Debakel auch für Berliner-SPD Wowereit will schnelle Öffnung für Linkspartei

Berlin (RPO). Berlins Regierender Oberbürgermeister Klaus Wowereit gehört zu den größten Verlierern im SPD-Debakel. Die Hauptstadt-Partei verlor noch stärker als die Genossen im Bund. Jetzt geht der Chef einer rot-roten Regierung in die Offensive. Wowereit fordert eine Öffnung der SPD für die Linkspartei im Bund. Die Zeit der Tabus müsse überwunden werden. Wowereits eigene Zukunft scheint indes offen.

 Klaus Wowereit war die Enttäuschung deutlich anzumerken.

Klaus Wowereit war die Enttäuschung deutlich anzumerken.

Foto: AP, AP

Wowereit rief seine Partei zu einer Neupositionierung im Umgang auf. "Für die SPD ist angesagt, dass wir jetzt nicht die Tabuisierung weitermachen", erklärte er vor der Sitzung des SPD-Präsidiums in Berlin. Zwar bedeute dies nicht, dass automatisch eine Zusammenarbeit zwischen SPD und Linken im Bund möglich sei, weil dies auch von den Positionen der Linken abhänge, "aber das Tabu muss weg, das macht keinen Sinn mehr", verlangte der SPD-Politiker.

Der Einbruch der SPD ist nicht überraschend. Bis zuletzt kam sie aus ihrem Umfragetief nicht heraus und fiel bei den sogenannten Sonntagsfragen zur Bundestags- und Abgeordnetenhauswahl in den vergangenen Monaten sogar hinter die CDU zurück. Schon bei der Europawahl wurden die Sozialdemokraten in Berlin nur drittstärkste Partei nach Union und Grünen.

Die Ursache für das Desaster der SPD liegt nicht allein am schwachen Bundestrend, wie in der Partei häufig behauptet wurde. Denn in den vergangenen Jahren haben die hauptstädtischen Sozialdemokraten unter gleichen Bedingungen meist deutlich besser abgeschnitten als die Bundespartei. Vielmehr dürfte da auch die Unzufriedenheit mit der Arbeit der Regierungspartei auf Landesebene durchschlagen, die selbst in den Reihen der SPD-Sympathisanten zunahm. Rot-Rot hat schon seit Monaten laut Umfragen keine parlamentarische Mehrheit mehr.

Umstritten waren in der Stadt unter anderem die Schulstrukturreform, darunter insbesondere das Losverfahren für den Zugang zu den Gymnasien und die Zögerlichkeit des rot-roten Senats bei der Öffnung und Entwicklung des Flughafen-Geländes in Tempelhof. Bei den Gewerkschaften kam die Haltung der Koalition nicht gut an, den Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes in den laufenden Tarifverhandlungen einen ordentlichen Gehaltszuwachs strikt zu verweigern.

Sogar Abschaffung der Kitagebühren ist umstritten

Innerhalb der Koalition stritt man über die von der SPD geforderte vollständige Abschaffung der Kitagebühren, die Wowereit im Abgeordnetenhauswahlkampf 2006 versprochen hatte. Die Linke wollte das Geld lieber in eine bessere Qualität der Betreuung, darunter mehr Personal, stecken, konnte sich aber nicht durchsetzen. Zugleich wurde der von Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) vorgelegte Entwurf für ein Klimaschutzgesetz aus den Reihen der Sozialdemokraten öffentlich kritisiert, weil dessen Umsetzung zu Belastungen für die Mieter führen würde.

Auch in der SPD selbst gab es teils heftige Auseinandersetzungen. Zu den Streitpunkten gehörte zum Beispiel die Verlängerung der Autobahn A 100 von Neukölln nach Treptow. Für Ärger sorgte dabei, dass sich die sozialdemokratischen Senatoren nicht an einen Parteitagsbeschluss gebunden fühlten, der auf Antrag des Kreisverbandes Friedrichshain-Kreuzberg im Mai mit knapper Mehrheit gegen das Projekt votiert hatte.

Was wird aus Wowereit?

Ungeteilte Zustimmung fand in der SPD ebenfalls nicht der geplante Bau einer Kunsthalle am Humboldthafen, eines der Lieblingsprojekte Wowereits. Und der Opposition von CDU, Grünen und FDP ist es offenbar gelungen, selbst das Chaos bei der Berliner S-Bahn der Regierung anzulasten, obwohl sie auf das Unternehmen nur unwesentlich Einfluss hat.

Die rot-rote Koalition muss sich jetzt etwas einfallen lassen, wie sie wieder an Vertrauen und politischem Gewicht in der Stadt gewinnen kann. Denn bereits im Herbst 2011 wird in Berlin ein neues Abgeordnetenhaus gewählt. Und die Opposition hat sich bei der Bundestagswahl zumindest den Schwung für eine mögliche Übernahme von Regierungsverantwortung geholt.

Nach den dramatischen Verlusten der SPD steht auch die politische Zukunft Wowereits in den Sternen. Dem 55-Jährigen, der zum linken Flügel der Sozialdemokraten gezählt wird, werden seit langem Ambitionen auf ein Spitzenamt in der Bundespartei nachgesagt. Manche sahen in ihm schon für 2013 den Kanzlerkandidaten der SPD, der dann ein rot-rot-grünes Bündnis schmieden und seiner Partei damit eine neue Machtoption eröffnen könnte. Ob solche Visionen jetzt noch eine reale Basis haben, ist derzeit völlig offen.

(DDP/csi)
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