Letzte Kabinettssitzung vor der Wahl Ein Hauch von Abschied

Berlin · Eine Kanzlerin, 20 Minister, 158 Sitzungen: An diesem Mittwoch trifft sich das schwarz-gelbe Kabinett zum letzten Mal vor der Wahl. Unabhängig vom Ausgang am 22. September wird es Änderungen geben.

Noch wird regiert: der Jahresbericht zum Kinderschutz im Internet, drei Vereinbarungen zu Mindestlöhnen, Sonstiges. Das sind an diesem Mittwoch die Themen im Bundeskabinett.

Trotzdem hängt auch schon ein Hauch von Abschied im Raum, wenn sich Angela Merkel mit ihren 15 Ministern zur letzten Kabinettssitzung vor der Bundestagswahl trifft.

Nach dem 22. September wird es auf jeden Fall personelle Änderungen geben - und zwar unabhängig davon, ob es mit Schwarz-Gelb weitergeht oder nicht. Zeit für eine Bilanz.

Die reinen Zahlen: Mit 158 Kabinettssitzungen liegt das Bündnis aus Union und FDP einigermaßen im Durchschnitt von bundesdeutschen Regierungen. Merkel selbst war mittwochs um 09.30 Uhr fast immer dabei.

Dreimal ließ sie sich im Sommerurlaub vom derzeitigen Vizekanzler Philipp Rösler vertreten, einmal von dessen Vorgänger Guido Westerwelle. Der Außenminister nutzte die 18-Minuten-Sitzung im August 2010 für eine anschließende Pressekonferenz von 78 Minuten.

"Beste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung"

Alles in allem kam die Kanzlerin seit dem 28. Oktober 2009 mit 20 Ministern aus - und ohne eine einzige größere Kabinettsumbildung. Dafür sind nur noch sechs Ressortchefs auf dem Posten, auf dem sie begannen. Nach und nach wurde also kräftig durchgewechselt.

Vier Minister erklärten gezwungenermaßen ihren Rücktritt: Franz Josef Jung (Arbeit/CDU) bereits nach einem Monat, gefolgt von Rainer Brüderle (Wirtschaft/FDP), Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU/Verteidigung) und Annette Schavan (CDU/Bildung). Guttenberg und Schavan wurden dazu noch ihre Doktortitel los. Ein Minister wurde von Merkel geschasst: Umweltminister Norbert Röttgen (CDU), nach der verlorenen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2012.

Was die Beurteilung angeht, gibt es naturgemäß große Unterschiede. Die CDU-Vorsitzende Merkel spricht bei ihren Wahlkampfauftritten von der "besten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung". SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück setzt - in großzügiger Auslegung der grammatikalischen Steigerungsformen - dagegen: "Dieses Kabinett ist das rückwärtsgewandteste, tatenloseste, zerstrittenste, aber vollmundigste Kabinett seit der Wiedervereinigung."

Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" stellte dem Kabinett zum Abschluss die Durchschnittsnote 3,8 aus. Dreimal gab es eine Fünf: für Verkehrsminister Peter Ramsauer, Innenminister Hans-Peter Friedrich (beide CSU) und Familienministerin Kristina Schröder (CDU).

Erstaunen im Ausland

Die einzige Eins bekam Entwicklungsminister Dirk Niebel. Trotzdem gehört der FDP-Mann seit dem gescheiterten Aufstand gegen Parteichef Rösler zu den größten Wackelkandidaten.

Auf jeden Fall war es das bunteste Kabinett, das Deutschland jemals hatte. Eine Kanzlerin aus dem Osten, ein Vizekanzler aus Vietnam, ein Finanzminister im Rollstuhl, ein Außenminister, der mit einem Mann verheiratet ist - im Ausland löste die Zusammensetzung immer mal wieder Erstaunen aus.

Und wie geht es weiter? Sicher ist einstweilen nur, dass Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) nicht mehr dabei sein wird: Sie wechselt nach Bayern. Ansonsten hängt alles vom nächsten Sonntag ab. Bei Union und FDP sind einige aber auch gefährdet, wenn weiterregiert werden kann.

In der CDU/CSU werden vor allem Schröder und Friedrich genannt. Bei der FDP hat - nach dem Wahldebakel ihres bayerischen Landesverbandes - nun auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger einen schweren Stand.

Und Merkel selbst? Die CDU-Vorsitzende hat nach allen Umfragen beste Aussichten, Kanzlerin zu bleiben - entweder weiterhin mit der FDP, als Chefin einer neuen großen Koalition mit der SPD oder auch an der Spitze eines neuartigen Bündnisses mit den Grünen. Doch wie auch immer es ausgeht: Am Mittwoch nächster Woche hat Merkel erst einmal Zeit zur freien Verfügung. Kabinett fällt aus.

(dpa)
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