Herausforderungen der neuen Bundesregierung Was bis 2013 zu tun ist

Berlin (RP). Die neue Bundesregierung steht vor gewaltigen Herausforderungen. Die Wirtschafts- und Finanzkrise hat öffentliche Haushalte und Sozialkassen ruiniert. Zugleich schnappt die demografische Falle zu.

So könnte ein Schwarz-Gelbes Kabinett aussehen
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Es hätte alles so schön sein können. Im Jahr 2011 wäre der Bundeshaushalt zum ersten Mal seit den 60er Jahren wieder ohne neue Schulden ausgekommen. Die Vollbeschäftigung lag zum Greifen nahe. Und die Beiträge zur Sozialversicherung wären deutlich unter 40 Prozent gefallen. Regieren hätte nach der Bundestagswahl richtig Spaß gemacht.

Doch es kam anders. Die größte Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit machte über Nacht alle Ziele zu Makulatur. Statt einem ausgeglichenem Haushalt ein gigantischer Schuldenberg, statt Vollbeschäftigung drohende Massenentlassungen, statt solider Finanzierung der Sozialkassen milliardenschwere Fehlbeträge. Auf die neue Regierung — egal ob Schwarz-Gelb oder große Koalition — kommen enorme Herausforderungen zu.

Finanzen und Steuern

Die Sanierung der Staatsfinanzen wird die Hauptaufgabe der neuen Bundesregierung sein. Über 1,6 Billionen Euro beträgt die Staatsschuld. Dazu kommen noch einmal 700 Milliarden Euro, die der Fiskus an Finanzmitteln zur Rettung von Banken und notleidenden Unternehmen bereitgestellt hat. Zudem werden rund 320 Milliarden Euro an Steuern in den Kassen bis 2013 fehlen.

Um aus der Schuldenfalle herauszukommen, muss die neue Regierung zweigleisig fahren. Sie muss dem Wirtschaftswachstum Vorrang einräumen. Zugleich wird der Finanzminister die Ausgaben einfrieren müssen, um die Schieflage öffentlicher Haushalte bis zum Ende des Jahrzehnts auf ein erträgliches Maß zu bringen. Der neue Chef des Finanzressorts hat bestenfalls zwei Jahre Zeit, ein solches Programm auf den Weg zu bringen.

Es besteht aber auch die Chance, das im Kern systematisch saubere, aber völlig verkommene Einkommensteuerrecht zu entrümpeln. Das wird ohne eine leichte Nettoentlastung aller Steuerzahler nicht möglich sein. Andererseits braucht der Bund auch zusätzliche Einnahmequellen. Möglich ist derzeit nur die Einführung einer Pkw-Maut auf Autobahnen.

Arbeitsplätze und Wachstum

Die Erhaltung und Schaffung von Jobs steht ganz oben auf der Agenda jeder Regierung. Noch hilft das Kurzarbeitergeld, aber nicht auf Dauer. Die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns vernichtet Jobs. Leichtere Kündigungsregeln bei kleinen Firmen würden dagegen helfen.

Eine Politik der Förderung von Forschung und Bildung (hier liegt Deutschland im Vergleich der Industrieländer zurück) sowie des Bürokratieabbaus würde die Wachstumskräfte stärken. Wer Hartz-IV-Leistungen bezieht, sollte mehr behalten dürfen, wenn er eine gering bezahlte Arbeit aufnimmt.

Sozialsysteme und Demografie

Die Wirtschaftskrise schlägt ihre Schneise auch in die Sozialkassen. Die Defizite in der Arbeitslosenversicherung können bis 2013 auf 50 Milliarden Euro anwachsen, die Rentenkassen müssen auf ihre Reserven zurückgreifen, und dem Gesundheitsfonds drohen gewaltige Ausfälle. Gerade das bürokratische Monstrum Gesundheitsfonds ist zu reformieren. Möglich wäre ein fester Arbeitgeberbeitrag je Versichertem und darüber hinaus ein Arbeitnehmerbeitrag, den jede Kasse selbst wählen kann.

Noch stärker schlägt die demografische Falle zu. Deutschland ist zusammen mit Japan das westliche Industrieland, das am stärksten altert. Schon jetzt tragen die Sozialkassen eine verdeckte Schuld von 200 Prozent des Inlandsprodukts mit sich herum, wenn sie alle Zusagen für die künftige Generation einhalten wollen.

Zugleich schrumpft in Deutschland erstmals die arbeitsfähige Bevölkerung. Im Jahr 2020 fehlen hier zu Lande 2,4 Millionen Jobs wegen ausbleibendem Nachwuchs. Die Rentenzuwächse müssen deshalb beschnitten werden. Die Faktoren, die eine Rentenerhöhung dämpfen, dürfen nicht ständig ausgesetzt werden. Die klamme Pflegeversicherung bedarf eines zusätzlichen Kapitalstocks, um künftig zahlungsfähig zu bleiben.

Umwelt und Energie

Die größte globale Herausforderung bleibt trotz Wirtschaftskrise die Klimaerwärmung. Da hilft nur der Ausbau der erneuerbaren Energien und die direkte Belastung der Industrien und des Verkehrs mit kostenpflichtigen Zertifikaten zum Kohlendioxid-Ausstoß. In der Energie muss die Abhängigkeit von Öl aus arabischen Ländern und Gas aus Russland verringert werden.

Sicherheitspolitik

Immer weniger lässt sich äußere und innere Sicherheit trennen. Ein Einsatz der Bundeswehr im Innern hilft aber nicht weiter. Die muss den Terror außerhalb Deutschlands bekämpfen — etwa in Afghanistan. Trotzdem müssen hier Abzugsszenarien entwickelt werden. Weitere zehn Jahr kann die Bundeswehr am Hindukusch nicht stationiert werden.

Der berechtigte Kampf gegen organisierte Kriminalität darf nicht die Bürgerrechte aushebeln. Online-Durchsuchungen darf es nur nach richterlichem Beschluss geben — ähnlich der Hausdurchsuchung. Die Polizei muss zwar effizient, darf aber nicht allgewaltig sein. Im Zweifel genießen die Bürgerrechte den Vorrang.

(RP)
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