Die Linke und ihre ungeklärte Haltung in der Außen- und Sicherheitspolitik Offene Flanke

Berlin · Die Linke hat über Jahre eine Klärung zu wichtigen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik versäumt. Dies könnte sich jetzt mit Blick auf Rot-Grün-Rot im Bund rächen.

Einsätze wie in Afghanistan lehnt die Linke grundlegend ab. Sie will die Bundeswehr am liebsten aus allen Auslandsmissionen abziehen

Einsätze wie in Afghanistan lehnt die Linke grundlegend ab. Sie will die Bundeswehr am liebsten aus allen Auslandsmissionen abziehen

Foto: dpa/Marc Tessensohn

 Bodo Ramelow ist schon eingestellt „auf die längste Nacht, die wir je erlebt haben“. Der Ministerpräsident von Thüringen meint die Nacht vom Wahlsonntag auf den folgenden Montag. Denn nach der Wahl ist vor der Sondierung. Und nach der Sondierung ist vor Koalitionsgesprächen. Aber bis dahin ist es noch ein Stück Weg. Klar, besser erst einmal das Wahlergebnis abwarten, sagt Ramelow. Ein Resultat von „sieben Prozent sich nach oben entwickelnd gesamtdeutsch“ wären schön. Womöglich eine Basis für eventuelle Sondierungsgespräche über Rot-Grün-Rot im Bund.

Der einzige Landesregierungschef mit Linke-Parteibuch ist drei Tage vor der Wahl gemeinsam mit der Linken-Co-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow angetreten, um über Stärken und Vorzüge von Ostdeutschland auch für den Rest der Republik zu sprechen. Gerade jetzt da, Armin Laschet, Kanzlerkandidat der Union in Umfragenot, versuche, den Osten „als Rettungsreifen“ für seine verfahrene Wahlkampfsituation zu benutzen, wie Hennig-Wellsow sagt. Ramelow und Hennig-Wellsow, die in ihrem Wahlkreis Erfurt/Weimar das Direktmandat für den Bundestag gewinnen will, wehren sich dagegen, dass Laschet „die Menschen im Osten als Notnagel im CDU-Wahlkampf“ sieht. Drei Kanzlerkandidaten gebe es, alle drei seien „westdeutsch sozialisiert“, alle drei ohne nennenswerte Lebenserfahrung im Osten. Im Bund soll „der Osten endlich vom Katzentisch an den Kabinettstisch“, so Hennig-Wellsow.

Die Linke-Vorsitzende hofft, dass ihre Partei nach diesem Wahlsonntag von der SPD als möglichem Wahlsieger zu Sondierungsgesprächen über eine von der Linken ersehnte rot-grün-rote Koalition im Bund eingeladen werde. Und dann? Ramelow, der in Thüringen schon zwei rot-grün-rote Koalitionen gezimmert hat und derzeit mit einer Minderheitsregierung auskommen muss, weiß, wie man solche Gespräche führt. „Natürlich werden wir so verhandeln, dass es auch gelingen kann.“ Zuerst die Gemeinsamkeiten, danach die schwierigen Themen.

Zum Beispiel Nato, deutsche Militärauslandseinsätze, Bundeswehr, Rüstungsexporte. Hier hat die Linke ein schwieriges Alleinstellungsmerkmal. Natürlich ist Ramelow und Hennig-Wellsow bewusst, dass die Linke ihr Verhältnis etwa zu militärischen Auslandseinsätzen mit Blick auf eine mögliche Beteiligung an einer nächsten Bundesregierung dringend klären müsste. Selbst UN-Friedensmissionen sehen Teile der Linkspartei kritisch beziehungsweise lehnen sie ab. Es könnte sich rächen, dass die Linke über Jahre vertan und eine wichtige Neupositionierung etwa zu UN-Missionen versäumt hat. Auch wenn Spitzenkandidat Dietmar Bartsch beispielsweise sagt, ein Austritt aus dem Bündnis sei keine Bedingung für Koalitionsgespräche, birgt das Thema doch Zünd- und Sprengstoff für eine rot-grün-rote Bundesregierung.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz machte klar: „Die Nato wird auch in Zukunft für uns von allergrößter Bedeutung sein.“ Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock betonte mit Blick auf die Linke: „Aber wenn man außenpolitische Handlungsfähigkeit einer Regierung nicht sicherstellen kann, gibt es keine Regierungsgrundlage.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken-Bundestagsfraktion, Jan Korte, würde an der Nato, die die Linken am liebsten auflösen würde, eine Koalition im Bund nicht platzen lassen. „Ich habe noch keinen Arbeiter getroffen, der morgens auf dem Weg zur Schicht überlegt, wie komme ich am schnellsten aus der Nato raus“, sagte er unlängst.

Hennig-Wellsow, die seit Februar dieses Jahres gemeinsam mit Janine Wissler als erste weibliche Doppelspitze die Linke führt, weiß, dass ihre Partei in der Außen- und Sicherheitspolitik eine offene Flanke hat. Entsprechend kommt im „Sofortprogramm“ der Linken für eine Regierungsbeteiligung das Wort „Nato“ ebenso wenig vor wie die Forderung nach Ende aller Bundeswehr-Auslandseinsätze. Zuletzt sorgte die Linke-Fraktion im Bundestag für Kopfschütteln, als sie sich bei der Abstimmung im Bundestag über Evakuierungseinsatz vom Flughafen Kabul größtenteils der Stimme enthielt. Sieben Abgeordnete stimmten gar dagegen. Erklärung: Die Linke habe diesem Teil des Einsatzes nicht zugestimmt, weil ihr die Rettung nicht weit genug gehe. Im Falle einer konkreten Regierungsbeteiligung, hätte die Linke dann ein Problem. Und damit auch eine Koalition.

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