Als Konrad Adenauer 1949 Kanzler wurde Der härteste Wahlkampf der Bundesrepublik

Düsseldorf · Alle Augen richten sich in diesem Jahr auf die Bundestagswahl am 22. September. Doch wie war das bei früheren Bundestagswahlen? Gab es vergleichbare Situationen? Worum wurde gestritten? Und wer gewann am Ende? Ein Rückblick auf die erste Bundestagswahl 1949.

Bundestagswahl 1949: "Wahlbetrug mit Ansage?"
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Bundestagswahl 1949: "Wahlbetrug mit Ansage?"

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"Wahlbetrug mit Ansage" — im Bundestagswahlkampf 2013 sind Vorwürfe wie dieser bereits die ganz große Keule. Denn echte Verunglimpfungen akzeptiert das Wahlvolk schon länger nicht mehr. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Unterschiede zwischen den Parteien geringer sind als früher und die Probleme kleiner. Bei der ersten Bundestagswahl 1949 war das noch ganz anders.

Vier Jahre nach Kriegsende liegt Deutschland damals noch immer am Boden, der beginnende Kalte Krieg hat die Spaltung bereits vertieft. In den drei westlichen Besatzungszonen ist mit Marshallplan und Währungsreform die Basis für einen wirtschaftlichen Aufschwung gelegt. Den Rahmen für ein neues demokratisches System setzt das frisch verabschiedete Grundgesetz. Nun geht es um die Ausgestaltung.

SPD unterschätzt Adenauer

Die traditionsreiche SPD, damals noch eine echte Arbeiterpartei, sieht sich bereits als führende Kraft des Neuaufbaus. Immerhin hat sie schon Reichsregierungen geführt und den Naziterror überlebt - und CDU und CSU sind gerade erst gegründet worden. Doch der autokratische SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher unterschätzt die Neuen und ihr Aushängeschild Konrad Adenauer. Denn dem Vater des Grundgesetzes gelingt es, den Wahlkampf zu einer Auseinandersetzung zwischen christlicher Freiheit und marxistischem Zwang zu stilisieren.

Die Union setzt dabei auf Ludwig Erhards Modell einer sozialen Marktwirtschaft, betont christliche Werte und steuert - trotz der allgemein angesagten Distanz zu den Besatzungsmächten - eine Anbindung an den Westen an. Die SPD dagegen will eine regulierte Planwirtschaft, kritisiert den Einfluss der Kirche und hält an der Gestaltung Deutschlands als Gesamtstaat fest. Doch die Repressionen in der Ost-Zone spielen Adenauer in die Hände: Die Angst der Wähler vor "den Russen" ist größer als die Sorge um die Einheit der Nation.

Die Zeiten sind hart, und der Wahlkampf ist es auch. Schumacher beschimpft Adenauer als "Lügenauer" und die CDU als "Sammelbecken aller bankrotten Nationalisten", wie der "Spiegel" damals berichtet.
Erhard nennt Schumacher einen "pathologischen Schwachsinnigen" und die SPD "Rattenfänger". Adenauer wiederum gibt sich staatsmännisch moderat, setzt aber immer wieder die Sozialdemokraten mit Kommunisten gleich - obwohl im Westen beide nichts miteinander zu tun haben. Der Historiker Wolfgang Benz spricht von einer "Orgie von Schmähungen".

Prügelei und ein Mord

Es bleibt nicht dabei. Bei einer Adenauer-Rede in Nürnberg bricht eine Saalschlacht aus, nach einer Wahlversammlung in Niederbayern wird ein Kommunist erstochen. "Der erste Wahlkampf in der Geschichte der Bundesrepublik war wohl auch der härteste", konstatiert Benz.

Die Mobilisierung ist hoch. 78,5 Prozent der (West-)Deutschen strömen am 14. August 1949 in die Wahllokale, die damals noch ihrem Namen entsprechen und vorwiegend in Gaststätten untergebracht sind.
Befürchtungen der Alliierten, die Deutschen könnten wieder Rechtsaußen-Parteien wählen, bestätigen sich nicht. Die CDU/CSU liegt mit 31 Prozent vorn, die SPD kommt auf 29,2 Prozent, die FDP auf 11,9 und die KPD auf 5,6 Prozent. Weil es damals noch reicht, in einem Bundesland die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen oder ein Direktmandat zu erringen, ziehen auch sechs Regionalparteien ins erste Parlament ein: darunter die nationalistische Deutsche Partei (4,0) und die separatistische Bayernpartei (4,2).

Es gibt starke Bestrebungen, die anstehenden riesigen Probleme in einer lagerübergreifenden großen Koalition anzugehen. Doch Adenauer hat die SPD bereits als Hauptgegner auch der Zukunft ausgemacht und will sie aus der Regierung draußen halten. Er schmiedet ein bürgerliches Bündnis mit FDP und Deutscher Partei - und stellt so bereits die Weichen bis ins übernächste Jahrzehnt.

Adenauers Mehrheit allerdings ist hauchdünn. Am 15. September wird er zum ersten Bundeskanzler gewählt, mit einer Stimme Vorsprung - der eigenen. Hinterher atmet der Rheinländer durch: "Et war jot jejange."

(dpa)
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