Nachzählung der Bundestagswahl CDU gewinnt, Grüne verlieren ein Mandat in NRW

Berlin · Bei den Prozentzahlen unterscheidet sich das endgültige nicht vom vorläufigen Ergebnis der Bundestagswahlen. Aber die Nachprüfung bewirkte dieses Mal gleich drei Veränderungen bei den Abgeordneten, die ins Parlament einziehen dürfen.

 Auszählungen am Wahlabend in Berlin.

Auszählungen am Wahlabend in Berlin.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Das Nachzählen der Stimmen bei der Bundestagswahl hat in Solingen große Freude ausgelöst: Denn der langjährige Außenexperte der Union, Jürgen Hardt, zieht als Ergebnis als 736. Abgeordneter nun doch noch in den Bundestag ein. Eigentlich hatte er sich bereits damit abfinden müssen, seine Arbeit in Berlin erst dann fortsetzen zu können, wenn ein CDU-Abgeordneter aus NRW ausscheidet und er dann nachrücken darf. Doch weil das vorläufige für das endgültige Endergebnis um 22.575 Zweitstimmen korrigiert werden musste, ergab eine komplette Neuberechnung, dass der CDU in NRW ein Sitz mehr zusteht.

Es war nicht die einzige auffällige Veränderung. Bei den Grünen erfolgte ebenfalls eine Neuverteilung. Hier hatte sich die bayerische Bundestagsabgeordnete Beate Walter-Rosenheimer bereits von ihrer Berliner Wirkungsstätte verabschiedet, weil es leider ganz knapp nicht mehr für sie gereicht hatte. Doch die Neugewichtung ergab nun, dass die Grünen einen Sitz in NRW verlieren - den von Michael Sacher aus Unna - und den in Bayern dazugewinnen.

An den großen Prozentzahlen tat sich indes nichts. Die SPD landete auch nach den Überarbeitungen bei 25,7 Prozent, die CDU bei 18,9, die Grünen bei 14,8, die FDP bei 11,5, die AfD bei 10,3, die CSU bei 5,2 und die Linken bei 4,9 Prozent. Weil sie aber genügend Mandate direkt gewannen, wurden sie bei der Berechnung für die Verteilung der Bundestagssitze mit berücksichtigt. Auch die Nationale Minderheit im Norden, der Südschleswigsche Wählerverband, bekam einen Sitz. Insgesamt gab es über 46,4 Millionen gültige Zweitstimmen. Am Ende hatte die SPD 777.000 mehr als die Union. Der Anteil der Briefwähler schnellte von 28,6 auf 47,3 hoch.

Im Bundeswahlausschuss beschäftigte sich Bundeswahlleiter Georg Thiel am Freitag fast eine dreiviertel Stunde lang mit den Pannen in Berlin. Er kündigte als Ergebnis an, in den nächsten Tagen zu prüfen, ob er gegen das Ergebnis der Bundestagswahlen in Berlin Einspruch einlegt. Die Landeswahlleiterin hatte dies am Vortag bereits für das Ergebnis der Abgeordnetenhauswahlen getan. Wahlausschussmitglied Michael Brenner von der Uni in Jena sagte, dem Demokratieprinzip sei durch den Umgang mit dem Wahlrecht in Berlin ein „ganz gravierender Schaden zugefügt“ worden. Er sprach von einer „Bankrotterklärung der Verwaltung“.

Einige Beispiele machen das deutlich. Weil die Stimmzettel ausgegangen waren, unterbrachen die Verantwortlichen die Wahlen in 26 Wahlräumen für bis zu 30 Minuten, in weiteren 24 Wahlräumen für 40 bis 60 Minuten, in 18 Wahlräumen sogar für ein bis zwei Stunden. Wegen der langen Schlangen durfte in 42 Wahllokalen auch noch lange nach 18 Uhr gewählt werden; das letzte schloss erst um 20.56 Uhr. Abweichend von den Vorschriften hatten die Berliner keinen eigenen Umschlag für die Unterlagen zur Bundestagswahl vorgesehen, sondern mit den Wahlen von Abgeordnetenhaus, Bezirksvertretung und Bürgerentscheid zusammen gepackt. Als Ergebnis konnten auch Minderjährige und EU-Ausländer mitwählen.

Die Ursache für die langen Schlangen wurde auch schnell klar: Es gab fast überall zu wenig Wahlkabinen. Die Erklärung aus Berlin, wegen der Hygieneauflagen hätten nicht mehr in die Wahlräume gepasst, ließ Thiel nicht gelten: Dann hätte man größere Wahlräume nehmen müssen. Scharf kritisierte er auch die Entscheidung der Berliner, parallel zu den vier Abstimmungen die Stadt auch noch durch einen internationalen Marathon lahmzulegen. Zudem hinterfragte der Bundeswahlleiter kritisch die „Rückstände“ bei den Eintragungen in die Melderegister, die zwischen 250.000 und 350.000 Bürger beträfen. Alles in allem nannte er die Abwicklung der Bundestagswahl in Berlin „nicht akzeptabel“.

Gegen diese Sammlung von Fehlern, Pannen und Versagen nimmt sich die lange Liste sonstiger „besonderer Vorkommnisse“ deutlich weniger gravierend aus. Da ging es um Armin Laschets falsch gefalteten Stimmzettel in Aachen, verwechselte Stimmzettel in Ludwigsburg, nicht zugestellte Briefwahlstimmen in Hamburg, bedenkliche und schnell eingestellte Stimmabgabe in mobilen Pappwahlurnen in Köln, die anfängliche Zurückweisung einer Wählerin mit Kopftuch in Bergheim, einen Bombenfund in Wuppertal und die erschwerten Wahlen in den Überschwemmungsgebieten. Doch hätten in Ahrweiler und Altenahr rund 2000 Bürger in Wahlbussen wählen können. Insgesamt habe es aber bei keiner der Pannen erkennbar „mandatsrelevante Auswirkungen“ gegeben. Sprich: Selbst wenn zum Beispiel alle falschen und deshalb ungültigen Stimmzettel auf den Zweitplatzierten entfallen wären, hätte dieser nicht gewonnen.

„Besonders viele Beschwerden“ erhielt Thiel von Auslandsdeutschen, deren Briefwahlunterlagen so spät angekommen waren, dass sie nicht mehr mitstimmen konnten. Hier regte der Wahlleiter an, die Vorschriften so zu ändern, dass ein dreifacher, langwieriger Postweg künftig vermieden werden kann.

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