Minister im neuen Ampel-Kabinett Und wer wird jetzt was?
Berlin · Die Ampel-Parteien sortieren auch ihr Personal für das neue Bundeskabinett, halten aber die Namen ihrer Minister noch zurück. Einige Posten gelten jedoch auch ohne offizielle Liste als gesetzt.
Sie haben geschachert, geschoben und gekämpft. Es geht um Posten, Einfluss und Ministerehren. Es sind Tage der Beförderten. Und Tage der Enttäuschten. Diese Regierung soll eine „Fortschrittsregierung“ werden, so haben es SPD, Grüne und FDP mehrfach angekündigt. Fortschritt sollen neben den Inhalten, über die die Ampel-Parteien in den vergangenen Wochen einen dicken Mantel des Schweigens hüllten, auch die Personen bringen, die an der Spitze künftiger Bundesministerien stehen – teilweise mit neuen Ressortzuschnitt. Offiziell gibt es noch keine Kabinettsliste, aber bei einigen Ministerien gilt bereits als klar, wer sie führen soll.
Die Karten an der Spitze sind gelegt. Nächster Bundeskanzler soll Olaf Scholz werden, wenn ihn der Bundestag mit der Mehrheit der potenziellen Ampel-Koalition in der Nikolauswoche zum Regierungschef wählt. Der enge Scholz-Vertraute Wolfgang Schmidt, der schon an dessen Seite im Bundesfinanzministerium arbeitete, wird als erster Anwärter für das Amt als Chef des Bundeskanzleramtes gehandelt. Künftiger Vize-Kanzler soll Robert Habeck werden.
Scholz hat für die Besetzung der von ihm geführten Regierung eine Devise ausgegeben. Die Ressorts sollen paritätisch von Frauen und Männern besetzt sein. Lindner sagte am Mittwoch: „Ein Bundesminister ist nicht der Bundesminister von SPD, Grünen oder FDP. Ein Bundesminister dient dem Land.“ Die SPD soll das hochkomplexe und wegen seiner Milliarden-Großprojekte latent skandalanfällige Verteidigungsministerium führen. Ebenso sollen die Sozialdemokraten das in Corona-Zeiten zentrale Gesundheitsministerium übernehmen. Auch das Arbeitsministerium gilt als sozialdemokratisches Terrain. Hier dürfte der bisherige Amtsinhaber Hubertus Heil bleiben. Das Bundesinnenministerium soll ebenfalls an die SPD gehen, wofür Christine Lambrecht, zuletzt Bundesjustizministerin, Chancen haben dürfte. Letzter Innenminister mit SPD-Parteibuch war Otto Schily mit seinem lange berühmt-berüchtigten Otto-Katalog der Anti-Terror-Maßnahmen. Auch das Bauministerium, das den geplanten Neubau von jährlich 400 000 Wohnungen flankieren soll, dürfte an die SPD gehen, wofür die bisherige Umweltministerin Svenja Schulze als Kandidatin gilt. Ebenso soll die SPD das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit übernehmen. Die Namen ihrer Minister will die SPD erst bei ihrem Sonderparteitag am 4. Dezember bekanntgeben.
Bei den Grünen sind die einstige Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wie auch Co-Vorsitzender Habeck gesetzt. Baerbock dürfte die erste Frau an der Spitze des Auswärtigen Amtes werden. Habeck könnte an der Spitze eines neues Super-Ministeriums für Wirtschaft mit Klima und Energiewende stehen. Gefährlich für Habeck: Bei ihm könnte viel Ärger über nicht erreichte Klimaziele und hohe Energiepreise abgeladen werden. Die langjährige Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, soll ein Ministerium für Umwelt führen. Fraktionschef Toni Hofreiter könnte als neuer Landwirtschaftsminister die grüne Agrarwende einzuleiten. Doch dagegen steht eine mächtige Bauernlobby. Weiter sollen die Grünen das Ministerium für Familie, Frauen und Jugend bekommen – dafür wird Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt gehandelt, der auch Ambitionen für eine Kandidatur für das Amt der Bundespräsidentin nachgesagt worden waren. Die Grünen wollen die Namen ihrer Minister aller Voraussicht nach bei einem Bund-Länder-Forum an diesem Donnerstag bekanntgeben.
Die FDP hat sich bei der Verteilung der Ministerposten in allen ihren zentralen Themenfeldern durchgesetzt: Finanzen, Digitalisierung, Bildung und Justiz liegen den Liberalen seit Jahren besonders am Herzen, auf diese Felder hatten sie sich auch im Wahlkampf fokussiert. Partei- und Fraktionschef Christian Lindner erreicht sein Ziel, neuer Bundesfinanzminister zu werden. Damit gewinnt Lindner den Machtkampf mit Grünen-Chef Robert Habeck, der ebenfalls Anspruch auf das Finanzressort erhoben hatte. Lindner soll in der Ampel auf Haushaltsdisziplin achten und das Vertrauen der Kapitalanleger sichern.
Mit den Themen Bildung und Digitalisierung, beides gestaltende Ressorts mit großen Investitionsbudgets, könnte die FDP in der neuen Regierung punkten, wenn sie entscheidende Fortschritte erreicht. Als Bildungsministerin könnte die hessische Landesvorsitzende Bettina Stark-Watzinger zum weiblichen Gesicht der FDP aufsteigen. Die Volkswirtin hat bereits berufliche Erfahrung auf dem Sektor: Sie arbeitete als Forschungsmanagerin, bevor sie 2017 Bundestagsabgeordnete und später Parlamentarische Geschäftsführerin wurde. Einig sind die Ampelparteien, dass die Bildungsausgaben in Zukunft weiter deutlich steigen sollen – das wird der neuen Bildungsministerin die Arbeit erleichtern.
Schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren werden ein Hauptthema des mutmaßlichen neuen Verkehrs- und Digitalisierungsministers Volker Wissing werden. Der FDP-Generalsekretär hat Regierungserfahrung aus Rheinland-Pfalz, wo er Vize-Ministerpräsident, Wirtschafts- und Verkehrsminister war. Neben Wissing bringt Lindner voraussichtlich auch seinen zweiten engen Vertrauten, Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann, in der neuen Regierung unter. Buschmann gilt als versierter Jurist, für ihn dürfte das Justizressort ein Heimspiel werden. Buschmann würde eine FDP-Tradition aufleben lassen: Die Liberalen hatten in der Nachkriegszeit mit Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Klaus Kinkel, Thomas Dehler und anderen renommierte Justizminister gestellt. Die Namen der FDP-Minister sollen bis zum 5. Dezember vorliegen.