Nach dem Super-Sondierungs-Sonntag Lassen die Grünen Laschet fallen?

Analyse | Berlin · Für Armin Laschet wird die Luft immer dünner. Am Dienstag sondiert der angeschlagene CDU-Chef mit seiner Union erstmals mit den Grünen. Habeck und Baerbock scheinen schon Richtung Scholz unterwegs zu sein. Kann Laschet sie noch von einer Ampel abhalten?

 Nach dem zweiten TV-Triell war die Stimmung zwischen Annalena Baerbock und Armin Laschet gelöst - wie wird es am Dienstag bei den Sondierungen sein?

Nach dem zweiten TV-Triell war die Stimmung zwischen Annalena Baerbock und Armin Laschet gelöst - wie wird es am Dienstag bei den Sondierungen sein?

Foto: dpa/Christophe Gateau

In einem ehemaligen Gasometer in der Hauptstadt wird sich zeigen, ob sich die politische Zukunft von Unionskanzlerkandidat Armin Laschet bald in Luft auflöst. Im „Euref-Campus“ in Berlin-Schöneberg, wo früher Günther Jauch an Sonntagen nach dem Tatort mit Politikern talkte, treffen CDU und CSU erstmals mit den Grünen zu einer Vorsondierung zusammen. Nur wenn es dem Wahlverlierer Laschet gelänge, die Grünen in ein Jamaika-Bündnis mit der FDP unter seiner Führung zu locken, könnte der CDU-Chef sich wohl noch halten.

 Die Grünen geben sich der Form nach „offen“ für Gespräche mit CDU und CSU. Doch wie sollte daraus eine Fortschrittserzählung nach 16 Jahren Unionsregierung werden, ein klimapolitischer Aufbruch, den die Grünen ihren Wählern versprochen haben? Dafür gibt es bereits Annäherungen zwischen Grünen und FDP. Eine nächste Regierung unter ihrer Beteiligung soll den Staat moderner machen. Für dieses Ziel wollen Grüne und FDP den Staat entschlacken, um beispielsweise Planungen und Genehmigungen (etwa für Bauvorhaben), aber auch Verwaltungsvorgänge zu beschleunigen. 

Auch im Bereich der Innenpolitik sollen sich Grüne und FDP nähergekommen sein. In der Finanz- und Steuerpolitik aber gibt es massive Unterschiede. Die FDP will eine strenge Schuldenbremse, die Grünen wollen sie – für mehr Investitionen in Stromnetze, Schienennetze, Straße oder Digitalisierung - aufweichen. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans hat sich aber bereits von einer Lockerung der Schuldenbremse, mangels parlamentarischer Mehrheiten dafür, verabschiedet. Das wurde in der FDP wohlwollend registriert.

 Die Liberalen pochen für den Fall einer Regierungsbeteiligung auf ihr Wahlversprechen, dass es keine Steuererhöhungen gibt. "Die FDP hat das klar gesagt, und die FDP rückt von dieser Position auch nicht ab", sagte Generalsekretär Volker Wissing am Montag im ZDF. "Das ist eine klare Aussage gewesen." Dass die Steuerpolitik immer eine große Hürde für Koalitionen sei, das wisse man. Das sei in der Vergangenheit mit der CDU so gewesen und das sei es jetzt in besonderem Maße auch mit der SPD. Die FDP sei hier inhaltlich näher an CDU und CSU. "Aber der Umsetzungswille der Union in der Vergangenheit was Steuerreformen angeht, war auch überschaubar", sagte Wissing.

Bei CDU und CSU gab man sich vor dem ersten schwarz-grünen Abtasten zugeknöpft. Bloß keine Hürden aufbauen, nur nicht die Gespräche im Vorhinein belasten. Es sei „Vertraulichkeit“ vereinbart worden, hieß es aus der CDU-Spitze. Doch in den Landesverbänden machen sich viele große Sorgen, wie es nach dem Wahldebakel weitergehen soll – und zu welchem Preis in einer möglichen Jamaika-Koalition. Der Hamburger CDU-Chef Christoph Ploß warnt davor, den Markenkern der finanzpolitischen  Solidität aufs Spiel zu setzen. Die Union sollte für eine Regierungsbeteiligung zur Verfügung stehen – „aber nicht um den Preis“ und unter Aufgabe konservativer Konzepte und Ideen. „Die Grundpfeiler unseres Programms, wie die Schuldenbremse oder das Nein zu mehr steuerlichen Belastungen, dürfen wir nicht aufgeben“, sagte Ploß unserer Redaktion.

Und was, wenn Union und Grüneschnell feststellen, dass es so gut wie keine Gemeinsamkeiten gibt? Dann wäre Jamaika bereits geplatzt, bevor man überhaupt richtig begonnen hätte, über ein solches Bündnis konkreter zu reden. Doch damit rechnet zum jetzigen Zeitpunkt ernsthaft noch keiner. Bis vor wenigen Monaten sah es in den Umfragen ja stark nach Schwarz-Grün aus. Vielen in der Ökopartei war die demonstrative Nähe, die die Grünen-Spitze um Baerbock und Habeck lange Zeit gegenüber der Union zeigte, viel zu viel. Diese taktische Annäherung ist mit spätestens dem Absturz der Union passé.

 Und die SPD? Insgeheim hoffen Olaf Scholz und seine Strategen, dass FDP und Grüne sehr bald die ganz heiße Luft aus dem Jamaika-Ballon lassen und ihre Bereitschaft für Dreiertreffen mit der SPD erklären. Passiert das vielleicht schon Mitte der Woche? SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil glaubt, dass FDP und Grüne sich schnell für Gespräche mit seiner Partei zur Bildung einer Ampelkoalition entscheiden. Aus SPD-Kreisen ist zu hören, dass nach ein oder zwei Gesprächen im Dreierkreis dann zügig offiziell Koalitionsverhandlungen gestartet werden könnten. Die Grünen müssten sich dafür noch einmal die Genehmigung auf einem Parteitag einholen. Die SPD möchte Koalitionsverhandlungen gerne bis Ende November, Anfang Dezember abschließen. Dann könnte auf einem Bundesparteitag Anfang Dezember in Berlin nicht nur eine Parteiführung gewählt, sondern gleichzeitig eine Koalitionsvereinbarung abgesegnet werden. Und nicht Angela Merkel, sondern ein neuer Kanzler Scholz würde die Neujahrsansprache halten.

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