Merkelhafter Auftritt bei „Klartext“ Wo Olaf Scholz im ZDF überzeugte – und wo es für ihn knifflig wurde

Analyse | Berlin · Im ZDF-“Klartext“ spielt Olaf Scholz seine große Regierungserfahrung aus. Doch Ermittlungen gegen seinen engsten Vertrauten belasten jetzt den Wahlkampf des SPD-Kanzlerkandidaten. Was sagt Scholz dazu? Über einen sehr merkelhaften Auftritt zur besten Sendezeit.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz liegt aktuell in den Umfragen mit seiner Partei vorne.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz liegt aktuell in den Umfragen mit seiner Partei vorne.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Was sagte Scholz zu den Ermittlungen gegen seinen engsten Vertrauten? Die Staatsanwaltschaft Osnabrück sorgte zwei Wochen vor der Wahl für einen Paukenschlag, als sie die Bundesministerien für Finanzen und Justiz durchsuchen ließ. Bei einer Spezialeinheit des Zolls in Köln sollen Hinweise auf Geldwäsche nicht weitergegeben worden sein. Unionskanzlerkandidat Armin Laschet machte Scholz dazu am Sonntag im zweiten Triell harte Vorwürfe. Jetzt hat der engste Vertraute von Scholz, der beamtete Staatssekretär Wolfgang Schmidt, seinen Chef zusätzlich in die Bredouille gebracht.

Schmidt veröffentlichte Teile des Durchsuchungsbeschlusses der Staatsanwälte im Kurznachrichtendienst Twitter. Das war womöglich strafbar. Jedenfalls ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Schmidt. Hat das Konsequenzen für den Scholz-Intimus? Scholz weicht aus. „Der Staatssekretär twittert viel. Ich kann kaum noch nachvollziehen, was er da im Einzelnen macht." Mit dem Tweet habe er darauf hinweisen wollen, dass es bei den Durchsuchungen der Staatsanwaltschaft nicht um Beschuldigte in den Ministerien gegangen sei. Aus Sicht Schmidts sei der Tweet rechtlich in Ordnung gewesen. "Ich kann das nicht beurteilen, da ich nun auch andere Dinge tue", sagte Volljurist Scholz. „Aber das wird jetzt auch in einem ordentlichen Verfahren geklärt und muss auch geklärt werden.“ Der Kanzlerkandidat will Schmidt auf keinen Fall verlieren. Der Topberater gilt als heißer Anwärter auf den Job als Kanzleramtsminister, falls Scholz die nächste Regierung anführt.

Wo wurde es für Scholz sonst noch knifflig? Als eine Frau aus Teltow in Brandenburg von ihrem Wertverlust im Wirecard-Skandal berichtete. Der auf Finanzdienstleistungen spezialisierte Ex-Dax-Konzern hatte Umsätze und Guthaben in Milliardenhöhe erfunden. Noch 2019 hätten Politiker Reklame für die Aktien gemacht, klagte die fünffache Mutter. Zu diesem Zeitpunkt berichtete die „Financial Times“ bereits über Unregelmäßigkeiten. Was passierte? Die Journalisten wurden von der Finanzaufsicht Bafin verklagt. „Warum sind Sie der Sache nicht nachgegangen?“, will die Frau vom Finanzminister wissen. Scholz gibt sich zerknirscht. „Das ist ganz schlimm.“ Schuld seien die Wirtschaftsprüfer gewesen, die Wirecard nicht auf die Schliche gekommen seien. Er habe mit einer Reform der Finanzaufsicht „mit großer Härte Konsequenzen gezogen“. Die Frau schaut kritisch: „Das befriedigt mich nicht. Es haftet keiner, das ärgert mich maßlos.“ Scholz kann ihr keine Entschädigung versprechen: „Ich bin mit Ihnen betrübt.“

Was war der Gänsehaut-Moment? Als eine 17 Jahre alte Schülerin, die mit 10 aus Afghanistan nach Deutschland kam, Scholz auf das Schicksal ihrer Landsleute am Hindukusch aufmerksam machte. Viele Menschen würden nach der Rückkehr der Taliban „mega unterdrückt“. Die junge Frau flehte fast: „Vergessen Sie die Leute nicht!“ Scholz versicherte ihr: „Diese Zusage gebe ich Ihnen.“ Deutschland könne nach dem dramatischen Abzug der Bundeswehr das Kapitel Afghanistan nicht einfach beenden.

Zeigte Scholz etwas vom Menschen Scholz? Es geht so. Der meist maximal kontrolliert auftretende Sozialdemokrat, der im kleinen Kreis locker und witzig sein kann, sah sich nicht dazu in der Lage, eine Zuschauerfrage nach einem Lieblingsfilm zu beantworten. Vor Corona habe er einen Film über den Jazzmusiker Miles Davies gesehen. Romanze oder Actionstreifen? „Eher Action.“

Ist Scholz eine Merkel-Kopie? Das hätte der Vizekanzler gerne. Denn er schielt auf Millionen Merkel-Wähler. Die Kanzlerin rüffelte Scholz öffentlich und grenzte sich von ihm ab. ZDF-Chef Frey fragte Scholz, ob er sich ein bisschen zu sehr anbiedere, da er sich für ein Medienmagazin mit der typischen Merkel-Raute ablichten ließ? „Ich fand es lustig“, sagte Scholz.

Was war das schon wieder mit dem Knopf im Ohr? Als Armin Laschet in der ZDF-Sendung war, kamen danach im Internet Gerüchte auf, der CDU-Chef habe über einen beigen kleinen Lautsprecher im Ohr Tipps bekommen. Scholz wollte sich so eine Debatte ersparen. Den Knopf im Ohr habe ihm das ZDF reingesteckt, um alle Filme und Töne im Studio besser zu hören. Da sitze eben kein kleiner Mann drin und gebe ihm Kommandos, klärte Scholz die Zuschauer auf.

Wo überzeugte Scholz? In der Gender-Debatte. Ein Mann aus Sachsen-Anhalt beschwerte sich, er könne angeblich nicht mehr frei sprechen, die Sprachpolizei sei unterwegs, Verhältnisse wie in der DDR drohten, er wolle weiter Zigeunerschnitzel sagen dürfen. Er brauche kein Gendersternchen: „Frauen gehören zu uns wie Wasser und Brot.“ Scholz nahm dem Empörten geschickt den Wind aus den Segeln, ohne ihn zu maßregeln. „Ich will Sie nicht umerziehen.“ Aber vielleicht sollte der Mann andere, die Gruppen verbal nicht diskriminieren wollten und deshalb auf ihre Sprache achteten, einfach machen lassen. Gegenseitiger Respekt sei gefragt.

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Foto: AP/Michael Sohn

Und die Linkspartei? Bei der Gretchenfrage Ausschluss einer Koalition mit der Linkspartei fühlt man sich inzwischen wie bei der 100. Wiederholung des Silvester-Klassikers „Dinner for one“. Die Linke ist der Tigerkopf, Scholz stolpert immer wieder darüber, fällt aber nicht hin. Das würde ihm die linke SPD-Spitze sehr verübeln. USA-Bande, Nato, Auslandseinsätze der Bundeswehr, für einen Kanzler Scholz alles unverhandelbar. „Nur noch einen Millimeter“, ruft ZDF-Chefredakteur Peter Frey, die Breaking-News-Trophäe vor Augen. Doch Scholz tut ihm den Gefallen nicht.

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