Jahrestief in Umfragen Warum die Grünen plötzlich schwächeln

Berlin · Die traumhaften Umfragewerte der Grünen sind geschmolzen. Der Wahlkampf läuft nicht rund.

Ein Spitzenkandidat, der beim Paddeln kentert. Forderungen nach einem bundesweiten Pflichttag für Vegetarier. Die Pädophilie-Debatte. Mit solchen Themen sorgten die Grünen zuletzt für Aufmerksamkeit. Positive Botschaften sehen anders aus. Eine aktuelle Forsa-Umfrage sieht die Grünen inzwischen nur noch bei elf Prozent. Das ist nicht weit entfernt von den 10,7 Prozent bei der Bundestagswahl 2009.

Der Höhenrausch der Grünen endet ausgerechnet kurz vor der Wahl abrupt. Angesichts der anhaltenden Schwäche des Wunschkoalitionspartners SPD ist die Aussicht auf eine Regierungsbeteiligung mau.

Ernüchterung

Dabei hatten sich die Grünen mit ihrem Spitzenpersonal und der vorübergehenden Befriedung der innerparteilichen Machtkämpfe solide für den Wahlkampf aufgestellt. Nun macht sich Ernüchterung breit. Auch wenn sie nach außen der SPD die Stange halten, ist die Verzweiflung hinter den Kulissen groß, wie sich der Wunschpartner durch den Wahlkampf stümpert. Ihnen selbst ist es aber auch nicht gelungen, die Flughöhe in den Umfragen zu halten, die ihnen die Reaktorkatastrophe von Fukushima und der erste Grünen-Ministerpräsident, Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg, gebracht haben.

Angesichts des Dauerformtiefs der SPD fällt es nicht so sehr auf, dass auch der Wahlkampf der Grünen glanzlos verläuft. Die Partei hatte für ihre Steuererhöhungspläne öffentlich viel Gegenwind bekommen. Durch eine Befragung der Basis wurde klar, dass auch die Mitglieder das Steuerthema für nachrangig halten. Sie forderten eine Besinnung auf grüne Kernthemen wie den Umstieg auf erneuerbare Energien, den Kampf gegen Massentierhaltung und Wohlstand ohne immer mehr Wirtschaftswachstum.

Hinter den Kulissen entbrennt der Machtkampf

In der Debatte um pädophile Gruppierungen in den Anfangsjahren der Grünen macht die Partei eine schlechte Figur. Anfangs distanzierten sie sich nur verdruckst. Von einer Empörung, wie sie diese bei der Debatte um Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen an den Tag legten, konnte keine Rede sein. Als der öffentliche Druck wuchs, entschlossen sie sich, die Frage der pädophilen Strömungen in den 80er Jahren in der Partei wissenschaftlich aufarbeiten zu lassen.

Je unwahrscheinlicher die Umfragen einen Wahlsieg von Rot-Grün erscheinen lassen, desto heftiger werden hinter den Kulissen die Machtkämpfe um die wenigen wichtigen Jobs, die es nach der Bundestagswahl zu verteilen gibt. Ein dickes Problem haben die Mitglieder des Parteivorstands: Gleich vier von ihnen bewerben sich um ein Bundestagsmandat: Parteichefin Claudia Roth, Co-Chef Cem Özdemir, Geschäftsführerin Steffi Lemke und Beisitzer Malte Spitz aus NRW. Laut Satzung dürfen aber höchstens zwei Vorstandsmitglieder Bundestagsmandat und Parteiamt kombinieren. Das heißt, zwei der vier Vorstandsmitglieder werden den Vorstand verlassen müssen.

Künast muss kämpfen

An der Fraktionsspitze gilt Renate Künast als angezählt. Sie verlor 2011 die Wahlen in Berlin und konnte sich auch beim Kampf um die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl nicht durchsetzen. Es gilt als wahrscheinlich, dass Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt Anspruch auf den Spitzenjob in der Fraktion erhebt, wenn die Grünen in der Opposition bleiben sollten.

(qua)
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