Mögliche Koalitionen Ampel gegen Jamaika

Analyse | Berlin · Ampel oder Jamaika? Oder doch wieder Groko? Nach dem knappen Wahlausgang erwarten Beobachter komplizierte Koalitionsverhandlungen. Es kommt entschieden auf FDP und Grüne an.

 Ein Wegweiser mit Parteifarben, Rot und Grün zeigen nach links, Schwarz und Gelb zeigen nach rechts (Symbolbild).

Ein Wegweiser mit Parteifarben, Rot und Grün zeigen nach links, Schwarz und Gelb zeigen nach rechts (Symbolbild).

Foto: KEYSTONE / Orkan Olgun

Viel ist in den Tagen vor der Bundestagswahl über mögliche Koalitionen spekuliert worden. Eine Konstellation hingegen galt als völlig unberechenbar – wenn Union und SPD gleichauf liegen. Die ist nun eingetreten. Somit verfügt eine SPD-geführte Ampel-Koalition mit Grünen und FDP über eine ähnlich große Mehrheit wie eine unions-dominierte Jamaika-Koalition mit Öko-Partei und Liberalen. Nach der Hochrechnung von 21.15 Uhr (ZDF) kommt eine Ampel auf 408 von 740 Sitzen. Über eine Mehrheit von 405 Mandaten würde eine Jamaika-Koalition verfügen. Prompt haben die beiden Spitzenkandidaten Olaf Scholz (SPD) und Armin Laschet (CDU/CSU) die Kanzlerschaft für sich reklamiert.

Ein kleiner, wenn auch wichtiger Unterschied ist, welche der beiden führenden Parteien am Ende vorne liegt. Den stärksten Vorteil dürfte die SPD haben, wenn sie besser als die Union abschneidet. Sie hat die Wahl klar gewonnen, fast fünf Punkte zugelegt und hätte als führende Partei mit derzeit 210 die meisten Abgeordneten. Die Grünen haben schon im Wahlkampf klargemacht, dass sie am liebsten mit der SPD koalieren würden. Am Wahlabend spricht Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner von einem „großen Wahlergebnis für die SPD“, während er über das Abschneiden der Grünen trotz des Zuwachses eher enttäuscht wirkte.

Kanzlerkandidat Scholz bringt diese Erwartungen auf den Punkt. „Wir wollen die nächste Regierung bilden.“ Allerdings bräuchte er neben den Grünen auch die FDP. Und die sträubt sich. Und Scholz hat nicht die Option, notfalls ein linkes Bündnis mit Grünen und der Linkspartei einzugehen. Für eine Ampel könnte die FDP die Latte sehr hoch legen. Eines ist sicher: Steuererhöhungen wird eine Ampel-Koalition nicht durchsetzen.

Die Union hätte es als Zweite deutlich schwerer, eine Jamaika-Koalition zu bilden, eine „bürgerliche Regierung“, wie es sich CSU-Generalsekretär Andreas Blume am Wahlabend wünscht. Auch CSU-Chef Markus Söder und Kanzlerkandidat Laschet sprechen jetzt gerne von einer „bürgerlichen Mehrheit“, in die sie neuerdings die Grünen einbeziehen. Dieses Attribut haben sie bisher der Öko-Partei stets abgesprochen.

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Die FDP und ihr Vorsitzender Christian Lindner haben dafür eine starke Priorität. Im Wahlkampf hat der Chef der Liberalen sich klar für eine Koalition mit der Union und ihrem Kanzlerkandidaten Laschet ausgesprochen. Lindner dürfte nun der wichtigste Mann des Christdemokraten sein. Allerdings müssen Union und FDP den Grünen Angebote machen. Deshalb dürften in dieser Konstellation der Kohle-Kompromiss bis 2038 und der Verbrennermotor keine Chance mehr haben.

Wichtig ist nun auch, wer auf wen zugeht. Kann Scholz als Gewinner der Wahl und mit der stärksten Partei im Rücken die FDP aus ihrer Verankerung mit der Union herausreißen? Auch wenn es nicht für Rot-Grün-Rot reicht, bräuchte Lindner gute Gründe für eine endgültige Ablehnung. Denn sein Lieblingskandidat Laschet hat bei den Wählern schlechte Karten. Lässt Lindner es auf eine Neuwahl ankommen, könnte er abermals als Verlierer dastehen – wie schon 2017, als er sich dem damaligen Jamaika-Bündnis verweigerte.

Laschet hingegen kämpft um sein Überleben. Und hier hat er trotz der vielen Fehler im Wahlkampf in der Vergangenheit oft Steherqualitäten gezeigt. Er könnte mit Lindner ein Schutz- und Trutzbündnis schließen, an dem Ampel-Pläne abprallen würden.

Nach Artikel 63 des Grundgesetzes wird Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier einem der beiden Kandidaten den Auftrag zur Regierungsbildung geben, wenn sich die Parteien nicht untereinander einigen können. Das könnte nach wochen- oder gar monatelangen Verhandlungen dann eine neue Qualität ins Spiel bringen. Und auch Überraschungen zeitigen. Denn Steinmeier hatte 2018 nach dem Scheitern von Jamaika die SPD in ein ungeliebtes Bündnis mit der Union gezwungen. Diesmal könnte es umgekehrt laufen. Die Union stürzt zuvor ihren Kandidaten Laschet, weil er nach der Wahlniederlage keine Koalition zusammenbringt. Die CDU/CSU würde dank Steinmeier dann Juniorpartner in einer großen Koalition. Bei dieser Dramaturgie könnte aber Lindner doch noch springen. Aufregende Zeiten.

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