Walter-Borjans gibt Parteivorsitz auf Wer will im Schatten von König Olaf die SPD führen?

Meinung | Berlin · Beim G20-Gipfel wird Olaf Scholz von Angela Merkel schon als inoffizieller Kanzler herumgeführt werden. Da tut sich plötzlich in der SPD ein Loch auf: Parteichef Walter-Borjans mag nicht mehr. Auf eine neue Führung wartet viel Arbeit, denn der Wahlsieg hat Probleme überdeckt.

 SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz wurde nach seiner Ankunft am Freitag in Rom belagert. Er selbst will nicht Parteichef werden.

SPD-Kanzlerkandidat und Bundesfinanzminister Olaf Scholz wurde nach seiner Ankunft am Freitag in Rom belagert. Er selbst will nicht Parteichef werden.

Foto: dpa/Oliver Weiken

Für Olaf Scholz scheint es wie am Schnürchen zu laufen. Geht es in den Ampel-Koalitionsverhandlungen fast geräuschlos vorwärts wie bislang, kann er kurz nach Nikolaus im Kanzleramt sitzen. Angela Merkel führt ihn am Wochenende bereits auf der Weltbühne inoffiziell als ihren Nachfolger ein. Der Finanzminister darf bei Merkels G20-Gesprächen in Rom mit Biden, Erdogan & Co. live dabei sein. Was für ein Privileg: Die CDU-Frau bietet dem Sozialdemokraten die Chance, sich bei Speed-Datings im illustren Kreis der Staatenlenker bekannt zu machen. Der Trump-traumatisierte Biden wird staunen, wie souverän die Übergabe der Macht in Germany verläuft.

Derweil verkündet Norbert Walter-Borjans seinen Rückzug von der Parteispitze. Der 69-Jährige Ex-NRW-Finanzminister mag nicht mehr. Seine Mission sei erfüllt. Recht hat er. Als „Nowabo“ Ende 2019 gemeinsam mit Saskia Esken die erste Doppelspitze bildete, lag die SPD am Boden. Das Duo überraschte positiv. Die SPD-Geschlossenheit war wichtiger Baustein für den Wahlsieg. Esken fährt bis zum Dezember-Parteitag zweigleisig. Sie will gerne Vorsitzende bleiben, aber auch Ministerin werden. Nur eins von beiden geht.

Dass Scholz nicht selbst SPD-Chef werden will, ist klug. Seine Klatsche von 2019 wirkt nach. Kanzleramt und Parteiführung in einer Hand, das galt lange als Ausweis unbedingten Machtwillens. Vorbei. Mit Basta-Attitüde und Hinterzimmer-Entscheidungen lassen sich Volksparteien in Social-Media-Zeiten nicht mehr führen. Die Union erfährt brutal, wo sture Voten eines ergrauten „Establishments“ gegen Basiswillen und Umfragen enden – auf der Oppositionsbank. Scholz würde sich aufreiben, müsste er in Personalunion jede strittige Kabinettsfrage in der Partei durchfechten. Er wird auch so mit bärenstarken Jusos in der Fraktion seine Mühe haben.

Wer dann? Manuela Schwesig will nach 40 Prozent in Schwerin wohl (noch) nicht. Kevin Kühnert? Keine gute Idee. Der mächtige Ex-Juso-Chef würde als Gegenspieler des Kanzlers wahrgenommen. Er könnte aber Generalsekretär werden. Das ist derzeit Lars Klingbeil. Der junge Architekt der erfolgreichen Wahlkampagne, Sohn eines früheren Berufssoldaten und fleißiger Hantel-Stemmer möchte gerne Verteidigungsminister werden. Kann er ernsthaft Nein sagen, wenn Scholz ihn in der Partei in die Pflicht nimmt? Scholz wird als SPD-Superstar zwar sehr viel Beinfreiheit bekommen. Neue Vorsitzende im Willy-Brandt-Haus müssen dem Kanzler den Rücken freihalten, dürfen aber nicht Anhängsel der Regierung sein. Leicht wird das im Schatten von König Olaf nicht. Einmal im Kanzleramt, dürfte es bei Scholz mit der Demut rasch vorbei sein: „Wer bei mir Führung bestellt, muss wissen, dass er sie dann auch bekommt“, sagte er als Hamburger Bürgermeister.

Die Auferstehung am Wahltag hat strukturelle Probleme nur überdeckt. Die SPD steht vor allem deshalb so kurz vor der Macht, weil Union und Grüne unfassbar viele Fehler machten und falsche Kanzlerkandidaten aufstellten. Der Status der SPD als Volkspartei bleibt fragil. Sie darf nicht übermütig werden. Stimmungen sind volatil. In Sachsen stürzte die Partei 2019 bei der Landtagswahl auf 7,7 Prozent ab, bei der Bundestagswahl lag sie dort plötzlich mit 19,3 Prozent vor der CDU. Scholz hat mit seinem Respekt-Wahlkampf einen Nerv getroffen. Die nächste Parteiführung muss hier weitermachen, ein neues Grundsatzprogramm einen intellektuellen Überbau liefern. Als Kanzlerpartei wird die SPD beweisen müssen, dass sie Klima, Wirtschaft und Soziales auf Dauer besser versöhnen kann als Grüne, FDP und Union.

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