem planbaren Beitrag einer CO2-Steuer.“

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