Bundeskanzlerin Angela Merkel "Wir haben etwas Tolles geschafft"

Berlin (RPO). Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) war die Erleichterung ins Gesicht geschrieben. Nach schwierigen Monaten mit steter Kritik an ihrem Wahlkampfstil, einem enttäuschenden TV-Duell und sinkenden Prognosen hat die Kanzlerin ihr wichtigstes Wahlzeil erreicht: eine schwarz-gelbe Koalition. Der Wähler sah eine gelöste Kanzlerin, die zwischen den Zeilen sogar Mitgefühl für die abgestrafte SPD durchblicken ließ.

 Zwei Sieger, ein Verlierer: Gespräch nach der Elefantenrunde.

Zwei Sieger, ein Verlierer: Gespräch nach der Elefantenrunde.

Foto: ddp, ddp

Um 19.04 Uhr trat Merkel vor die Kamera. Die Stunden zuvor hatte die CDU-Chefin mit ihren engsten Vertrauten verbracht. Bildungsministerin Annette Schavan und Generalsekretär Ronald Pofalla verbrachten die bangen Minuten bis zur ersten Prognose mit der Kanzlerin.

Kurze Zeit später schickte die Union NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ins Rennen, um erste Statements für die Journalisten abzugeben. Vom ursprünglichen Wahl "40 plus x" ist die Partei meilenweit entfernt. Aber es sind die dramatischen Verluste der anderen Seite, die die Union letztlich zum Wahlsieger machen.

Merkel: "Ich bin glücklich"

Die Kanzlerin ist gelöst. "Ich sage das selten. Aber heute muss ich es sagen: Ich bin glücklich", bekennt sie in ihrer ersten Stellungnahme. "Wir haben etwas Tolles geschafft", ruft sie ins Mikrofon. Man wolle jetzt schnell Nägel mit Köpfen machen und eine Regierung mit der FDP bilden. "Ich glaube, dass wir heute Abend ausgelassen feiern können", befindet die Kanzlerin und wünscht ihren Anhängern eine "schöne Party". Die Anhänger rufen begeistert "Angie, Angie!"

Wenige Minuten später äußert sich Merkel in einem Interview bei "Phoenix" und tut etwas, was sie im Wahlkampf stets vermied. Sie nimmt direkt Stellung zum Wahlkampf ihres Widersachers Frank-Walter Steinmeier. Es habe sie gewundert, dass sich die Genossen nicht zu ihren Erfolgen in der Großen Koalition bekannt hätten. Dies sei wohl ein Fehler gewesen.

Es ist Merkels erste direkte Äußerung zum Wahlkampf des politischen Gegners. Es erscheint übertrieben, Merkel in dieser Situation Mitleid für ihren bald ehemaligen Koalitionspartner attestieren zu wollen. Mitgefühl für die arg gebeutelten Genossen, mit denen sie vier Jahre lang regierte, dürfte indes dabei gewesen.

Westerwelle blickt betreten zu Boden

Merkel weiß: Auch ihr eigener Wahlkampfstil bleibt auch nach dem Erfolg in der eigenen Partei umstritten. Die CDU setzte komplett auf die Beliebtheit der Kanzlerin und ihren Amtsbonus. Ihrem Stil blieben Merkel und ihre Getreuen selbst dann noch treu, als die Unzufriedenheit aus der Union unüberhörbar wurde.

Auch Merkels Auftritt beim TV-Duell war insbesondere in der CSU als wenig kämpferisch kritisiert worden. Hätte es am Abend doch nicht gereicht, wären Merkels Tage als CDU-Chefin wohl gezählt gewesen.

Auch in der "Berliner Runde" des ZDF zeigte sich die Kanzlerin erleichtert und zufrieden. In der sogenannten Elefantenrunde versuchte sich ein gefasster Steinmeier erstmals in seiner angestrebten Rolle als Oppositionsführer. Sowohl Merkel als auch FDP-Chef Guido Westerwelle verzichteten weitgehend auf Häme und Attacken auf die SPD.

Nach der Übertragung unterhielten sich Merkel, Steinmeier und Merkel mehrere Augenblicke in den Kulissen. Es scheint, als sprechen die Wahlsieger dem Verlierer vorsichtig Mut zu. Dass vor ihnen ein Mann steht, der das schlechteste Ergebnis in der SPD-Geschichte einfuhr, scheint zumindest für den Moment Spuren zu hinterlassen. Merkel spricht mit ihrem Vizekanzler, Westerwelle blickt für einen Moment betreten zu Boden.

Vieraugen-Treffen mit Westerwelle

Am Tag nach der Wahl beginnt indes die Arbeit. Die Gratulationen von US-Präsident Barack Obama und den europäischen Nachbarn von Nicolas Sarkozy bis Silvio Berlusconi wurden dankend beantwortet. Für Union und FDP gibt es viel zu tun. Schon am Montag dürfte für die Kanzlerin der Blick in die Zukunft geben.

Heute wollen sich Merkel und Westerwelle unter vier Augen treffen. Dabei soll ein Fahrplan für die kommenden Wochen festgelegt werden. Die Koalitionsverhandlungen sollen rasch geführt werden und bis zum 27. Oktober abgeschlossen sein. Merkel dürfte alle Hände voll zu tun haben, die neu erstarkte FDP mit ihren Forderungen im Zaum zu halten.

Vielleicht dachte die Kanzlerin bei ihrem Gespräch mit Steinmeier auch daran. Denn die Große Koalition dürfte für die Kanzlerin gemütlicher gewesen sein als es nun Schwarz-Gelb wird. Vielleicht kommt schon bald zum Mitgefühl eine neue Regung, zumindest zeitweise: Wehmut.

(csi)
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