Steinmeier stellt Schattenkabinett vor SPD geht zum Angriff über

Berlin (RPO). Für die SPD gibt es keinen günstigeren Zeitpunkt: Kaum hat Kanzlerin Angela Merkel ihren Sommerurlaub angetreten, bläst die SPD zum Wahlkampf. Nun, da SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier die politische Arena für sich hat, will er sein Wahlkampfteam vorstellen und mit Schattenministern der Union Paroli bieten.

Die Köpfe in Steinmeiers Wahlkampfteam
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Für die SPD ist das keinen Tag zu früh, denn exakt zwei Monate vor der Bundestagswahl hat sie in Umfragen immer noch keinen Boden gut gemacht. Spitzenpolitiker der Partei begegneten dem mit dem Pfeifen im Walde und sagten am Wochenende ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Union voraus.

Steinmeier selbst kündigte bereits vergangenen Freitag in einem "Bild"-Interview an: "Nächste Woche beginnt der Wahlkampf." Für den Dienstag ist eine interne Mobilisierungskonferenz mit allen Wahlkampfkandidaten geplant, für Mittwoch und Donnerstag eine Klausur der engeren Parteiführung in einem Hotel in Potsdam, auf der die Wahlkampfmannschaft vorgestellt werden soll.

"Anti-von-der-Leyen" im Team

Laut "Bild" gehören ihr die SPD-Minister des jetzigen Kabinetts an sowie die Landessozialministerin aus Mecklenburg-Vorpommern, die 35-jährige Manuela Schwesig, die neue Familienministerin werden soll. Der "Spiegel" beschreibt sie als leibhaftigen Gegenentwurf zur konservativen Amtsinhaberin Ursula von der Leyen, als eine "Anti-von-der-Leyen".

Doch damit Schwesig den Star der Union beerben kann, muss die SPD erst einmal die Wahl gewinnen - oder zumindest Schwarz-Gelb verhindern, was dann wieder auf eine Große Koalition hinausliefe. Danach sieht es momentan nicht aus. In den vergangenen Wochen ist die SPD festgezurrt bei einem Zustimmungswert von 23 bis 25 Prozent - womit sie nur wenig über ihrem niedrigsten bundesweiten Ergebnis seit 1945 bei der Europawahl im Mai liegt.

Obama sieht Merkel schon als Siegerin

Auch im persönlichen Vergleich mit Merkel sah das ZDF-Politbarometer Steinmeier auf einem Tiefststand. Während 62 Prozent lieber an der Amtsinhaberin festhalten möchten, sehen nur noch 25 Prozent Steinmeier als die bessere Alternative. Selbst US-Präsident Barack Obama hält das Rennen für gelaufen. Bei Merkels jüngstem Besuch in Washington sagte Obama zu ihr: "Ach, Sie haben schon gewonnen."

Steinmeier wischt die Zweifel an seiner Person vom Tisch: "Politik ist keine Castingshow", sagte er "Bild". Abgerechnet werde am 27. September. Zu Obama fährt er vor der Wahl vorsichtshalber nicht mehr, obwohl die Reise eigentlich einmal auf seinem Plan gestanden hatte. Angesichts der Beliebtheit des US-Präsidenten in Deutschland wäre ein gemeinsames Foto Obamas mit dem Bundesaußenminister eine schöne Wahlkampfhilfe gewesen.

Rückendeckung von der Generation 65 plus

So muss sich Steinmeier auf Rückendeckung aus dem eigenen Lager beschränken. Unter dem Motto "Erfahrung packt an" stellten sich zahlreiche Parteigrößen aus der Generation 65 plus, darunter die Ex-Minister Hans Eichel, Walter Riester, Renate Schmidt, Manfred Stolpe und Egon Bahr sowie der ehemalige Parteivorsitzende Hans-Jochen Vogel hinter den Kandidaten, den sie als vierten sozialdemokratischen Bundeskanzler sehen wollen.

Von den jüngeren in der Partei gibt es keinen entsprechenden Wähleraufruf. Die haben schon die weitere Zukunft im Blick. Parteivize Andrea Nahles etwa wird nachgesagt, sie wolle auf dem Parteitag im November den Vorsitzenden Franz Müntefering beerben. Darüber hinaus soll es Stimmen in der Partei geben, die der Meinung sind, nach elf Jahren an der Regierung täte den Sozialdemokraten eine Erholungsphase in der Opposition auch nicht schlecht.

"30 Prozent wären wunderbar"

Getreu dem Motto "Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst" preschten Arbeitsminister Olaf Scholz und Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel am Wochenende vor und verbreiteten demonstrativ Optimismus. Die SPD habe durchaus Chancen, bis zum 27. September die Union einzuholen.

Vollmundig sagte Scholz der "Bild am Sonntag", er sehe die Wahrscheinlichkeit bei "über 90 Prozent", dass die SPD auch nach dem 27. September an der Bundesregierung beteiligt und er selbst Minister bleibe. Er kündigte an, bis zur Bundestagswahl am 27. September weitgehend auf freie Tage oder Urlaub zu verzichten.

Ein wenig gedämpfter gab sich der Bremer Ex-Bürgermeister Henning Scherf in der "Welt am Sonntag", der ein "schwieriges Wahlergebnis" voraussagte. "30 Prozent für uns wären wunderbar", meinte er.

Scherf mahnte auch zu einem sachlichen Wahlkampf und riet von scharfen Attacken gegen die Kanzlerin ab. Voraussichtlich mit guten Grund. Der verbale Seitenhieb von Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder gegen den Shootingstar der Union, Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, den er despektierlich als den "Baron aus Bayern" bezeichnete, kam in der Öffentlichkeit nicht gut an.

Wahlbeteiligung

Elf Prozent der Deutschen wollen bei der Bundestagswahl in neun Wochen "auf keinen Fall" ihre Stimme abgeben. Das ergab eine Umfrage des Emnid-Instituts für die Zeitung "Bild am Sonntag". Weitere 27 Prozent hatten sich demnach noch nicht entschieden, ob sie am 27. September wählen gehen.

59 Prozent der Bundesbürger gaben an, abstimmen zu wollen. Die meisten Unentschlossenen gibt es demnach bei den jungen Wahlberechtigten, während die Wahlbeteiligung bei den Rentnern sehr hoch sein dürfte. Bei der Wahl im Herbst 2005 lag die Beteiligung bei 77,7 Prozent. Emnid befragte am vergangenen Donnerstag insgesamt 500 Bundesbürger.

Meinungsforscher halten Aufholjagd für unwahrscheinlich

Nach Ansicht des Chefs des Meinungsforschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner, hat die SPD hingegen kaum Chancen, die Union noch einzuholen. "Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass die SPD mehr als 30 Prozent der Stimmen erreicht", sagte Güllner der "F.A.S".

Das liege auch an dem Spitzenkandidaten. "Die Beliebtheit von Frank-Walter Steinmeier als Außenminister überträgt sich nicht auf den Kanzlerkandidaten", sagte Güllner. Die SPD habe zwar Reserven im Lager der unentschlossenen Wähler. "Doch die konkret existierende SPD wollen viele dieser Unentschlossenen nicht wählen."

Urlaubsziele

In zwei Wochen wird sich zeigen, ob der Urlaub der Kanzlerin in den Bergen Tirols die Werte des Konkurrenten Steinmeier nach oben ziehen konnte. Er selbst macht übrigens auch in den Bergen Urlaub, während Partiefreund Steinbrück die Toskana aufsucht.

(AP/felt)
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