Bundestagswahl 2009 Die Freien Wähler werden stärker

Düsseldorf (RP). Fast ein Drittel der Deutschen sympathisiert mit den Freien Wählern. Sollten die Freien auch bei der Bundestagswahl antreten? Der Demokratie täte das gut, meint Ex-Industriechef Hans-Olaf Henkel.

 Ritter der Neo-Liberalen Markt-Verfechter: JHans-Olaf Henkel kämpft für eine Aufspaltung des Euro.

Ritter der Neo-Liberalen Markt-Verfechter: JHans-Olaf Henkel kämpft für eine Aufspaltung des Euro.

Foto: ddp

Hans-Olaf Henkel, Gründungsmitglied des von Bundespräsident a. D. Roman Herzog geleiteten "Konvents für Deutschland", hat die "Über- und Allmacht" der Parteien gegeißelt. Henkel forderte im Gespräch mit unserer Zeitung die stärker werdende Gruppierung "Freie Wähler" (FW) dazu auf, sich an der Bundestagswahl in einem halben Jahr zu beteiligen, um für mehr bürgerlichen Einfluss auf die Politik zu sorgen.

Der parteilose 69-jährige Ex-Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie sagte, für ihn sei das Resultat der jüngsten Forsa-Umfrage, wonach 28 Prozent der Befragten mit den "Freien Wählern" sympathisieren, nicht überraschend: "Die Leute haben die Schnauze voll vom Parteienstaat, und sie haben eine Sehnsucht, davon endlich befreit zu werden."

Henkel, der einst Chef des Computerkonzerns IBM war, fuhr fort, er habe die Hälfte seines Berufslebens im Ausland verbracht. In keiner anderen Demokratie sei der Parteien-Einfluss so ausgeprägt wie in Deutschland. Im Grundgesetz heiße es zwar, dass die Parteien bei der Willensbildung des Volkes mitwirkten, in Wahrheit hätten sie sich aber die Macht im Staate unter den Nagel gerissen.

"Frau Merkel hat jeden zu akzeptieren"

Als jüngstes Beispiel nannte Henkel den Wechsel an der Spitze des Bundeswirtschaftsministeriums. Michael Glos (CSU) habe seine "Kündigung" nicht etwa an die Bundeskanzlerin, vielmehr an den Führer seiner Partei, Horst Seehofer, gerichtet: "Frau Merkel kriegt ihre Minister von den Parteiführern zugewiesen und hat jeden zu akzeptieren."

Die "Freien Wähler" hätten bereits 280.000 Mitglieder und damit mehr Mitglieder als Grüne, Linke und FDP zusammen. Sie vergrößerten das Feld für Quereinsteiger in die Bundespolitik. Außerdem würde eine Beteiligung der FW an der Bundestagswahl die "größte Partei in Deutschland, nämlich die Nichtwähler", verkleinern helfen und damit der Demokratie guttun.

Wenn CDU und CSU behaupteten, Stimmen für die "Freien Wähler" bedeuteten eine Schwächung des bürgerlichen Lagers, antworte er: "Das bürgerliche Lager gibt es doch kaum mehr. Sozialpopulisten wie Seehofer in Bayern oder Jürgen Rüttgers in NRW vertreten es jedenfalls nicht." Wenn die "Freien Wähler" im Herbst in den Bundestag gewählt würden, vergrößere sich zudem die Möglichkeit, dass eine bürgerlich-liberale Koalition gebildet werden könne.

Der FW-Bundesvorsitzende Armin Grein will für eine Teilnahme seiner Bewegung an der Bundestagswahl kämpfen, sobald bei der Europawahl am 7. Juni die Fünf-Prozent-Hürde übersprungen ist. Bei der Landtagswahl in Bayern am 28. September 2008 hatten die "Freien" 10,2 Prozent erreicht und erstmals über kommunale Räte hinaus bundesweites Aufsehen erregt.

Europawahl wird letzte Zweifler überzeugen

Grein meinte gegenüber unserer Redaktion, noch seien die zwei FW-Landesverbände in Baden-Württemberg und Sachsen dagegen, dass die ursprünglich ausschließlich kommunal aktiven und stark verwurzelten Freien Wählergruppen auch auf Landes- und Bundesebene um Stimmen werben. Ein Erfolg bei der Europawahl wird nach Greins Ansicht die letzten Zweifler davon überzeugen, dass man auch die Bundestagswahl nutzen sollte, um für bürgerlich-liberale Grundanliegen zu kämpfen.

Dazu zählten beispielsweise Forderungen nach mehr Volksentscheiden und -befragungen, nach Zurückdrängen des Parteieneinflusses bei der Wahllisten-Aufstellung oder nach Direktwahl des Bundespräsidenten und der Ministerpräsidenten. Grein: "Die herkömmlichen Parteien kochen im eigenen Saft. Wir brauchen vielleicht keine schweizerischen Verhältnisse, aber auf jeden Fall müssen die Bürger vor wichtigen Entscheidungen in der EU und in Deutschland mehr gefragt werden."

FW-Bundesverband reichte Unterlagen ein

Der FW-Bundesverband hat inzwischen die Unterlagen für die Teilnahme an der Europawahl am 7. Juni beim Bundeswahlleiter eingereicht. Man hat mit mehr als 10 300 Unterstützer-Unterschriften die erforderliche Anzahl von 4000 weit überboten. Spitzenkandidatin der Freien Wähler ist eine bundesweit bekannte Frau: Die frühere erfolgreiche Fürther Landrätin Gabriele Pauli.

Sie war nach gescheiterter Kandidatur für den CSU-Vorsitz Ende 2007 aus der CSU aus- und im Juni 2008 den Freien Wählern beigetreten. Pauli sorgte durch extravagantes Posieren, ungewöhnliche politische Vorschläge (Begrenzung der Ehezeit auf sieben Jahre mit Verlängerungsmöglichkeit) sowie durch Aktivitäten zum Sturz des CSU-Chefs Edmund Stoiber monatelang für Schlagzeilen.

Seit kurzem sind die FW dem Verdacht ausgesetzt, dass sich in ihren Reihen Links- und Rechtspopulisten befinden. Grein sagte, man sei sich nach dem Sensationserfolg bei der Bayern-Wahl darüber im Klaren, dass man für Leute interessant werde, die nichts bei den Freien Wählern zu suchen hätten. Der FW-Landesverband in Kiel hat nach Berichten über Unterwanderung durch Rechtspopulisten den FW-Bundesverband verlassen.

(RP)
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